Überzeugt: Meredith Michaels-Beerbaum ist vom Schutz eines Sicherheitshelms überzeugt und macht auch Werbung dafür. © Pikeur
Eine Unfallstatistik, die das österreichische Institut „Sicher Leben“ veröffentlicht hat, gibt für Österreich für das Jahr 1998 zwei tödliche Reitunfälle an (Quelle: Statistik Österreich, Todesursachenstatistik 1998). Das Europäische Erhebungssystem für Sportunfälle (EHLASS), für das in vier österreichischen Spitälern 44.000 Interviews geführt wurden, kam weiters zu folgendem Ergebnis: Etwa 9.800 Mal jährlich endet in Österreich eine Reitstunde oder ein Ausritt mit einer Verletzung. 4.000 davon sind so schwer, dass sie im Spital ambulant oder stationär behandelt werden müssen. Jeder zweite Unfall beim Reiten, der vom Arzt versorgt werden muss, ist ein Sturz vom Pferd. Zehn Prozent der Verletzungen sind Kopfverletzungen, am häufigsten wird eine Quetschung bzw. Prellung des Gehirns festgestellt (ca. 50 %), doch auch ein Knochenbruch des Schädels (ca. 20 %) und Schädelquetschungen und - prellungen (ca. 10 %) sind mögliche Konsequenzen von Reitunfällen. (Quelle: Medieninfo des Institutes „Sicher Leben“)
Aber auch ohne diese bedrückenden Zahlen sollte jedem, der einen Pferdesport ausübt, klar sein, dass sein Hobby zu den Risikosportarten zählt. Richtiges und umsichtiges Verhalten im Umgang mit Pferden, aber auch eine Schutzausrüstung kann wesentlich dazu beitragen, das Verletzungsrisiko zu mindern und dauerhafte Folgeschäden im Falle eines Unfalls zu vermeiden. Die wichtigste Sicherheitseinrichtung, die jede/r ReiterIn – und auch FahrerInnen – benutzen sollte ist ein Reithelm, geprüft nach EN 1384.
Kopfverletzungen sind vermeidbar
Primar Dr. Peter Rankl, Vertrauensarzt des Niederösterreichischen Landesfachverbandes und selbst erfahrener Dressurreiter, weiß besser als viele um die Gefährlichkeit des Reitsports Bescheid. Denn sein medizinisches Hobby, die Sporttraumatologie, hat ihm so manchen Fall nahegebracht, der mit einem entsprechenden Schutz weniger dramatisch ausgegangen wäre. „Die häufigsten Verletzungen im Kopf- und Gesichtsbereich sind – Gott sei Dank – sicherlich leichterer Natur, wie z. B. Abschürfungen. Aber auch die sogenannten Skalpierungsverletzungen – wenn sich der Reiter, häufiger die Reiterin, mit den Haaren im Geäst verhängt – verlaufen relativ dramatisch. Vor solchen Verletzungen schützt ein Reithelm zu 100 Prozent.“
Aber nicht nur einen Ausritt ins Gelände oder einen Ritt über einen Springparcours sollte man nicht „oben ohne“ unternehmen. Auch beim vermeintlich sicheren Ritt in der Halle ist es schon zu schwerwiegenden Verletzungen gekommen – die mit einem Helm vermeidbar gewesen wären.
Bei schweren Unfällen – wenn der eisenbeschlagene Pferdehuf auf den Reiterkopf trifft oder der Kopf auf einem harten Gegenstand aufprallt – kann der Helm zwar nicht immer einen absoluten Schutz gewähren, er kann aber die Gewalteinwirkung erheblich mindern und so Todesfolgen oder Dauerschäden verhindern. „Schwere, direkte Traumen können auch durch einen noch so guten Helm nicht voll abgewehrt werden, aber ein bedingter Schutz ist allemal besser als gar keiner – und bedeutet oft den Unterschied zwischen Tod oder Leben.“ (Dr. Rankl)
Rund 20 % aller Unfälle im Zusammenhang mit Pferden passieren allerdings nicht beim Reiten, sondern beim Hantieren mit Pferden oder in deren unmittelbarer Umgebung. Vor allem Kinder sind aufgrund ihrer Größe besonders gefährdet, Kopfverletzungen zu erleiden. Eine australische Studie (Horse Related Injuries, Juni 1995) hat ermittelt, daß Kindern unter 15 Jahren häufiger schwer am Kopf verletzt werden als Erwachsene (31 % vs. 22 %). Manche Experten finden es daher durchaus angebracht, Kindern, die mit Pferden hantieren, einen Helm zu verpassen – auch wenn sie gerade nicht reiten. „Die Masse der Kopfverletzungen, auch der tödlichen Kopfverletzungen, passiert nicht beim Reiten, sondern Kindern in der Stallgasse. Der Reitanlagenbetreiber oder wer auch immer die Verantwortung trägt, müßte darauf hinweisen: Beim Putzen ist der Helm aufzusetzen. Da passieren Unfälle, die vermeidbar wären.“ (Suitbert Dohmen, Helm-Experte, Repräsentanz der LAS-Helme in Deutschland)
Was muss ein geprüfter Reithelm können?
Seit 30. August 1996 gibt es die Europäische Norm 1384, die „Anforderungen an Schutzhelme mit oder ohne Schirm für Reiter bei Reitsportaktivitäten“ festlegt. Neben den Kriterien, die ein geprüfter Reithelm erfüllen muss, sind in dieser Norm auch die Prüfverfahren genauestens beschrieben. „Mit den Prüfverfahren hat sich auch die Bauweise der Helme verändert. Früher wurde z. B. die Stoßdämpfung statisch geprüft, heute dynamisch: Der Helm fällt auf einem Prüfkopf aus einer Höhe von 1,50 im geführten Fall auf einen Sockel. Dabei wird durch elektronische Messgeräte im Inneren des Prüfkopfes die Geschwindigkeit und die Kraft beim Auftreffen gemessen. Daraus resultiert das Endergebnis, das nicht größer als 250 g (250fache Erdbeschleunigung, 1 g = ca. 9,81 m/s2) sein darf.“ (Manfred Busen, Inhaber der Fa. Penta Sport und Mitglied im deutschen und europäischen Normenausschuss)
Konstruktiv hat sich dadurch im wesentlichen eines geändert: Will man Kraft verzehren, braucht man Masse, d. h. „die Helme werden entweder dicker, volumiger, hässlicher. Oder aber man investiert in neue Technologien und Werkstoffe und erreicht dadurch auch bei geringerem Volumen bessere Dämpfungswerte.“ (Manfred Busen) So erklären sich auch die merklichen Preisunterschiede für Helme, die auf den ersten Blick nicht so unterschiedlich aussehen. Hochwertiges Material, wie z. B. Polycarbonat als Außenmaterial, hat eben seinen Preis. Auch darf man nicht glauben, der dickere, schwerere Helm biete mehr Schutz als der leichtere Kollege aus der High-Tech-Abteilung. „Der Werkstoff zur Dämpfung der Aufprallenergie – in unserem Fall EPS plus (expandiertes Polystyrol) – ist so konstruiert, dass er beim Aufprall in sich kleine Risse bildet und so die Energie aufnimmt und nicht auf den Kopf weiterleitet. Beim Sturz tritt der gleiche Effekt ein, wie bei einem gekochten Ei: Wenn Sie es auf den Boden aufschlagen, bekommt es viele kleine Risse, das Innere bleibt geschützt. Wenn Sie dagegen einen Stahlbehälter aufschlagen, bleibt er ganz – die Energie geht ungedämpft nach innen durch.“ (Manfred Krauter, Geschäftsführer von Casco, Mitglied des deutschen Normenausschusses)
Neben der Stoßdämpfung werden aber noch andere wesentliche Kriterien nach EN 1384 geprüft: Die Durchdringungsfestigkeit, die Festigkeit der Trageeinrichtung und deren Wirksamkeit und die Durchbiegung des Schirms.
Was wird wie geprüft?
Kinder sind sehr anfällig für Kopfverletzungen und brauchen effizienten Schutz. Modell: Nori von Casco
Die Durchdringungsfestigkeit wird mittels eines spitzen Schlagkörpers (3 kg schwer) festgestellt, der aus einem halben Meter Höhe auf den Helm fallengelassen wird. Dabei darf die Spitze des Fallkörpers auf dem Prüfblock, auf dem sich der Helm befindet, keine sichtbaren Eindrückung hinterlassen.
Zur Ermittlung der Festigkeit der Trageeinrichtung, sprich des Befestigungsriemens, wird der Prüfkopf mit einem Gewicht von zehn kg ruckartig nach unten gezogen. Der Helm ist an seinem Scheitelpunkt aufgehängt. Unter dieser Belastung darf sich der Riemen höchstens um 35 mm dehnen, die bleibende Dehnung darf höchstens 25 mm betragen.
Bei der Prüfung der Wirksamkeit der Trageeinrichtung wird untersucht, wie sich der am Prüfkopf befestigte Helm bei Zug nach vorne verhält, wobei seine Drehung gemessen wird. Der Helm muss, um den Test zu bestehen, am Prüfkopf bleiben. Um wieviel Grad sich der Helm allerdings verdrehen darf, steht nicht in der Norm. Dass es da zum Teil gravierende Unterschiede gibt, hat die deutsche Fachzeitschrift Cavallo in einem in ihrem Auftrag durchgeführten Helmtest aufgezeigt: Die Bandbreite der Verschiebung lag zwischen 16 ° und 48 °, wobei bei diesem letzten Wert der Helm schon eher am Kinn als am Kopf sitzt. (Cavallo 4/2000, Seite 40 ff)
Interessanterweise ist nirgendwo festgehalten, dass die Trageeinrichtung eine Dreipunkt- Beriemung sein muss. De facto hält diese Art der Befestigung den Helm am sichersten am Kopf. Genauso sicher sind allerdings auch Vierpunkt-Beriemungen. Nach wie vor allerdings ist „Dreipunkthelm“ ein Synonym für Sicherheitshelm und für viele das einzige Kriterium, an dem sie einen solchen zu erkennen glauben. Ein Sicherheitshelm ist aber einzig und allein einer, der nach EN 1384 überprüft wurde und den genannten Kriterien entspricht – und daher auch die entsprechende Kennzeichnung trägt.
Ebenfalls einer Prüfung unterzogen wird die Durchbiegung des Schirms. Ist der Reithelm mit einem Schirm ausgestattet, muss dieser nämlich flexibel sein, um im Fall eines Sturzes nicht durch ein erhöhtes Rotationsmoment die Halswirbelsäule zusätzlich zu belasten. Im Test muß die Durchbiegung des Schirmes seitlich des Mittelpunktes innerhalb von zwei Minuten größer als 6 mm sein, wenn der Schirm an der Vorderkante mit zwei Kilo nach unten gezogen wird.
Gerade dieser Punkt dürfte aber entweder nicht so genau überprüft werden oder nicht ausschlaggebend für Erteilung oder Nichterteilung des Prüfungszertifikates sein: Nach wie vor gibt es nämlich zertifizierte Reithelme am Markt – auch von namhaften Herstellern – deren Schirme nicht flexibel sind. Am besten prüfen Sie daher selbst, ob Ihr Helm diesem Sicherheitskriterium entspricht.
Ebenfalls ganz wichtig und ausschlaggebend für die Zertifizierung als Sicherheitshelm: Der Kinnriemen darf keine Kinnschale haben. Diese irrtümlich als „Kinnschutz“ bezeichnete Zutat wurde jahrelang als besonders wichtig herausgestellt, obwohl sie niemals in der DIN festgeschrieben war. Tatsächlich hat sich bald herausgestellt, dass die Kinnschale Ursache für schwere Verletzungen (durchtrennte Unterlippen, ausgerenkte Kiefergelenke, zerstörte Nasenwurzeln und Adamsäpfel) ist. Im Militarysport wurde der Start mit Kinnschale daher bald verboten – am Springhelm hielt sie sich länger und wird heute noch bei einigen Modellen angeboten. Ein nach EN 1384 zertifizierter Helm darf keine Kinnschale haben.
Normhelm ist nicht gleich Normhelm
Bereits durch das Vorangegangene wird deutlich, dass man auch die Helme, die das Etikett mit der Prüfnorm tragen, nicht alle über einen Kamm scheren kann. Die Norm gibt sozusagen nur ein unteres Limit vor, das unbedingt zu erfüllen ist. Es gibt Produkte, die die Norm gerade noch erfüllen und andere, deren Testwerte weit besser als die geforderten Maximalbelastungswerte sind. Der Cavallo- Test hat z. B. bei der Stoßdämpfung Werte zwischen 80 und 400 g ergeben (zulässig sind max. 250 g). Für eine effektive Konsumenteninformation wären daher unabhängige Tests bzw. genaue Analysen von Reitunfällen unbedingt notwendig. Bislang gibt es nicht einmal genaue Zahlen, geschweige denn eingehende Untersuchungen. Hier wären die Reitverbände, aber auch die ReiterInnen selbst aufgefordert, im eigenen Interesse solche Untersuchungen zu verlangen.
Bezüglich Material, Bauweise, Sicherheit und Komfort unterscheiden sich auch genormte Sicherheitshelme zum Teil erheblich – und nicht immer ist der teuerste auch der beste. Wie aber findet man den richtigen Helm für sich?
Passform & Tragekomfort
Wichtig ist vor allem, dass der Helm passt. Und ob er passt, hängt im Wesentlichen nicht nur von der Kopfgröße, sondern vor allem auch von der Kopfform ab. Nur ein Helm der passt, kann optimalen Schutz gewähren. Außerdem wird man ihn eher tragen, wenn er nicht drückt oder rutscht. Deshalb ist es wichtig, den Helm vor dem Kauf unbedingt anzuprobieren, unterschiedliche Modelle aufzusetzen – und sich nicht von vorneherein auf ein bestimmtes Produkt festzulegen.
Wesentlich zum Komfort des Helms – und damit zur Wahrscheinlichkeit, dass er nicht im Spind verstaubt – trägt auch sein Gewicht, seine Belüftung und nicht zuletzt seine Innengestaltung bei. Das Gewicht, in der Regel zwischen 300 und 600 g, sollte möglichst niedrig sein, um die Wirbelsäule beim Reiten möglichst wenig zu belasten.
Zur Belüftung sagt die Norm zwar nichts, es ist jedoch klar, dass eine gute Belüftung den Komfort erhöht und das Tragen eines Helms – vor allem an heißen Sommertagen – angenehmer macht. Auch hier gibt es unterschiedliche Systeme, die mehr oder weniger effizient sind. Lange Lüftungsschlitze wie beim „Arcus“ von Casco oder beim Waldhausen „Swing“ lassen sicher mehr Hitze entweichen und vor allem auch kühlende Luft nachströmen, als ein kleiner Lüftungsknubbel am Scheitel.
Seit Juli 1998 ist in der Norm auch folgender Passus enthalten: „Der Helm muß mit einem schweißaufnehmenden Werkstoff ausgestattet sein.“ Eine Ausstattung mit Coolmax® oder vergleichbaren Produkten ist also kein Luxus, sondern schlichte Normerfüllung. Auch darauf sollten Sie bei einem Kauf achten.
Jeder Helm muss von einer detaillierten Gebrauchsanweisung und Pflegeanleitung begleitet sein. Falsche Pflege kann nicht nur die Lebensdauer stark beeinträchtigen sondern den Helm auf der Stelle seiner schützenden Eigenschaften berauben. „Bei sachgemäßer Verwendung und richtiger Pflege behält der Helm drei bis fünf Jahre seine volle Schutzfunktion. Das hängt davon ab, welche Werkstoffe verwendet wurden, ob der Helm mit nitrohaltigen Lacken beschichtet wurde oder ob nitrohaltige Kleber verwendet wurden – dann ist die Schutzfähigkeit auf Dauer gesehen nicht so gut. Der Helm sollte, wenn er nicht getragen wird, nicht der Sonne ausgesetzt werden. UV-Strahlen sind für alle Kunststoffe – und zwar ohne Ausnahme – schädlich.“ (Manfred Krauter, Casco)
Einen Helm, der einen Schlag abbekommen hat, sollte man austauschen oder zumindest vom Hersteller überprüfen lassen. Die Norm ist da ganz rigoros: „… jeder Helm, der einem kräftigen Schlag ausgesetzt war, sollte ausgetauscht werden, auch wenn kein Schaden sichtbar ist.“ (EN 1384)
Helmmuffel & Glücksritter
Innovative Designs machen aus Reithelmen ein chiques modisches Accessoire und damit interessanter für Helmmuffel. Modell: Dakota Traildust von Troxel © Troxel
Der beste Reithelm nutzt allerdings nichts, wenn man ihn nicht trägt. 90 % der ReiterInnen – so die oben zitierte australische Studie – wüssten, dass ein geprüfter Sicherheitshelm sie vor schweren Verletzungen bewahren kann und zur korrekten Reitausrüstung gehört – aber nur 57 % tragen tatsächlich einen Helm beim Reiten. In Österreich ist es um das Sicherheitsbewusstsein der ReiterInnen womöglich noch schlechter bestellt: Nur geschätzte 10–15 % der ReiterInnen tragen konsequent einen Sicherheitshelm. Bleiben bei rund 200.000 ReiterInnen (Statistik Österreich: Mikrozensus 1997) rund 180.000 ungeschützte Köpfe. Zu viele, meint auch Dr. Rupert Kisser, Institutsleiter von „Sicher Leben“ und selbst begeisterter Reiter. „Das Tragen eines Reithelms wird nach wie vor von zu wenigen Reitställen verlangt, obwohl es Reiter wie Reitstallbesitzer schützt: Den Reiter vor Kopfverletzungen, den Reitstallbesitzer vor Schadenersatzforderungen verletzter Kunden“
Als Grund für das Reiten „oben ohne“ wird häufig angegeben, dass Reithelme unbequem (schwer und heiß) wären, dass sie unschön aussehen und die Frisur ruinieren, dass es beim Dressurreiten (Reiten in der Halle, Freizeitreiten, Ausreiten, auf diesem braven Pferd …) doch nicht notwendig oder schlicht ein Stilbruch und ein Verstoß gegen die Tradition wäre. Gründe, keinen Helm aufzusetzen, gibt es anscheinend viele. Keiner ist so gut, wie der eine, ihn auf jeden Fall zu benutzen: Sie haben nur einen Kopf.
Haftung & Versicherung
Auch kann es im Falle eines Unfalls zu Abzügen bei der Versicherungsleistung kommen, wenn ein Mitverschulden festgestellt wird. „Bei einer Kopfverletzung, die verhindert hätte werden können, wenn der Reiter einen Helm aufgehabt hätte, wird nach richterlichem Ermessen die Mitverschuldensquote angerechnet. Das geht im Endeffekt bis zu 100 %.“ (Dr. Peter Lechner, Rechtsanwalt und Präsident des Tiroler Landesfachverbandes)
Besonders Ausbildner sind dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass ihre Schüler sich entsprechend schützen. „Als Sachverständiger ist der Ausbildner verpflichtet, dem Schüler die Gefahr, die dieser selbst noch nicht einschätzen kann, aufzuzeigen. Das heißt auch, dass er – wenn er nicht darauf besteht, dass Minderjährige einen Helm aufsetzen oder wenn er Erwachsene nicht darauf hinweist, dass das Helmtragen einen wesentlich erhöhten Unfallschutz bedeutet – im Schadensfall in Anspruch genommen werden kann. In den meisten Fällen ist das in der Praxis auch so.“ (Dr. Peter Lechner)
Einem Erwachsenen kann man allerdings schwer vorschreiben, sein Hirn zu schützen, wenn er es nicht selbst für schützenswert hält. Dr. Peter Lechner rät, sich in solchen Fällen vor Haftungsansprüchen abszusichern. „Wichtig ist, dass man nachweisen kann, dass auf die Gefahr und auf die Notwendigkeit, einen Helm zu tragen, hingewiesen wurde. Ich rate daher, ein Merkblatt anzulegen und sich das unterschreiben zu lassen.“ Anders ist der Fall bei jugendlichen ReiterInnen gelagert. Hier muss der verantwortliche Anlagenbetreiber oder der Reitlehrer auf jedem Fall darauf bestehen, dass beim Reiten ein Sicherheitsreithelm getragen wird.
Wann’s ein Normhelm sein muss
Es gibt Gelegenheiten, wo selbst der größte Helmmuffel nicht darum herumkommt, seinen Kopf effizient zu schützen: Laut ÖTO ist seit dem 1. Jänner 1999 das Tragen eines Sicherheitsreithelms nach DIN EN 1384 bei allen Spring- und Vielseitigkeitsturnieren (im Springparcours) vorgeschrieben, alternativ kann auch ein Military-Sturzhelm getragen werden.
Bei Dressurprüfungen ist laut ÖTO in Dressurprüfungen der Klassen A und L der „Einfache Anzug“ (schwarze oder dunkle Reitkappe), „Dressuranzug“ (schwarze oder dunkle Reitkappe, schwarze Melone oder schwarzer Zylinder) oder „Uniform“ zu tragen. In Dressurprüfungender Klassen LM, M und S sowie in Musikküren ist der „Dressuranzug“, „Frack“ oder „Uniform“ erlaubt. Theoretisch wäre es also möglich, Dressurprüfungen – sofern man nicht im Frack reitet – mit einem Sicherheitsreithelm zu absolvieren. Tun wird das wohl – leider – kaum jemand.
Paradoxerweise ist bei internationalen Springturnieren, die nach FEI-Reglement ausgetragen werden, kein Sicherheitsreithelm vorgeschrieben. Lebhaft erinnern wir uns an den schlimmen Sturz von John Whitaker beim Fest der Pferde 1998, bei dem seine Reitkappe eine ebenso elegante Flugkurve wie John beschrieb – allerdings nicht auf seinem Kopf. Glücklicherweise ist nichts Ernstes passiert.
Max Amann, Pressereferent der FEI, dazu befragt: „Die FEI hat wahrscheinlich deshalb nie einen Sicherheitsreithelm vorgeschrieben, da der Pferdesport aus der Kavallerie herstammt – und die FEI nie glaubte, Offizieren vorschreiben zu können, was sie aufsetzen sollen. Die FEI wurde bisher auch nie dazu aufgefordert, diesbezüglich etwas zu ändern.“
Immer häufiger jedoch sieht man auch ohne Zwang auf den Köpfen der internationalen Spitzenreiter Sicherheitsreithelme. Mag dieses Phänomen auch in erster Linie von den PR-Abteilungen der diversen Hersteller initiiert worden sein, so lässt es doch hoffen, dass es breite Nachahmung findet und der Sicherheitsreithelm beim Reiten schon bald so selbstverständlich ist wie Sattel und Zaumzeug. Zum Überleben sollte man eigentlich niemanden zwingen müssen.
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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1/2001 erschienen. Alle Artikel aus 20 Jahren Pferderevue können Pferderevue-Abonnenten in unserem Archiv kostenlos nachlesen.