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Second Hand: Wie gut sind gebrauchte Sättel wirklich?

Ein Artikel von Claudia Götz | 21.01.2021 - 11:47
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Der Gebrauchtsattelmarkt floriert – und wenn man weiß, worauf zu  achten ist, kann man für wenig Geld viel Sattel bekommen. © Andreas Schnitzlhuber www.scan-pictures.net

Was haben Autos und Sättel gemeinsam? Beide verlieren rapide an Wert, sobald sie den Händler verlassen haben – bei gebrauchten Sätteln ist der Wertverlust vielleicht sogar noch höher als beim fahrbaren Untersatz. Ob man sich allerdings für einen neuen oder einen gebrauchten Sattel entscheidet, hängt nicht allein vom Geldbeutel ab.

Für einen Gebrauchtsattel spricht nach Ansicht von Manfred Haberler nämlich nicht nur der günstigere Preis. In Sachen Sattlerhandwerk hat der gelernte Pferdewirtschaftsmeister und Reitinstruktor seinen Schwerpunkt inzwischen bei Gebrauchtsätteln. „Das hat sich entwickelt, weil ich schon immer gerne repariert und einen besonderen Wert auf die Anpassung gelegt habe“, sagt der Fachmann aus Tulbing, der seinen Wirkungskreis vor allem im 100-Kilometer-Umkreis von Wien hat. Der größte Vorteil des Gebrauchtsattels liegt für ihn darin, „dass man ihn nach einiger Zeit – etwa weil er für ein noch im Wachstum oder im Aufbau befindliches Pferd gekauft wurde – ohne große Verluste weiterverkaufen kann.“ Doch auch wer seinen neuen Gebrauchten länger zu nutzen gedenkt, profitiert von dessen vorheriger Verwendung: „Im Idealfall ist ein gebrauchter Sattel bereits gut eingesessen. Die meisten Neusättel sind nämlich anfangs nicht sehr bequem zu sitzen.“

Für Sattlerin Theresa Stern liegt der größte Vorteil eines Gebrauchtsattels nicht nur darin, dass er günstiger ist als ein neuer, sondern auch, „dass er die Möglichkeit bietet, gezielt nach seinem Traumsattel zu suchen: etwa dem gleichen Modell, das die Stallkameradin hat, der auf dem Pferd so gut lag und in dem man selbst so gut saß.“ Sie hat sich mit ihrer Firma Second Horse seit 2015 auf Sättel spezialisiert und bietet inzwischen rund um gebrauchte Sättel nicht nur einen umfangreichen Service, sondern hat auch stets mehrere hundert Gebrauchtsättel auf Lager. Der größte Nachteil von Gebrauchtsätteln ist für Stern, „dass man nicht weiß, wie mit ihnen umgegangen wurde. Schäden am Baum kommen häufiger vor als man vermutet.“
 

Wer billig kauft, kauft teuer?

Wer sich im günstigsten Segment des Gebrauchtsattelmarktes umsieht – wo ältere Sättel bereits ab 100 Euro angeboten werden –, macht laut Haberler dennoch grundsätzlich nichts verkehrt: „Nur ist es bei diesen Sätteln eben noch wichtiger, sie wirklich gründlich und fachgerecht überarbeiten zu lassen, da sie viel länger gelitten haben könnten.“ Risse im Leder sind noch kein Kaufhindernis, solange das Leder nicht gebrochen ist. Allerdings muss man damit rechnen, dass der Sattler der Wahl einem sagt, dass es sich nicht mehr rechnet, diesen Sattel zu reparieren. In diesem Fall sollte man sich erklären lassen, warum. Denn es kann sein, dass einem dieser spezielle Sattel die Reparatur dennoch wert ist, auch wenn es dem Profi wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint. Haberlers Ansicht nach sollte man sich zudem klarmachen, dass der finanzielle Vorteil allein oft gar nicht so relevant ist: „Hat man einen guten Gebrauchten, der neu um die 3000 Euro oder mehr kostete, für 1200 Euro erworben, ist man mit Änderungsarbeiten wie Neufüllung der Kissen schnell bei etwa 1600 Euro. Dann steht natürlich die Überlegung, einen günstigeren Neusattel zu kaufen, im Raum.“

Der Griff zum Gebrauchten kann aber, so Haberler, in so einem Fall dennoch die bessere Wahl sein, auch wenn man vordergründig nicht viel einspart: „Ein gut erhaltener Gebrauchtsattel einer renommierten Marke ist zwar vielleicht nicht wesentlich preiswerter, aber besser als ein neuer No-Name- Sattel, der etwa genau so viel kostet. Denn von ersterem hat man deutlich länger was.“ Deshalb ist er auch Fan von alten Qualitätssätteln: „Ich hatte neulich einen Stübben von 1976 in der Aufarbeitung. An dem kann man jetzt noch einmal 30 Jahre Freude haben“, lacht er.

Stern kommt in Sachen Preis-Leistungs- Verhältnis häufig zu folgendem Schluss: „Die Erwartungshaltung, man könne sich, weil das Pferd für einen Tausender vom Schlachter gerettet wurde, mit einem Sattel für 100 Euro begnügen, ist grundlegend falsch. In der Regel muss in dieser Preisklasse immer optimiert und repariert werden, sodass man schnell bei 500 Euro und mehr ist.“  

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Beim Gebrauchtsattel sollte man ganz genau hinsehen. Hier hat sich unter dem Leder ein gebrochener Sattelbaum verborgen.
© Andreas Schnitzlhuber www.scan-pictures.net

Grenzen der Anpassungsfähigkeit

Bei der Frage, ob es möglich ist, einen Sattel für ein bestimmtes Pferd passend zu machen, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. „Damit der Sattel wirklich perfekt passend wird und um sein Innenleben auf Herz und Nieren prüfen zu können“, empfiehlt Haberler, „die Kissen nicht nur aufs jeweilige Pferd nachpolstern zu lassen, sondern sie komplett neu zu füllen. Das hat den großen Vorteil, dass man auch mögliche Schäden am Baum erkennt und ob oder wie sehr der Sattel bereits in der Kammer verändert wurde. Natürlich kann man den Baum auch mit den Händen auf etwaige Bruchstellen abdrücken, ohne die Kissen abzunehmen. Aber Risse und Fehlbearbeitungen wird man nur sehen, wenn man die Kissen abnimmt und den Baum direkt begutachten kann.“

Für ihn hat das komplette Neupolstern der Kissen zudem den Vorteil, dass keine unterschiedlichen Materialien ins Kissen gelangen: „Durch das Mischen von verschiedenen Materialien ergeben sich Probleme, da Wolle und Kunststoffe jeweils ganz anders auf Druck und Feuchtigkeit reagieren. Ein homogenes Kissen, wie man es haben möchte, ist so schwer zu erzielen.“

Ob die Anpassung eines Gebrauchtsattels gelingt, hängt auch davon ab, wie gut die Ausgangsbasis ist, sagt Stern: „Im besten Fall zeigt mir der Kunde einen Sattel, und ich stelle fest: er passt. Im schlechtesten Fall habe ich einen 1,80 ­Meter großen, 90 Kilo schweren Reiter mit einem Sattel, der maximal auf ein Pony und zu einer zierlichen Reiterin mit Hosengröße 36 passen würde. Da muss man dann leider Hoffnungen zerstören, denn das bekommt man nicht passend gemacht – für den Reiter nicht und damit auch nicht für das Pferd.“

Haberler hat die Erfahrung gemacht, dass man sich beim Erwerb von Gebrauchtsätteln jedenfalls von einem Profi beraten lassen sollte, sonst besteht die Gefahr eines Fehlgriffs – oder dass man ein gutes Stück voreilig verwirft. „Legt man einen Sattel, der gut, aber nicht hundertprozentig passt, aufs Pferd, geht es zumeist erst einmal gut. Nach einigen Tagen läuft das Pferd dann aber oft deutlich schlechter – und man verwirft einen Sattel, der mit einfachen Mitteln passend gemacht hätte werden können.“ Manfred Haberler empfiehlt deshalb, in der Phase, in der man einen neuen Gebrauchten ausprobiert, durch passende Unterlagen das notwendige Polstern zu simulieren. „Wenn sich der Sattel dann nach ein paar Tagen Ausprobieren immer noch für beide gut anfühlt, kann man eine Anpassung vornehmen.“ Für Haberler ist es zudem wichtig und ein Qualitätsmerkmal, „Feinjustierungen und Endkontrollen immer direkt am Pferd vorzunehmen“.

Für Theresa Stern ist es entscheidend, kein Sattelmodell zu kaufen, das man noch nie Probe geritten ist. „Viele kaufen online einen Sattel, der ihnen optisch gefällt, ohne den Hersteller näher zu kennen oder das Modell jemals in der Hand gehabt zu haben. Das kann nur schiefgehen.“ Zudem rät sie, Anzeigentexte immer kritisch zu hinterfragen: „Nur weil in einem Verkaufstext steht, dass ein Sattel unbegrenzt anpassbar ist, muss das nicht auch so sein.“ Eine Nachfrage beim Hersteller oder dem eigenen Sattler kann vor Fehlkäufen schützen.

Tipps für die Suche

Manfred Haberler empfiehlt, wenn möglich folgende Punkte abzuklären:

Sind die Bügelschlösser in Ordnung?
Ausgerissene Bügelschlösser weisen oft darauf hin, dass auch der Baum Schaden genommen hat. „Das passiert häufig, wenn das Pferd mit dem Bügel an einer Engstelle hängenbleibt – etwa, wenn es in der Box gesattelt wird.“

Wurde der Sattelbaum bereits verändert?
„Das lässt sich im Zweifelsfall auch erfahren, wenn man über einen Sattelpass oder eine Seriennummer beim Hersteller nachforscht, mit welcher Kammerweite der Sattel ursprünglich verkauft wurde. Falls er verändert wurde: Lässt sich nachvollziehen, ob das korrekt gemacht wurde? Auch das Baujahr bekommt man über Seriennummer oder Pass heraus.“

In welchem Zustand (optisch und haptisch) sind Leder und Sattelkissen?
„Sind die Sattelkissen steinhart oder gar buckelig gefüllt? Ist das Leder irgendwo ausgerissen oder rissig? Handelt es sich um Schönheitsfehler oder können die Risse auf Dauer stören – etwa in der Mitte der Sitzfläche? Wie ist der Zustand der Gurtstrupfen?“

Warum wird der Sattel abgegeben?
„Wenn gesagt wird, er passe dem eigenen Pferd nicht mehr, und gleichzeitig mit der Veränderbarkeit des Baums geworben wird, stimmt eventuell etwas nicht.“

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Wichtige Frage: Ist das Leder irgendwo ausgerissen? © Andreas Schnitzlhuber www.scan-pictures.net

Die rechtliche Seite

Verkaufsinserate nehmen es des Öfteren nicht so genau mit der Wahrheit, weiß Theresa Stern, „meist nicht einmal mit böser Absicht, sondern aus Unwissenheit der Verkäufer“. Da die rechtliche Situation bei Privatverkäufen schwierig ist, empfiehlt sie, immer nur über Pay-Pal zu kaufen. Es besteht nicht nur die Möglichkeit, dass der Sattel nicht der Beschreibung entspricht, es tummeln sich auch eine Menge Betrüger im Netz, so ihre Erfahrung. „Mir selbst sind schon häufig Bilder von Sätteln aus dem Netz gestohlen worden. Diese Sättel kommen dann natürlich nie beim neuen Besitzer an.“

Bei ehrlichen und umsichtigen Verkäufern aber kann man als Gebrauchtsattelkäufer sogar noch von der Garantie profitieren, die Hersteller auf die Bäume geben. „Das sind zwischen 10 und 30 Jahre“, weiß Manfred Haberler. Die Garantie umfasst aber natürlich keine unsachgemäße Behandlung wie etwa Stürze oder wenn unprofessionell am Sattel manipuliert wurde. „Garantietechnisch ist man auf der sicheren Seite, wenn man den Sattel von einem Vertragspartner der betreffenden Sattelmarke im Rahmen dessen, was der Hersteller offeriert, verändern lässt.“

Haberler hat zwar erlebt, dass sich Sattelfirmen oft erstaunlich kulant zeigen, wenn es um einen Gewährleistungsschaden am Baum geht, „aber man sollte sich nicht darauf verlassen, wenn nachweisbar Dinge passiert sind, die normalerweise einen Verlust der Garantie bedeuten – etwa wenn man Sattelbäume, die nur thermisch verändert werden können, kalt biegt.“


Den Reiter nicht vergessen

Beide Profis sind der festen Überzeugung: Die Ansicht, der Sattel müsse dem Pferd optimal passen, der Reiter gewöhne sich schon daran, ist grundfalsch. Denn ein Reiter, dem der Sattel nicht passt, verkrampft sich. „Wer nicht entspannt mitschwingen kann, schadet dem Pferd massiv – egal, wie gut der Sattel dem Pferd passt“, so Haberler. Er empfiehlt daher, „beim Ausprobieren eines Sattels mindestens 20 Minuten zu reiten und genau hinzuspüren, ob man sich darin wohlfühlt“.

Den Sitz im Sattel sollte der Reiter aber auch von außen prüfen lassen: „Das Gesäß des Reiters sollte so im Sattel Platz finden, dass zwischen Po und dem hinteren Rand der Sitzfläche, dem Efter, noch drei bis vier Fingerbreit Platz ist. Ist das nicht der Fall, wird der Schwerpunkt des Reiters zu weit hinten platziert.“ Und das schadet dem Pferd in der Regel mehr als ein Sattel, der gegebenenfalls etwas länger ist. „Ein längerer Sattel – natürlich nur so lang, dass es anatomisch fürs Pferd passt – kommt zudem viel ruhiger zu liegen als ein extrem kurzer Sattel. Entscheidend ist immer, wie das Pferd damit läuft.“

Theresa Stern ist es vor allem wichtig, dass der Sattel nicht dazu missbraucht wird, eine Pferd-Mensch-Kombinationen passend zu bekommen, die nicht passend ist: „Ein 1,80 Meter großer 90-Kilo-Reiter sollte nicht auf einem zierlichen, kurzen Isländer mit 1,40 Meter Stockmaß sitzen. Dafür gibt es auch keinen Sattel, der wirklich passt.“ Weil sie die Erfahrung gemacht hat, dass es vielen Reitern schwerfällt, sich nach allem, was sie im Laufe ihrer reiterlichen Laufbahn an widersprüchlichem Wissen über Sättel aufgeschnappt haben, überzeugen zu lassen, hat sie sich vor einiger Zeit eine Satteldruckmessplatte zugelegt. „Ich habe mich zuerst geweigert, so ein Hilfsmittel zu verwenden, denn ich weiß ja, was ich fühle und wann es passt. Aber die Messung hilft, dass die Pferdebesitzer mein Gefühl jetzt nachvollziehen können. Und das Vertrauen, das dadurch geschaffen wird, ist die Investition wert.“