Ein Pferd, das auf drei Beinen daherkommt, wird vermutlich jedem Reiter auffallen. Auch ein deutliches Kopfnicken bringen wahrscheinlich die meisten Pferdebesitzer mit einer Lahmheit in Verbindung. Doch nicht immer lässt sich so einfach feststellen, ob ein Pferd wirklich rund läuft – oder eben nicht. Besonders subtile Abnormalitäten im Bewegungsablauf bleiben häufig unerkannt. Von Hobbyreiten wie von Profis.
Das enthüllte eine Studie aus dem Jahr 2016, die im Auftrag der britischen Stiftung “Animal Health Trust” durchgeführt worden war. Die Arbeit brachte ernüchternde Ergebnisse ans Licht. 47 Prozent von 506 untersuchten Sportpferden gingen nach Ansicht der Forscher lahm oder zeigten Ganganomalien, die ihren Reitern, Besitzern und Trainern verborgen geblieben waren.
In dieselbe Kerbe schlägt eine kürzlich veröffentlichte Arbeit aus Großbritannien. Unter der Leitung von Orthopädie-Fachfrau Dr. Sue Dyson wurden 60 vermeintlich „gerade“ Pferde von ihren gewohnten Reitern achteinhalb Minuten lang in allen drei Grundgangarten nach einem vorgegebenen Programm geritten. Vordergründig, um die Effizienz eines von Dyson und ihren Kollegen ausgearbeiteten Schmerz-Ethogramms für Reitpferde zu testen. Das Ethogramm umfasst 24 Verhaltensweisen, die Rückschlüsse auf Schmerzen im Bewegungsapparat ziehen lassen.
Bevor es allerdings ans Reiten ging, wurden alle Pferde auf Lahmheiten und auf Schmerzen im Bereich des Rückens hin untersucht. Das Ergebnis: Obwohl alle Reiter angeführt hatten, dass ihre Pferde völlig gesund waren, machten Dyson und ihr Team bei 73 % (!) der Pferde Lahmheiten an einer oder mehreren Gliedmaße(n) aus.
Laut Dyson handelte es sich im Großteil der Fälle um leichte Lahmheiten, die auf einer Bewertungsskala von 1 (leicht) bis 8 (schwer) einen Wert von maximal 2 erreichten. Auch waren sie nicht permanent zu sehen. Davon ungeachtet ließen die Pferde dennoch ein Unbehagen erkennen, wenn man wusste, worauf man achten sollte.
Mehr als die Hälfte der Pferde, insgesamt 55 %, zeigten außerdem Gangstörungen im Galopp. Diese äußerten sich laut Dyson in steifen, gehoppelten Sprüngen.
Fast die Hälfte aller Sättel passte nicht
Und noch eine unerfreuliche Entdeckung wurde im Zuge der Studie gemacht: Bei 47 % der teilnehmenden Pferde passte der Sattel nicht. 21 Pferde wurden später von einem Profi sowohl mit ihrem schlecht sitzenden, als auch mit einem passenden Modell geritten. Im Vergleich zeigten sich mit Letzterem deutlich weniger Unregelmäßigkeiten in den Gängen. Das Ergebnis macht einmal mehr deutlich: Ein unpassender Sattel ist keine Lappalie, er schadet dem Pferd und kann seine Leistungsfähigkeit entscheidend (negativ) beeinflussen.
Ethogramm funktioniert
Die Studie bestätigte außerdem die Zuverlässigkeit des Schmerz-Ethogramm für Reitpferde. Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem laut Ethogramm erreichten Wert und einer Lahmheit. Lahme Pferde erreichten eine höhere Punktzahl als gesunde Pferde.
Reiter müssen besser geschult werden
Die Tatsache, dass Reiter häufig blind für Lahmheiten und Schmerzanzeichen zu sein scheinen, sei problematisch, sagt Dyson im Gespräch mit TheHorse.com. „Ich bin immer enttäuscht, wenn wir eine Stichprobe von freiwilligen Pferd-Reiter-Kombinationen haben, wo das Pferd als klinisch gesund gilt, und wir feststellen müssen, dass das leider nicht der Fall ist", meint die erfahrene Medizinerin.
Grund für dieses Phänomen sei allerdings nicht, dass die Reiter diesen Themen zu wenig Beachtung schenken. Vielmehr sieht Dyson es als Indiz dafür, dass Ganganomalien häufig nicht als solche erkannt würden, weil es die Reiter schlicht nicht besser wissen. "Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass viele Reiter die Signale nicht erkennen, weil sie auf Schulpferden reiten lernen, für die leichte Lahmheiten in der Regel (leider) ganz normal sind. Entsprechend werden geringgradige Ganganomalien auch nicht erkannt, sondern als Normalität eingestuft“, erklärt sie. Umso wichtiger sei es, Reiter und Trainer auf allen Ebenen besser zu schulen, damit sie frühzeitig erkennen, dass es irgendwo klemmt. Derart bliebe Pferden viel Leid erspart, so Dyson.