Paris 2024

Die Wege zu Olympiagold

Ein Artikel von Ernst Kopica | 23.07.2024 - 13:58
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Das Ziel eines jeden Reitsportlers: Auf einem olympischen Podest ganz oben stehen. In Paris haben 200 Reiter:innen aus 47 Nationen die Chance, sich diesen Traum zu erfüllen.   © holcbecher.com

Europa-, Weltmeisterschaften, Weltcup-Finals und Olympische Spiele – im Reitsport haben sie alle ein eigenes spezielles Regelwerk! Davon abgesehen kommen bei Olympischen Spielen immer wieder Neuerungen bezüglich der Teilnehmeranzahl und Reihenfolge der Bewerbe hinzu. Grund genug, einen Blick auf die Vorschriften für Olympia 2024 zu werfen – zumal in Paris ja in allen drei Disziplinen österreichische Reiter:innen an den Start gehen werden.

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Die Aufteilung der Gesamtstarterzahlen und antretenden Teams nach Disziplin  © FEI | Pferderevue

200

Die 200 Quotenplätze für den Reitsport teilen sich zunächst wie folgt auf: 75 im Springreiten, 65 in der Vielseitigkeit und 60 in der Dressur. Insgesamt haben sich Aktive aus 47 verschiedenen Nationen für die sechs Medaillenentscheidungen in Versailles qualifiziert. Die Nationalteams in den einzelnen Disziplinen bestehen seit Tokio 2021 einheitlich jeweils nur noch aus drei Reiter:innen. Mit dieser gravierenden Änderung wollte das IOC „more flags“, mehr unterschiedliche Nationen an den Start bringen. Besonders die „großen“ Nationen sprachen sich damals gegen diese Neuerung aus, da sie Startplätze verloren, konnten sich aber bis heute mit ihrer Meinung nicht durchsetzen. Direkt als Team qualifizierten sich für Paris bei den Springreitern 20, in der Vielseitigkeit 16 und in der Dressur 15 Nationen. Die übrigen Quotenplätze werden jeweils mit den besten Einzelreiter:innen aufgefüllt. Fix startberechtigt ist in allen drei Sparten Gastgeber Frankreich.

Vielseitigkeit zum Auftakt

Die Bewerbe werden am Samstag, 27. Juli, mit der Dressur der Vielseitigkeit eröffnet. Am nächsten Tag geht es mit dem Cross-Country im Schlosspark von Versailles weiter, und am 29. Juli werden im Sprungparcours die Medaillen im Teambewerb vergeben. Die besten 25 Paare kämpfen unmittelbar darauf in einer zweiten Runde um die Einzelmedaillen. Damit unterscheidet sich die Vielseitigkeit von den beiden anderen Disziplinen, da keine strikte Trennung zwischen Team- und Einzelbewerb vorgenommen wird. Eine weitere Besonderheit betrifft das Ausscheiden einer Paarung, die bei Olympia mit 100 bzw. 200 (Cross-Country) Punkten (und nicht wie sonst üblich mit 1000) bestraft wird.

Komplizierte Kürqualifikation

Gab es in Tokio insgesamt noch drei wettkampffreie Tage, so steht in Paris jeden Tag eine Prüfung auf dem Programm. Daher geht es am 30. Juli mit dem Dressur-Grand-Prix, der sich über zwei Tage erstreckt, sofort weiter. Er dient als Qualifikation sowohl für das Team- als auch für das Einzelfinale. Von den 15 Teams des Grand Prix kämpfen dann die besten zehn im Grand Prix Spécial um die Entscheidung. Die Punkte aus dem Grand Prix werden nicht mitgenommen, sondern alle Nationen beginnen wieder bei null. Die Richtlinien für das Erreichen der Kür klingen kompliziert: Alle 60 Paare des Grand Prix werden aufgrund der Weltrangliste in sechs Zehnergruppen eingeteilt, die beiden Gruppenersten sind direkt in der Kür startberechtigt, dazu kommen weitere sechs Paarungen laut Ergebnisliste des Grand Prix. Auch im Einzelfinale beginnen alle 18 Starter:innen bei null. Im Gegensatz zu Tokio (als Victoria Max-Theurers Abegglen verletzungsbedingt ausfiel) wird Österreich nach Paris ein viertes Reservepaar mitnehmen, das zum Einsatz kommt, sollte ein Pferd/Reiter erkranken oder sich verletzen. Österreichs Ziele in der Dressur sind für Equipechefin Diana Wünschek klar definiert: „Das Erreichen des Finales im Teamwettbewerb. Und ich glaube, die Chancen sind nicht so schlecht.“

Springen: Teambewerb wieder zuerst

Die Springreiter haben am 1. und 2. August ihren Teambewerb. Damit reagierte das IOC auf die vehementen Proteste nach den Spielen in Tokio, als das Einzelspringen vor dem Nationenpreis angesetzt war, und kehrt nun wieder zur jahrzehntelangen Reihenfolge der Bewerbe zurück. Am ersten Tag kämpfen 20 Nationen um zehn Finalplätze, wobei es keine Streichresultate gibt. Am zweiten Tag beginnt der Nationenpreis wieder bei null, und es gibt nur einen Umlauf. Im Fall von Punktgleichheit rittern alle drei Reiter:innen im Stechen gegen die Zeit um Sieg und Platzierungen. Auch im Springreiten darf zwischen den beiden Teamentscheidungen verletzungsbedingt ein Ersatz durch das Reservepaar erfolgen.

Nach zwei Tagen Pause für die Springreiter:innen und ihre Pferde am Wochenende des 3./4. August (an denen die Dressurentscheidungen fallen) geht es in der Einzelentscheidung für alle 75 Paare wieder von vorne mit null Punkten los. Es gibt also bei den Olympischen Spielen im Gegensatz zu anderen Großevents kein Zeitspringen, was sich auch auf die Pferdewahl der Athlet:innen auswirken wird. Die besten 30 nach dem ersten Einzelspringen treten dann in einer weiteren Runde am 6. August zum Einzelfinale an. Dieses wird in einem Umlauf mit allfälligem Stechen um den Sieg und die Platzierungen entschieden.

Mehr Druck, mehr Spannung

Max Kühner analysierte das Besondere am Olympiaformat: „Das Nichtvorhandensein eines Streichergebnisses erhöht den Druck auf die Reiter, und es wird definitiv auch mehr Dramen geben. Andererseits sind die Zuschauer bei Olympia auch eine andere Zielgruppe, als wir sie sonst in unserem ‚Closed Circle‘ haben. Wenn diese miterleben, wie ein kleiner Fehler zu einer großen Konsequenz führt, macht das den Sport auch wieder spannender. Ich glaube, es ist deutlich härter für uns Reiter, aber ich kann verstehen, dass dadurch das Springreiten gerade auf so einem Event wie Olympia interessanter wird. Speziell im Einzel, wo man üblicherweise fünf oder sechs Runden in den Beinen hat. Bei Olympia wird hingegen die Einzelkonkurrenz faktisch wie in einem Großen Preis ausgetragen. Wenn man zweimal Null bleibt, ist man sozusagen im Medaillenkampf dabei. Das ist natürlich auch eine große Verantwortung für den Parcoursbauer!“