Zucht

Fohlengeburt: Worauf es ankommt und was Sie tun können

Ein Artikel von Elke Hellmich | 19.02.2018 - 09:35
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Die ersten Stunden im Leben eines Fohlens sind kritisch. Gute Vorbereitung ist hier die halbe Miete. © Nadine Hase - fotolia.com

Elf Monate – eine schier endlose Zeit. Lange passiert nichts, dann geht alles sehr schnell. Und die wochenlange Vorbereitung auf genau den Moment, an dem das kleine Lebewesen seinen großen Auftritt hat, gerät angesichts der Tatsache, dass sich die Stute an überhaupt keinen Plan zu halten scheint, zur Makulatur. 320 bis 360 Tage oder mehr kann es dauern, bis der Wunsch, ein Fohlen aus der eigenen Stute zu erhalten, Realität geworden ist. In der letzten Phase der Trächtigkeit bedeutet das für den Besitzer vor allem eines: schlaflose Nächte. Schließlich will man nichts verpassen – nein, sollte nichts verpassen. Denn gerade am Beginn des Pferdelebens zählt jede Minute.

Geburtsüberwachung – Dabeisein ist alles!

Zu den wichtigsten Maßnahmen rund um die Pferdegeburt zählt die Anwesenheit des Pferdebesitzers oder einer anderen fachkundigen Person. Bei einem Fenster von über 40 Tagen und Nächten, in denen sich die Geburt ereignen kann, sind gute Organisation und gute Freunde, die zur Not auch einmal einen Nachtdienst übernehmen, gefragt. Die Stute liefert dem aufmerksamen Beobachter aber eine Vielzahl von Hinweisen, um auf die bevorstehende Geburt aufmerksam zu machen. So schwillt das Euter der Stute einige Tage vor der Geburt an, und an den Zitzen werden sogenannte „Harztröpfchen“ sichtbar. Dabei handelt es sich um eingetrocknetes Vorkolostrum (als Kolostrum wird die besonders antikörperreiche Milch in den ersten Stunden nach der Geburt bezeichnet). In den letzten Stunden vor der Geburt kann auch Milch in Tropfen oder im Strahl abgehen. Weiters fallen die Beckenbänder ein – der Bauch der Stute erscheint dann besonders hängend. Die Vulvaspalte zeigt leichte Fältchen und wirkt langgezogen. Wer sich mit Züchtern über diese Anzeichen der bevorstehenden Geburt unterhält, wird jedoch feststellen, dass jede Stute in dieser Hinsicht unterschiedlich ist und auch die erfahrensten Pferdeleute noch von Fohlen überrascht werden, die sich ohne offensichtliche Vorankündigung ihren Weg nach draußen gebahnt haben.

Damit man auch wirklich nichts verpasst, gibt es verschiedene Systeme zur Geburtenüberwachung. Sie alle haben aber eines gemeinsam: Sie sind nicht fehlerfrei und können ein regelmäßiges Kontrollieren und aufmerksames Beobachten der Stute nicht ersetzen. Bei Geräten, die mit einem Gurt an der Stute montiert werden und auf Schweiß ansprechen, kann es zu Fehlalarmen kommen – nachdem man zum zweiten Mal irrtümlich in der Nacht aus dem Bett gejagt wurde, wird das Vertrauen in die Technik stark abnehmen – und das kann sich im schlimmsten Fall auf die Gesundheit des Fohlens auswirken.

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Einige Geburtsmelder werden mit Hilfe eines Gurtes um den Bauch der Stute befestigt. Sobald sich die Niederkunft anbahnt, schlägt er Alarm. © purplequeue - fotolia.com

Univ. Prof. Dr. Christine Aurich, Fachtierärztin für Gynäkologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und selbst passionierte Züchterin, spricht sich für die Kombination verschiedener Geburtsüberwachungssysteme aus: „Sehr gut bewährt sich ein Sender, den man einige Tage vor dem errechneten Geburtstermin in die Vulva der Stute einnäht. Sobald die Fruchtblase durch den Geburtskanal tritt, reißt die Naht, mit der der Sender fixiert ist. Dadurch wird ein Alarmsignal ausgelöst, das über Telefon übertragen werden kann. Dieses System, in Verbindung mit einer Videoüberwachung, halte ich für das sicherste, um nichts zu verpassen. Der Nachteil dabei ist, dass beide Systeme sehr teuer sind und sich eher für professionelle Züchter eignen, die mehrere Fohlen im Jahr ziehen.“ Außerdem, so Aurich, kann es passieren, dass sich das Fohlen in Querlage befindet und daher nicht in den Geburtskanal eintritt, obwohl die Stute Wehen hat. In diesem worst case würde der Sender wahrscheinlich keinen Alarm auslösen und das Fohlen unbemerkt zu Tode kommen.

Prof. Aurich rät daher, die Stute lieber wenige Wochen vor der Geburt in einem Zuchtbetrieb einzustellen, wo die Infrastruktur für eine lückenlose Überwachung gegeben ist, als mit mangelhaften Vorkehrungen ein unberechenbares Risiko einzugehen. Stutenbesitzer, die in Pensionsställen eingemietet sind, nehmen hierfür gerne auch die Dienste der VUW in Anspruch: Etwa 50 Fohlen kommen jährlich auf der Uni zur Welt – überwacht vom aufmerksamsten aller Systeme: StudentInnen der Veterinärmedizin und TierärztInnen.

Sobald das Fohlen in den Geburtskanal eingetreten ist – d. h. die Vulva der Stute öffnet sich und der Fruchtsack ist bereits erkennbar – sollte alles sehr rasch gehen. „Innerhalb von 20 Minuten sollte das Fohlen draußen sein. Sobald man merkt, dass etwas klemmt, dass etwa nur ein Vorderbein herausschaut oder dass die Stute unruhig wird und Schmerzen zeigt, sollte der Tierarzt verständigt werden“, so Aurich, die es bedauert, dass viel zu oft „einfach mal abgewartet wird. Darüber kann man diskutieren, wenn das Pferd leicht lahmt, bei einer Geburt darf man aber keine Zeit verlieren. Wenn der Tierarzt zu spät geholt wird, kann das für Stute und Fohlen tödlich enden.

Der Quell des Lebens

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Ab dem Zeitpunkt, wenn der Brustkorb des Fohlens sichtbar ist, schnappt es das erste Mal nach Luft. Etwa eine Minute später atmet es bereits ziemlich regelmäßig. © sangriana - fotolia.com

Hat es das kleine Pferdekind endlich nach draußen geschafft, so sollte man noch zumindest zwei Stunden bei der jungen Mutter bleiben und sicherstellen, dass alles seinen geordneten Lauf nimmt. Zunächst sollte die Nabelschnur reißen. Passiert dies nicht von selbst, kann man helfend eingreifen, indem man die Nabelschnur händisch an der natürlicherweise angelegten Abrissstelle (erkennbar an einer Verengung etwa 15 Zentimeter unterhalb der Bauchdecke) zerreißt. Dabei darf man keine Skrupel wegen etwaiger Schmerzen haben: Aus Gründen des Infektionsrisikos ist es besonders wichtig, dass die kleinen Blutgefäße im Nabel durch das Zerreißen gedehnt und verengt werden – Bakterien können damit nicht so leicht einwandern. Ein Abbinden oder Abschneiden, das den Nabelstumpf in eine Trichterform bringt, ist dagegen sehr riskant. In den meisten Fällen wird die Nabelschnur aber mit den ersten Stehversuchen des Fohlens von selbst abreißen. Diese können durchaus spektakulär tapsig ausfallen.

Grundsätzlich gilt es, dem Fohlen Zeit zu geben und sich lieber nicht einzumischen. Erkennt man aber, dass das Fohlen trotz tauglicher Versuche einfach nicht zu stehen imstande ist – etwa, weil es Stelzfüße oder durchtrittige Beine hat –, so ist Unterstützung gefragt. Schließlich geht es darum, den kleinen Erdenbürger möglichst schnell an den Quell des Lebens andocken zu lassen.

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Geschafft: Sobald sich die Stute erhoben hat, beginnt sie ihren Nachwuchs trocken zu lecken. Dabei nimmt sie seinen Duft auf und macht es gleichzeitig mit ihrem bekannt. © purplequeue - fotolia.com

Die erste Milch, das sogenannte Kolostrum, sieht eher gelblich aus, ist zäh und vollgepackt mit Antikörpern und daher für das Fohlen überlebenswichtig. Pferde kommen im Unterschied zu anderen Spezies mit einer mangelhaften Ausstattung an körpereigenen Abwehrstoffen zur Welt und sind darauf angewiesen, Immunglobulin G (IgG), so der Name des wichtigsten Antikörpers für das Fohlen, über die Milch aufzunehmen. Diese Antikörper schützen das Fohlen in den ersten Wochen nach der Geburt vor Krankheitserregern aus der Umwelt, bis das Immunsystem des Pferdekindes selbst soweit ist, einen eigenen Schutzschild gegen Infektionen aufzubauen. In den ersten acht Stunden nach der Geburt sind die Zellen im Dünndarm des Fohlens offen für alles, besonders für die schützenden Stoffe des Kolostrums. Da die Stute zudem nur zwei bis drei Liter dieses Lebenselixiers vorrätig hat, muss das Fohlen möglichst bald zu trinken beginnen.

Hat die Stute vor der Geburt schon Kolostrum verloren oder bestehen Anzeichen, dass das Fohlen nicht genügend Milch bekommt (es sucht häuf g das Euter auf, ohne sichtlich satt zu werden), so sollte der Tierarzt für eine IgG-Bestimmung herangezogen werden. Mit Hilfe eines Schnelltests wird dann ermittelt, wie IgG-reich das Kolostrum der Stute ist – und ob das Fohlen eine zusätzliche Starthilfe in Form eines Fläschchens benötigt. „In vielen Gestüten werden Stuten routinemäßig abgemolken um für diesen Fall vorbereitet zu sein. Kolostrum lässt sich auch gut einfrieren und sollte in professionell geführten Betrieben immer vorrätig sein“, erklärt Prof. Christine Aurich.

Dass das Fohlen in eine Versorgungsnotlage gerät, obwohl es steht und das Euter der Stute prall ist, kann ganz banale Gründe haben, die relativ leicht zu beheben sind, wie Aurich erläutert: „Gerade ältere Stuten, die ihr Leben lang als Reitpferd im Einsatz waren, tun sich zu Beginn mit ihrer neuen Rolle schwer und wissen nicht so recht, was sie mit dem Würmchen anfangen sollen, dass da unbedingt an ihre kitzelige Flanke will. Da kann es schon vorkommen, dass die Stute ihr Fohlen nicht duldet. Oder aber sie ist so übermäßig besorgt, dass sie es buchstäblich nicht aus den Augen lassen will und ihm dadurch den Weg zum Euter verwehrt.“ In diesen Situationen sollte man die Stute vorsichtig, aber doch bestimmt auf ihre Pflichten hinweisen und am besten aufhalftern und festhalten, während sich das Fohlen seinen Weg bahnt.

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Innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Geburt sollte das Fohlen bei der Stute trinken um das lebensnotwendige Kolostrum aufzunehmen. © Nadine Haase - fotolia.com

Das Fohlen sollte gut hörbar schlucken, ca. 100 bis 150 Milliliter pro Mahlzeit aufnehmen und im Idealfall kurz darauf Kot absetzen. Hobbyzüchtern empfiehlt Prof. Christine Aurich, ein Fläschchen bereit zu haben, falls das Fohlen gefüttert werden muss. Abmelken sollte man aber nur, wenn es aufgrund der Umstände nicht anders geht. Am besten lässt man sich von jemandem helfen, der bereits Melkerfahrung hat, um sich selbst und der Stute unnötigen Stress zu ersparen. Schließlich ist das Euter der Stute wahrscheinlich schon prall gefüllt und dementsprechend schmerzhaft – jede unsachgemäße Manipulation wird die Stute als Negativerfahrung abspeichern.

Es ist auch ratsam, mit dem Tierarzt im Vorfeld abzuklären, ob bzw. wo tiefgekühltes Kolostrum eingelagert wird. „Im Notfall kann der Pferdebesitzer es bei uns an der Klinik kaufen und sofort mitnehmen“, so Aurich. Es gibt auch Kolostrum- Ersatzpräparate, die man bei Bedarf anmischen kann. Auch wenn man angesichts der Preise ins Zögern gerät, sollte man hier nicht an der falschen Stelle sparen: Ein Fohlen, das zu wenig Kolostrum aufgenommen hat, benötigt im schlimmsten Fall intensivmedizinische Behandlung – und die ist teuer.

Nachgeburt: Vollständig?

Die Kontrolle der Nachgeburt ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe, die demjenigen zufällt, der die Geburt beobachten konnte. Sie sollte innerhalb von zwei Stunden nach dem Fohlen abgegangen sein und muss dringend auf ihre Vollständigkeit überprüft werden. Verbleiben Reste des Gewebes im Uterus der Stute, kann dies für sie lebensbedrohliche Konsequenzen haben.

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Wichtig: die Kontrolle derNachgeburt. Sie muss vollständig sein und sollte nur an einer Stelle eine Durchtrittsöffnung aufweisen. © purplequeue - fotolia.com

Zur Untersuchung der Nachgeburt breitet man diese auf dem Boden aus: Sie sollte annähernd eine F-förmige Ausdehnung haben und nur an einer Stelle, jener, an der das Fohlen durch den Geburtskanal getreten ist, geöffnet sein. Wer an der Nachgeburt Veränderungen entdeckt, wie etwa Verdickungen im Gewebe, bräunliche Verfärbungen und übelriechende, schleimige Auflagerungen, sollte seinen Tierarzt/ seine Tierärztin dazu befragen. Es könnte sich um eine Entzündung handeln, die Stute und Fohlen auch nach der Geburt noch gefährden kann. Ist nach zwei bis drei Stunden die Nachgeburt noch immer nicht abgegangen, gilt: umgehend den Tierarzt rufen, die Stute gut beobachten und keinesfalls an der Nachgeburt anziehen!

Glück gehabt: Darmpech binnen 24 Stunden

Ein weiterer Meilenstein in den ersten Lebensstunden des Fohlens ist das Absetzen des sogenannten Darmpechs. In der Fachsprache Mekonium genannt, handelt es sich dabei um den Darminhalt, der sich durch das Abschlucken von Fruchtwasser bildet und im Unterschied zum nachfolgenden Milchkot nicht gelblichbraun, sondern dunkelbraunschwarz aussieht. Idealerweise sollte es innerhalb der ersten acht Stunden abgegangen sein. Der Tierarzt sollte konsultiert werden, wenn das Fohlen über einen längeren Zeitraum scheinbar erfolglos presst oder sogar Symptome einer Kolik zeigt. Achtung: Pferdekinder weichen in ihrer Art, Bauchschmerzen zu signalisieren, deutlich von ihren erwachsenen Verwandten ab. Wer ein Fohlen dabei beobachtet, wie es sich auf den Rücken legt und in dieser Position verharrt, darf nicht glauben, dass dies ein Zeichen besonderen Wohlbefindens ist wie etwa bei einem Hund. Das Fohlen versucht damit, seinen Bauchschmerzen auszuweichen und benötigt in dieser Situation dringend professionelle Hilfe.

Unterversorgt: Das Dummy-Syndrom

Fohlen, die eine schwere Geburt hinter sich haben oder infolge ungenügender Kolostrumaufnahme eine Infektion aufschnappen, können in den ersten 48 Stunden auffällige Symptome entwickeln, die unter dem Fachbegriff Dummy- Syndrom zusammengefasst werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um abnorme Verhaltensmuster, wie etwa das Besaugen der Wand, Schluckprobleme oder scheinbar zielloses Herumwandern mit Kopfpressen bis hin zu krampfenden Anfällen. „In vielen Fällen leiden Patienten mit Dummy-Syndrom an einer Septikämie (d. h. bakterielle Krankheitserreger sind in den Blutkreislauf eingedrungen, Anm.) oder sie sind einfach unreif und deshalb noch nicht imstande, sich an die Umwelt anzupassen. Eine Blutabnahme mit Untersuchung der weißen Blutzellen gibt Aufschluss darüber und ist auch ein prognostischer Indikator“, erklärt Prof. Christine Aurich.

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Es sollte stets ein Fläschchen bereitstehen, falls das Fohlen - aus welchen Gründen auch immer - gefüttert werden muss. © Pelana - fotolia.com

Der Dummyzustand kann also überwunden werden – und mit der richtigen intensivmedizinischen Therapie kann der kleine Patient wieder in ein geordnetes Leben zurückgeholt werden. „Innerhalb von 24 Stunden sollte sich der Zustand verbessert haben. Hat sich das Fohlen dann eher weiter verschlechtert oder ist es in Seitenlage und richtet sich von selbst nicht auf, so haben wir schlechte Karten.“ Der Zeitpunkt des Therapiebeginns ist damit auch beim Dummy-Syndrom das Maß aller Dinge.

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Rund fünf von einhundert Fohlen verschlafen buchstäblich ihre Geburt. Die Neugeborenen wirken desorientiert und nehmen ihre Mutter nicht wahr. Bislang war das Überleben solcher Fohlen nur bei Rund-um-die Uhr-Betreuung möglich. Dank einer innovativen, noch wenig bekannten, Behandlungsmethode, können betroffene Tiere oft schon innerhalb weniger Stunden ein normales Leben führen.
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Aufatmen nach dem ersten Tag

Die ersten 24 Stunden sind die kritischsten zu Beginn eines Pferdelebens. „Die meisten Fohlenerkrankungen nehmen ihren Ursprung in den ersten 24 Stunden. Ist in dieser Zeit alles gut und nach Plan verlaufen, kann der Pferdebesitzer aufatmen. Auch wenn es keinerlei Zwischenfälle gegeben hat, empfiehlt sich jedenfalls, nach dem ersten Tag den Tierarzt zur Routinekontrolle zu bitten“, rät Prof. Aurich. Im Rahmen dieser Kontrolle wird der Tierarzt den Heilungsprozess des Nabels und das Fohlen allgemein kurz untersuchen. Idealerweise sollte zu diesem Zeitpunkt ein IgG-Test gemacht werden. Dabei handelt es sich um einen Schnelltest, der in kürzester Zeit und direkt vor Ort ermitteln kann, ob das Fohlen mit dem Kolostrum ausreichende Mengen des wichtigen Antikörpers IgG aufgenommen hat. Schließlich sollte man nicht erst abwarten, bis das kleine Pferd intensivmedizinische Betreuung braucht und hat umso bessere Chancen, je früher die Behandlung eingeleitet wird. „Die Fohlenspätlähme ist eine der lebensbedrohlichsten Komplikationen, die erst nach der zweiten Lebenswoche auftritt und aus einer mangelhaften Versorgung mit Kolostrum resultiert“, erklärt Aurich.

Die Behandlungsmethode der Wahl bei einem Fohlen mit grenzwertig niedrigem IgG-Spiegel ist eine Plasmatransfusion, die gleich im Stall vorgenommen werden kann. Als Spender kann jedes gesunde Pferd außer der Mutter des Fohlens herangezogen werden. Noch besser, allerdings auch teurer ist es, auf kommerziell verfügbares und sehr antikörperreiches Plasma zurückzugreifen. Da die Konsequenzen einer zu niedrigen Kolostrumversorgung derart schwer wiegen, rät Prof. Christine Aurich jedem Pferdezüchter, den IgG-Spiegel der neugeborenen Fohlen routinemäßig bestimmen zu lassen. Der Test sei für das Fohlen von höherem Wert als die Fohlenlähmeimpfung, die nach wie vor gerne am ersten Tag verabreicht wird, aber Studien zufolge keine ausreichende Wirkung auf das Immunsystem hat. Durchaus sinnvoll, so die Expertin, sei jedoch die Verabreichung von Tetanus-Antikörpern am ersten Tag.

Viel Bewegung und gutes Futter

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Neben einer ausreichenden Versorgung mitMuttermilch braucht ein heranwachsendesFohlen vor allem die Möglichkeit, sich frei zubewegen, um sich seelisch und körperlichgesund entwickeln zu können. © www.slawik.com

Hat es das Pferdekind durch die Härten seines Lebensbeginns geschafft, steht einer unbeschwerten Jugend nichts mehr im Wege. Um der Stute ihre Rolle als Nahversorgerin zu erleichtern – immerhin gibt sie täglich 15 bis 20 Liter Milch – sollte man bereits sechs Wochen vor der Geburt zu qualitativ hochwertigem Laktationsfutter greifen und die Ration damit aufbessern. Das Fohlen selbst braucht spätestens acht bis zehn Wochen nach der Geburt eine zusätzliche Nährstoffquelle. „Man kann schon nach zwei Wochen beginnen, etwas Fohlenstarter in die Krippe zu geben, damit das Kleine während der Fütterungszeit der Mutter auch etwas zu knabbern hat. Wichtig ist vor allem eine gute Mineralstoffmischung mit ausreichendem Kupfergehalt. Auch bei intensivem Weidegang sollte man sich auch nicht darauf verlassen, dass die Weide das Fohlen ausreichend versorgt. Etwas Hafer und eine Mineralstoffmischung als Zusatz zur Weide ist jedenfalls angebracht“, empfiehlt Prof. Aurich. Zu gutem Futter gehört jedenfalls auch viel Bewegung, um dem Skelett und den Muskeln die besten Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Weitläufige Weiden, die zum Galoppieren einladen, eignen sich hervorragend, um das Pferdekind zufrieden und gesund heranwachsen zu lassen.

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Dieser Artikel von Elke Hellmich wurde erstmals in Ausgabe 2/2011 der Pferderevue veröffentlicht. Pferderevue AbonnentInnen können diese Artikel zusammen mit über 40.000 weiteren in unserem Online-Archiv kostenlos nachlesen. Einfach im E-Paper-Bereich einloggen und in allen Heften aus über 25 Jahren Pferderevue zum Nulltarif blättern!