Es war einer der großen Höhepunkte für Amanda Hartung in ihrer Karriere: Ihr "einäugiger Pirat" Drescode Black präsentierte sich bei den Munich Indoors 2017 voller Vertauen und in Bestform in der Münchner Olympiahalle. "Er hat sich zwar schon ein bisschen gefürchtet, ist aber trotzdem überall hingegangen. Das war ein schöner Vertrauensbeweis. Dort erreichten wir mein höchstes Kürergebnis jemals, und es war großartig, vor so einer Kulisse zu reiten!“
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Die österreichische Pferdesportwelt steht unter Schock, die Trauer ist groß: Wie am Mittwoch bekannt wurde, ist Amanda Hartung, mehrfache Tiroler Landesmeisterin in der Dressur und Langzeit-Kadermitglied des OEPS, bei einem Tauchunfall ums Leben gekommen.
Schon als Kind wollte Amanda Hartung reiten lernen, und mit acht Jahren gelang es ihr, ihre Eltern davon zu überzeugen, ihr Reitstunden zu bezahlen. Das war gar nicht so schwer, denn schnell konnte sich auch ihre Mutter für die Pferde begeistern – und so wurde eine Reitbeteiligung für beide gesucht. Der Galopper, den sie gemeinsam übernahmen, wurde bald ihr eigenes Pferd, und mit ihm wechselten sie in einen Profistall, denn schließlich wollte man ja Fortschritte machen. Amandas Herz schlug eigentlich für den Parcours, doch dafür eignete sich das Rennpferd leider gar nicht. Als Trainerin Theres Rantner-Payer sie deshalb zu einem Start auf einem Dressurturnier überreden wollte, war Amanda gar nicht begeistert. Als sie dort aber auf Anhieb den dritten Platz machte, war das Interesse am Dressursport geweckt. Also wurden Pferde gesucht, auf denen man lernen und Erfolge feiern konnte.
Stetig voran
Eines davon war der österreichische Warmblutwallach Bandolino, mit dem sie im Jahr 2000 zum ersten Mal in eine S-Prüfung einritt und auch ihre ersten Siege in der Kleinen Tour erreichte. Gleichzeitig bildete sie damals einen jungen Hengst aus – Lascito, der später kastriert wurde und mit dem sie 2007 in Stadl-Paura zum ersten Mal im Grand Prix an den Start ging. Mit ihm konnte sie auf nationalem Niveau viele Erfahrungen sammeln und sich immer besser platzieren. Für internationale fehlte aber das nötige „Go“. Das brachte der selbst ausgebildete Fuchswallach Wolkenritter mit, und somit gab es ein neues Ziel für Amandas Dressurkarriere: Einmal im Leben am Schindlhof reiten. Als Tirolerin war das sozusagen ein Kindheitstraum. Der erfüllte sich 2011 und war der Startschuss für viele Wiederholungen auf der traumhaften Anlage der Familie Haim-Swarovski.
Aus Fehlern lernen
Solche gestrafften Rückblicke klingen immer recht glamourös, doch da stecken viele Jahre harte Arbeit und wichtige Einsichten dahinter. Etwa die, dass es wichtig ist, aus Fehlern zu lernen und darüber nachzudenken, was man besser machen kann, verriet Amanda Hartung einmal während eines Gesprächs. Und dass man weiß, wann man aufhören sollte. Als ihr Paradepferd Wolkenritter mit 15 Jahren zeigte, dass er den Spaß an schweren Prüfungen verloren hatte, schickte sie ihr sonst immer motiviertes und ehrgeiziges Pferd in Pension. Er übersiedelte nach Kärnten zu Verena Erdmann und durfte in ihrem Rehazentrum Teichhof seinen Ruhestand genießen – mit Blick auf den Wörthersee.
Ein unwiderstehliches Angebot
2014 wurde Amanda Hartung, die im Jahr davor den Reitsport zu ihrem Beruf gemacht hatte, auf einem Turnier von Markus Becker und Valerie von Hohenzollern-Brenske angesprochen, ob sie Schüler hätte, die sich für einen Rappen, Grand-Prix-veranlagt, extrem leichtrittig, interessieren würden. Das Angebot hatte einen Pferdefuß: Dem Pferd fehlte ein Auge – und es koppte. Dennoch ging ihr der Rappe nicht mehr aus dem Kopf. Gemeinsam mit ihrer Mutter fuhr sie schließlich nach Deutschland, um das Pferd zu besichtigen und probezureiten. Die Mutter war wirklich schockiert, als sie das Pferd am Putzplatz stehen sah. Die leere Augenhöhle, seine schiefe Kopfhaltung, um auf der anderen Seite auch etwas zu sehen, und das ständige Koppen machten nicht gerade einen guten Eindruck. Doch Amanda ließ sich nicht abschrecken, und beim Reiten stellte sich heraus, dass sie sich auf diesem Pferd unglaublich wohlfühlte. Im Herbst 2015, nach einer Woche Probezeit, war es dann fix – Dresscode Black von Don Frederico – Sunset Boulevard xx – Weltmeyer durfte bei Amanda bleiben. Gemeinsam tastete sich das Paar voran. Dressurlektionen waren für Dresscode Black dank seines Bewegungstalents und seiner Leichtigkeit nie wirklich ein Problem – aber die Nerven (auch aufgrund der mangelnden Sicht) spielten ihm doch immer wieder einen Streich. Doch Amanda blieb dran und wurde belohnt. Vier internationale Siege auf Grand-Prix-Niveau feierte das Paar in seiner Karriere, insgesamt 18 Mal landete es auf dem Podest. Viel wichtiger war der Tirolerin aber, dass ihr „Pirat“, wie sie Dresscode Black nannte, ihr sein Vertrauen schenkte – und Spaß an der Sache hatte. Dass das Duo einmal in einer Arena wie der Münchner Olympiahalle würde reiten und dort auch noch reüssieren können, hätten wohl nur wenige zu Beginn ihrer gemeinsamen Laufbahn gedacht.
Ihr Ausbildungskonzept erwies sich auch mit den beiden Hannoveranern Fürst Flipper v. Fürst Nymphenburg und Colourful Life v. Christ als ausgesprochen erfolgreich. Beide stellte sie in den vergangenen Jahren ebenfalls auf internationaler Grand-Prix-Bühne vor und durfte sich über zahlreiche gute Ergebnisse freuen. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Tiroler Berufsreiterin mit abgeschlossenem BWL- und Lehramtsstudium über viele Jahre hinweg unangefochten Tirols Aushängeschild in der Dressur war. Zahlreiche Landesmeistertitel sowie Spitzenplatzierungen bei österreichischen Staatsmeisterschaften legen Zeugnis dafür ab.
Amanda Hartung lebte ihre Leidenschaft für den Pferdesport nicht nur als Reiterin, sondern auch als Trainerin und -richterin mit unendlichem Engagement und Herzblut. Sie hat Höhen und Tiefen mit bemerkenswerter Stärke gemeistert und dabei alle inspiriert, die das Glück hatten, sie zu kennen.