Es ist schon beinahe soetwas wie ein Sommermärchen, was der österreichische Dressur-Nachwuchs bei den diesjährigen U18 und U21-Europameisterschaften im britischen Hartpury durchlebt - mit reichlich Drama, einem strahlenden Helden, einer tragischen Co-Heldin und einem großen Happy End - wenn auch nicht für alle Protagonisten. Auf den großen Schock mit zwei ausgefallenen Teammitgliedern bei den Junioren folgte eine fulminante Leistungssteigerung von Young Rider Paul Jöbstl und seinem Bodyguard. Der Lohn: Einzel-Bronze! Und dann das Finale Grande: Zwei rot-weiß-rote Paare in den Top 4 der U21-Kür, Silber für Paul Jöbstl und Blech für Felicita Simoncic und Immowert’s Ivar, die in den Augen vieler die Bronzemedaille mehr als verdient gehabt hätten. Hand aufs Herz: Ein solches Ergebnis hätte dem rot-weiß-roten Nachwuchs vor dieser EM wohl nicht viele zugetraut.
Felicita Simoncic und Ivar: Leichtfüßig zu Platz vier
Das Kür-Finale der Jungen Reiter bot absolut hochklassigen Dressursport. Alle 18 angetretenen Paare schafften den Sprung über die 70-Prozent-Marke, gleich elf ritten mit einer Wertung von über 75 % aus dem Viereck. Als erstes der beiden österreichischen Duos griffen Felicita Simoncic und Immowert’s Ivar in den Kampf um die Medaillen ein. Zu diesem Zeitpunkt lag die Führung bei der vielfachen deutschen EM-Medaillengewinnerin Jana Lang auf Baron mit 76,608 %. Eine leichtfüßige Musik hatte Simoncic für ihre Kür angekündigt. Leichtfüßig war dann nicht nur die bezaubernde, fröhliche Musik, die hervorragend zu dem neunjährigen Ampere-Sohn passt, sondern auch der Wallach selbst. Über den gesamten Ritt hinweg präsentierte die 17-jährige Wienerin ihr Kraftpaket in hervorragender Anlehnung und Selbsthaltung, spielerisch meisterte das Duo selbst schwierigste Lektionen, wie Serienwechsel auf gebogenen Linien, oder halbe Pirouetten aus dem starken Galopp. Dabei war das Paar stets perfekt im Takt der Musik, jeder Übergang saß, auch das Schlusshalt aus dem Starken Trab. Nach dem Gruß gab’s von Felicita einen riesen Umarmung für ihren Ivar, der das ganze Championat über so sensationell mitgekämpft hatte. Die mitreißende Kür kam auch bei der Jury gut an – zumindest beim Großteil. Ausgerechnet die österreichische Richterin bei B lag mit ihrer Wertung (75,575 %) deutlich unter ihren Kolleg:innen, die Simoncic und Ivar im Schnitt mit 79,225 % bewerteten. So wurden es 78,313 %, die zwar zur Zwischenführung reichten, letztlich jedoch haarscharf nicht für einen durchaus gerechtfertigten Platz auf dem Podium.
Paul Jöbstl und Bodyguard: Kür-Feuerwerk der Extraklasse
Die zum Greifen nahe Bronzemedaille ging stattdessen an die Vize-Europameister des Vortages, Lucie-Anouk Baumgürtel und Zinq Hugo FH (78,9 %). Dass es nicht erneut Silber für das deutsche Paar wurde, dafür sorgten Paul Jöbstl und Bodyguard. Die Dritten im Einzel konnten sich im Verlauf dieses Turniers von Prüfung zu Prüfung steigern. Ihr Meisterstück lieferten sie heute im Finale. Das Duo zeigte eine Kür mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad des Tages (8,25). Sie bot nicht nur ein wahres Lektions-Feuerwerk, sondern auch viele Wechsel zwischen den Gangarten – eine echte Prüfung für die Durchlässigkeit des Pferdes, die der 13-jährige Bodyguard mit geradezu spielerischer Leichtigkeit meisterte. Die Jury honorierte die ausdrucksstarke, kraftvolle Runde zu Elton John-Hits reihenweise mit Bestnoten. Am Ende wurden es 79,206 % für Jöbstl und Bodyguard. Nach Bronze im Einzel, Silber in der Kür – was für ein Erfolg für den 19-jährigen Steirer!
Gold ging abermals an Helena Schmitz-Morkramer. Im Sattel ihres DSP Lifestyle kam die Deutsche auf 80,419 %.
Lachendes und weinendes Auge
„Ich denke, wir haben uns sehr gut geschlagen. Vor den Küren haben wir noch einmal alles getan, was in unserer Macht stand, um die fürs Finale qualifizieren Reiter zu motivieren und sie noch einmal zu Höchstleistungen anzutreiben. Das ist uns wirklich hervorragend gelungen. Paul hat seine Klasse aufs Allerfeinste ausgespielt, sein Hengst war prächtig anzusehen, eine wahre Freude! Ein bisschen schade ist es für Felicita und ihren noch so jungen Ivar. Unsere Rookies haben sowas von abgeliefert, das war leichtfüßig, immer in der Musik, mit sehr schweren Linien. Aber so ist der Sport“, resümiert Equipechefin Dr. Uschi Barth den Finaltag mit einem lachenden und einem zumindest leicht glasigen Auge.
Fußballspielen am Vierecksrand
Sicherlich anders hat sich Österreichs Finalteilnehmerin bei den Junioren, Florentina Jöbstl, ihr Kür-Debüt bei einer U18-EM vorgestellt. Das Paar, das in diesem Jahr schon Wertungen um 72 % erzielt hatte, musste sich diesmal mit 64,525 % begnügen. „Florentina und Floortje waren das Opfer einer Situation, die auf einem Dressurturnier, wie wir es kennen, normalerweise nicht vorkommt: Fußballspielen am Viereckrand! Floortje hat sich gleich zu Beginn erschrocken und die Flucht angetreten, aber Flo hat ihre Runde unheimlich nervenstark mit super Reiten doch zu Ende gebracht und zumindest phasenweise gezeigt, was heute – unter normalen Umständen – möglich gewesen wäre. Leider also kein Ende gut, alles gut, aber wir freuen uns über Silber und fast Bronze. Manche müssen noch üben“, so die Equipechefin.