Es war einer der besten Beiträge der Pferdefachtagung 2018. Nicht nur, weil Theres Huber sehr klar und lebendig vorträgt, sondern vor allem, weil sie sich eines Themas angenommen hatte, das an die existenziellen Grundlagen des Pferdesports rührt: die prekäre Arbeits- und Lebenssituation einer Reitschulbetreiberin. An den Schluss ihrer Ausführungen stellte sie eine kurze Liste unter dem Titel. „Was würde ich mir als Unterstützung wünschen?“ Es war, wenn man so will, ein Hilferuf. Denn ohne enormen persönlichen Einsatz, ohne großen Idealismus, den Verzicht auf Urlaub, geregelte Arbeitszeiten, leistungsgerechte Entlohnung, einen (halbwegs) gesicherten Lebensabend und was es sonst noch an Annehmlichkeiten in einem normalen Berufsleben gibt, ist eine Reitschule in der Regel nicht zu führen.
Theres will nicht jammern, sie lebt das Leben, das sie sich immer erträumt hat, aber eines wurmt sie doch: „,Du machst das ja gern, du hast dein Hobby zum Beruf gemacht‘ – das kann ich schon nicht mehr hören. Ich hoffe, dass jeder Chirurg, jeder Anwalt und jeder Automechaniker seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat – aber er will dennoch einen angemessenen Stundenlohn. Und keiner stellt das in Frage. Natürlich mache ich das aus Begeisterung, aber den Betriebsführerlohn, den wir in der landwirtschaftlichen Fachschule ausgerechnet haben, darf man nicht erwarten. Ich kann alle Kosten decken, aber dann wird es schon mager.“ Ein Nullsummenspiel, unterm Strich, bei dem nichts Gravierendes passieren darf: Ein krankes Pferd, ein Gebäude, das instandgesetzt werden muss, eine Arbeitsmaschine, die ausfällt, oder gar eine eigene Erkrankung kann alles ins Wanken bringen, was man mühsam aufgebaut hat. Viel Spielraum ist da nicht.
Das bestätigt auch Brigitte Kuttner-Raaz, als Unternehmensberaterin mit dem Schwerpunkt Pferdewirtschaft sind solche Kalkulationen ihr tägliches Brot: Schulbetriebe sind in der ökonomischen Hierarchie der Pferdebetriebe die Schlusslichter. „Am Pferd verdient man immer dann, wenn man es nicht selbst hält. Und in der Gruppe der Pferdehalter, die meist nichts oder sehr wenig verdienen, ist der Schulbetrieb – wirtschaftlich betrachtet – das Unattraktivste.“
Bei ihren Beratungen geht es daher meist darum, auszurechnen, wie viel der Pferdesportunterricht zur Kostendeckung beiträgt – und wie viel zugeschossen werden muss. Aus anderen Einkommensquellen, aus Erbschaften, Sponsoring …
Es ist nämlich nicht nur eine Frage des Marktes, sondern vielfach auch einer schlampigen bis nicht vorhandenen Kalkulation geschuldet, dass Reitstunden zu Dumpingpreisen angeboten werden. Kuttner-Raaz: „Die wenigsten haben ihren Preis selber durchkalkuliert, sondern den vom Nachbarn oder vom nächsten vergleichbaren Betrieb übernommen, der das aber blöderweise auch nicht kalkuliert hat. Bei 250 Jahres-Stunden pro Pferd kann man Reitstunden unter 35 Euro nicht einmal kostendeckend anbieten. Einkommensteuer ist in der Branche kein Thema, weil Reitschulbetreiber selten Gewinne erzielen.“
Auf dem Sektor der Reitschulen gilt somit schon als erfolgreich, wer seine Ausgaben hereinbekommt. Und viele haben nicht einmal diesen Anspruch. „Betriebe mit mehreren Einkommenszweigen sehen den Unterricht überwiegend als Marketingmaßnahme: Die Kinder von heute sind vielleicht die Einsteller von morgen – und insofern investieren sie gerne in ihre drei Schulpferde.“
Ausgebucht und ausgebeutet
Wer aber weder quersubventionieren kann noch den Schulbetrieb unter dem Aspekt des Heranzüchtens zukünftiger Einsteller betreibt, hat ein hartes Brot. Theres Huber, Pferdewirtschaftsmeisterin, Reitinstruktorin und Centered Riding Instructor Level I, betreibt das Königmairgut im oberösterreichischen Gaspoltshofen seit 2003, die Erteilung von Reitunterricht als neue Selbstständige ist in eine Landwirtschaft integriert, von jedem Euro, den sie einnimmt, sind also 16,67 % USt abzuführen. 14 Schulpferde sind zu ernähren und zu umsorgen, dazu kommen zwei Zuchtstuten und zwei Jungpferde, pro Pferd fallen im Schnitt 3500 Euro Fixkosten im Jahr an. Die AFA (Aufwendung für Abschreibung) ist ebenfalls hoch, es gibt eine relativ neue Reithalle – das muss alles erst einmal verdient werden. Mit 25 Euro für eine Kinderreitstunde (Zehnerblock: 220 Euro) und 28 Euro für eine Erwachseneneinheit (Zehnerblock: 250 Euro) muss sie schon eine Weile arbeiten, um auf gleich zu kommen. 55 Wochenstunden sind üblich, im Sommer mehr. Bei der Stallarbeit hilft eine geringfügig Beschäftigte, die Landwirtschaft, die in guten Jahren das Heu und ein bisschen Hafer für die Pferde abwirft, schupft ihr Mann, der im Hauptberuf bei der Gemeinde angestellt ist. Als gelernter Tischler kann er auch im Stall viele handwerkliche Arbeiten übernehmen.
Pro Woche betreut Theres rund 70 ReitschülerInnen, insgesamt sind es an die 200 kleine und große Pferdefreunde, die hier reiten lernen oder ihr Können verbessern. Mittlerweile ist ihr Einzugsgebiet recht groß, bis zu eineinhalb Stunden Fahrzeit nehmen ihre SchülerInnen in Kauf, um von ihr unterrichtet zu werden – und die Nachfrage ist wesentlich größer als das Angebot. „Ich lehne im Moment jede Woche jemanden ab, weil ich niemanden mehr nehmen kann.“
Mehr für ihre Reitstunde zu verlangen, ist für Theres dennoch keine Option, in ihrem Umfeld ist der Markt dafür nicht gegeben. „Dass Reitlehrer kein geschützter Beruf ist, ist wirklich übel. Die Prüfungen, die wir ablegen, sind schwierig und kosten – und ich muss mich ja auch laufend fortbilden. Dennoch kann ich deswegen nicht einfach 4 Euro mehr verlangen. Im Nachbarort zum Beispiel gibt es einen Betrieb, der hat keine Halle – und lernen tun die Schüler auch nix. Dann rufen die Eltern bei mir an – und wenn sie erfahren, dass die Reitstunde 25 Euro kostet, sagen sie: Um Gottes Willen, hier kostet sie nur 17 Euro …“
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