Der renommierte Ethologe Dr. Andrew McLean gibt seine Zusammenarbeit mit dem Weltreiterverband bekannt, um das Wohl der Pferde durch wissenschaftlich fundierte Trainingsmethoden weiter zu verbessern.
"Ich freue mich, mit der FEI an ihrem Engagement für das Wohlergehen der Pferde zu arbeiten", erklärt Dr. McLean. "Mein Auftrag besteht darin, die Verbreitung der ISES ‚First Principles of Training‘ zu fördern, um optimales Wohlbefinden und Nachhaltigkeit im Pferdesport zu unterstützen. Die Pferdewissenschaft bietet einzigartige Möglichkeiten, die Ziele des Pferdesports zu erreichen – und das im Rahmen eines guten Lebens für die Pferde. Jetzt ist es wichtiger denn je, dass Reiter, Trainer, Coaches und Richter erkennen, was sie nicht wissen."
Dr. Andrew McLean ist ein weltweit anerkannter Experte für Pferdeverhalten und -training. Seine Forschung konzentriert sich auf Tierkognition, Lerntheorien und Tierschutzwissenschaften. Er hat über 80 wissenschaftliche Arbeiten und zehn Fachbücher veröffentlicht sowie das aktuelle „Five Domains Model of Animal Welfare“ mitentwickelt, das sich auf Mensch-Tier-Interaktionen konzentriert.
Sein Engagement im Pferdesport kann sich sehen lassen: McLean hat vier Olympiamedaillengewinner und sieben nationale Reiterverbände gecoacht. 1996 trainierte er das indische Vielseitigkeitsteam, das dank der bei ihm erlernten Methoden der Lerntheorie Bronze bei den Asia Pacific Games 1995 gewann - die erste internationale Medaille für den indischen Pferdesport. Als Gründer des Australian Equine Behaviour Centre und CEO von Equitation Science International setzt er sich intensiv für eine pferdefreundliche Ausbildung ein.
Mit seiner neuen Zusammenarbeit mit der FEI will McLean eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis schlagen, um die Trainingsmethoden weltweit nachhaltiger zu gestalten. Die Implementierung der ISES-Trainingsprinzipien könnte langfristig den Umgang mit Pferden im internationalen Turniersport weiter verbessern.
Die 10 Trainingsprinzipien der ISES
Das Wohl von Mensch und Pferd hängt von Trainingsmethoden und Managementpraktiken ab, die folgende Aspekte berücksichtigen:
1. Sicherheit für Mensch und Pferd
- Pferdegröße, -kraft und ihr potenzielles Fluchtverhalten als Risiko anerkennen
- Aggressives/defensives Verhalten (z. B. Treten, Beißen) vermeiden
- Gefahrenzonen des Pferdes (z. B. Hinterhand) kennen
- Werkzeuge, Ausrüstung und Umgebung sicher nutzen
- Inkonsequenz und Verwirrung vermeiden
- Pferde und Menschen passend zueinander auswählen
- Methoden oder Ausrüstung vermeiden, die Schmerz, Stress oder Verletzungen verursachen
"Missachtung der Sicherheit erhöht die Gefahr im Umgang mit Pferden erheblich."
2. Berücksichtigung der Natur des Pferdes
- Grundbedürfnisse erfüllen: lange Futteraufnahme, Sozialkontakte, Bewegungsfreiheit
- Aversive Managementpraktiken vermeiden (z. B. Tasthaare kürzen)
- Dominanzkonzepte in der Mensch-Pferd-Interaktion hinterfragen
- Schmerzsignale erkennen
- Die soziale Natur der Pferde respektieren (z. B. Bedeutung von Berührung, Auswirkungen von Trennung)
- Bewegungen vermeiden, die das Pferd als bedrohlich wahrnehmen könnte (z. B. ruckartige Bewegungen)
"Isolation, eingeschränkte Bewegung und begrenztes Futterangebot beeinträchtigen das Wohlbefinden."
3. Berücksichtigung der mentalen und sensorischen Fähigkeiten von Pferden
- Pferden keine menschlichen Denkweisen unterstellen
- Wahrnehmungsunterschiede zwischen Mensch und Pferd berücksichtigen
- Kurze Trainingseinheiten einhalten, um Überforderung zu vermeiden
- Verhalten nicht mit vermuteten Gefühlszuständen erklären
"Fehlinterpretationen der mentalen Fähigkeiten eines Pferdes können gravierende Folgen für sein Wohlbefinden haben."
4. Berücksichtigung aktueller emotionaler Zustände
- Einheitlichkeit in Training und Belohnung sicherstellen
- Schmerz oder anhaltendes Unbehagen im Training vermeiden
- Flucht-, Kampf- oder Erstarrungsreaktionen nicht provozieren
- Entspannung durch Streicheln und Stimme fördern
- Pferd zu entspannter Haltung ermutigen (z. B. Kopf senken, freie Zügelführung)
"Hohe Erregung und mangelnde Belohnung können Stress und negative Emotionen verursachen."
5. Korrekte Anwendung von Habituation, Desensibilisierung und Beruhigung
- Furchtauslösende Objekte langsam annähern
- Unangenehme Reize mit positiven Erfahrungen verknüpfen (z. B. Futterlob)
- Unerwünschtes Verhalten ignorieren, erwünschtes verstärken
- „Flooding“ (Überfluten mit Reizen) vermeiden
"Desensibilisierung durch Flooding kann Stress verursachen und Phobien auslösen."
6. Korrekte Anwendung der Operanten Konditionierung
- Verhalten durch Konsequenzen beeinflussen
- Druckhilfen (z. B. Zügel, Schenkel, Gertenimpulse) beim richtigen Verhalten sofort lösen
- Belohnungen nicht verzögern
- Positive Verstärkung zusätzlich nutzen
- Strafen vermeiden
"Falsche Anwendung der operanten Konditionierung kann zu Aggression, Flucht oder Apathie führen und das Wohlbefinden beeinträchtigen."
7. Korrekte Anwendung der Klassischen Konditionierung
- Leichte Signale vor Druck-Freisetzungs-Sequenzen setzen
- Erwünschte Reaktionen mit leichten Hilfen einleiten
- Unerwünschte Reize nicht ungewollt mit gewünschten Reaktionen verknüpfen
"Das Fehlen von freundlichem Umgang kann zu Stress und einem beeinträchtigten Wohlbefinden führen."
8. Korrekte Anwendung des Shapings
- Trainingsaufgaben in kleine, erreichbare Schritte unterteilen
- Training so gestalten, dass die richtige Reaktion offensichtlich und einfach ist
- Stabile Trainingsumgebung sicherstellen
- Pro Trainingseinheit nur eine Variable verändern
"Schlechtes Shaping führt zu Verwirrung."
9. Korrekte Anwendung von Signalen und Hilfen
- Signale/Hilfen klar voneinander unterscheidbar machen
- Eine Hilfe/ein Signal sollte immer nur eine Bedeutung haben
- Unterschiedliche Hilfen niemals gleichzeitig anwenden
- Bewegungshilfen passend zur Bewegung des Pferdes einsetzen
"Unklare, mehrdeutige oder gleichzeitige Signale führen zu Verwirrung."
10. Bedeutung der Selbsthaltung
- Ziel ist Selbsthaltung auf allen Ebenen des Trainings
- Pferd sollte selbstständig
- Gangart
- Tempo
- Schrittlänge
- Richtung
- Kopf- und Halshaltung
- Körperhaltung
aufrechterhalten
- Erzwungene Haltung vermeiden
- Keine ständige Hilfengebung (z. B. permanentes Treiben, unaufhörlicher Zügelkontakt)
"Mangelnde Selbsthaltung kann überempfindliche Reaktionen hervorrufen und das Wohlbefinden beeinträchtigen."