Im Frühjahr und Herbst, wenn die Temperaturen beträchtlich schwanken und das Gras grün und saftig ist, ist die Gefahr an Hufrehe zu erkranken besonders groß. Während man früher noch den hohen Eiweißgehalt als Hauptauslöser für die schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut in Verdacht hatte, sind es heute vor allem die sogenannten „nicht-strukturbildenden Kohlenhydrate“ wie Glukose, Fruktose und Saccharose, die als problematisch angesehen werden. Diese Stoffe sind für die Pflanze von zentraler Bedeutung, denn sie dienen als rasch verfügbare Energiequelle und bieten Schutz gegen Dürre, Trockenheit und Frost.
Weniger günstige Auswirkungen haben die Zuckermoleküle allerdings auf den Pferdeorganismus. Ganz besonders dann, wenn sie in großen Mengen aufgenommen werden und/oder der Stoffwechsel des Pferdes nicht (mehr) so funktioniert, wie er soll.
Fressen Pferde zu viel zuckerreiches Gras, kommt es zu einer Übersäuerung des Darminhalts und damit zu einem massenhaften Absterben nützlicher Mikroben. In weiterer Folge bilden sich körpereigene Gifte (Endotoxine), die über die Darmwand in den Blutkreislauf gelangen und in den fein verzweigten Kapillaren der Huflederhaut die Entzündung (Laminitis) auslösen. Besonders leichtfuttrige, dickleibige und bereits vorgeschädigte Pferde gelten hier als Risikopatienten weshalb Weidegang für diese Gruppe wenn, dann nur in höchst eingeschränkten Maßen empfohlen wird.
Doch auch für solche Pferde könnte es Hoffnung auf Weideglück geben. Amerikanische Wissenschaftler der Universität in North Carolina wollen herausgefunden haben, dass sich der Gehalt an nicht-strukturbildenden Kohlenhydraten (NSC) durch regelmäßiges Mähen und damit einer konsequenten Einkürzung der Grashöhe reduzieren lässt. Die geringere Einfachzucker-Konzentration führte während des Versuchs im Körper jener Pferde, die das kürzere Gras zu sich genommen hatten, zu einer verminderten Insulinantwort als bei ihren Kollgenen, die von hochgewachsenem Gras gefressen hatten.
„Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen Strategien zu entwickeln um Insulinresistenzen bei Weidepferden vorzubeugen“, schreiben Paul Siciliano, Jennifer Gill und Morghan Bowman in ihrer Arbeit, die im Journal of Equine Veterinary Science veröffentlicht wurde. So könne das Gras durch einen Schnitt während der kühleren Monate im Frühjahr oder Herbst, wenn die NSC-Gehalte am höchsten sind, zu einer Wachstumsphase angeregt werden, für die es auf gespeicherte Zuckermolekühle zurückgreifen muss. Auf diese Weise würde der NSC-Gehalt auf einfache Weise reduziert.
Eine weitere Möglichkeit, Gras für Risikopatienten sicherer zu machen, sei zudem die Wechselbeweidung mit anderen Tierarten. Dabei dürfen etwa laktierende Schafe das Gras bis zu einer gewissen Höhe abfressen, bevor man im Anschluss die Pferde auf die Weide lässt.
Das Experiment
In ihrem Versuch mit sechs im Stocktyp stehenden Wallachen im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren ließen die Forscher die Tiere auf einer Serie von Weideflächen in der Größe von 3700 Quadratmetern, auf denen Rohrschwingel (Lolium arundinaceum) angepflanzt war, grasen. Sämtliche Flächen wurden 32 Tage bevor die Pferde sie beweiden durften, auf 15 cm Graslänge eingekürzt. Die Hälfte davon wurde danach nicht mehr gemäht und das Gras auf eine Höhe von 30 bis 40 cm wachsen gelassen. Die andere Hälfte wurde jeweils am elften und am letzten Tag vor Weidebeginn erneut bis auf 15 cm gemäht.
Die Pferde durften danach für eine Dauer von zumindest sieben Tage für jeweils zehn Stunden im Zeitraum von 8 bis 18 Uhr auf den unterschiedlichen Weideflächen grasen. Außerhalb dieser Zeit wurden sie in überdachten Roundpens mit geschottertem Untergrund bei freiem Zugang zu Wasser aufgestallt.
Blutproben wurden in regelmäßigen Abständen vor und nach dem Weidegang genommen um die Insulin- und Glukosewerte zu messen. Zusätzlich wurden Grasproben analysiert und ihren Gehalt an wasser- und alkohollöslichen Kohlenhydraten sowie Stärke zu bestimmen.
Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass die allgemeine Kohlenhydratkonzentration im kurz gemähten Gras niedriger war als im hochgewachsenen, wenngleich im Bereich des Stärkegehalts keine Unterschiede ausgemacht werden konnten.
Die Auswertung der Blutproben aller Pferde ergab ähnliche Werte vor dem Weidegang – danach jedoch wurde bei jenen Tieren, die das kürzere Gras gefressen hatten, geringere Insulinmengen im Blutplasma gemessen als bei den Pferden, die auf der Weide mit langem Gras gestanden hatten. Und es gab noch einen positiven Nebeneffekt: Die Weidezeit auf kurzem Gras führte bereits innerhalb einer Woche zu einem Gewichtsrückgang. Allerdings schließen die Forscher nicht ganz aus, dass sich dieser auf einen weniger gefüllten Darm zurückführen lässt denn auf einen tatsächlichen Verlust an Köpermasse.
Quelle
ps