Im Großen Preis beim Fünf-Sterne-Turnier in Bordeaux überraschte ein Reiter im großen Stil. Es war nicht Weltmeister Henrik von Eckermann, der den Sieg für sich beanspruchte. Und auch nicht der als bester Reiter des Turniers ausgezeichnete Brasilianer Marlon Módolo Zanotelli. Am Ende stand mit Grégory Cottard einer ganz oben auf dem Podest, mit dem vermutlich nicht allzu viele gerechnet hatten – nicht einmal er selbst.
Der 44-jährige Franzose, für den dieser Sieg der größte seiner bisherigen Karriere war, fiel dabei nicht nur durch die einzige fehlerfreie Stechrunde auf. Auch die Ausrüstung seiner Schimmelstute Cocaine du Val ist nicht gerade alltäglich: Kein Martingal, kein Sperriemen, ja noch nicht einmal ein Nasenriemen – alles, was es brauchte, um die elfjährige Selle Francais Stute zweimal fehlerfrei durch den 1,60-m-Parcours zu dirigieren, war ein einfaches Reithalfter und eine ebensolche Trense.
Eine Frage des gegenseitigen Verständnisses
„Ich reite alle meine Pferde mit einem ganz einfachen Zaum ohne Nasenriemen“, sagte Cottard, angesprochen auf die im internationalen Springzirkus nicht gerade alltägliche Zäumung seiner Stute, später. „Im Grunde dreht sich alles um Horsemanship. In den vergangenen zwei Jahren habe ich viel zu diesem Thema recherchiert. Ich halte es gerne so einfach wie möglich. Solange man daran arbeitet, gut mit seinem Pferd zu kommunizieren, klappt das auch. Es geht darum, sich einander verständlich zu machen - und das auf die effizienteste Art und Weise.“ Dass die Kommunikation zwischen ihnen ganz hervorragend klappt, bewiesen Cottard und Cocaine du Val im herausfordernden Kurs von Parcoursbauer Jean-François Morand gleich zweimal.
Schon mit der erfahreneren Bibici, ebenfalls eine französisch gezogene Schimmelstute, war Cottard im Weltcupspringen am Vortag eine Nullrunde gelungen. Im verkürzten Parcours hatte es danach nicht nach Wunsch geklappt, ein achter Platz im starbesetzten Starterfeld war jedoch ein mehr als respektables Ergebnis für den Franzosen, der sein Land zuletzt bei der WM in Herning (DEN) und danach beim Nationenpreisfinale in Barcelona (ESP) auf großer Bühne vertreten hatte. Die Ausrüstung der zwölf Jahre alten Norman-pre-Noir-Tochter ähnelt der ihrer Stallkollegin bis ins Detail: Nur das Allernötigste am Pferd. Minimalismus pur.
Zeit für einen neuen Trend
Minimalismus ist im Springsport derzeit durchaus ein Trend, wenn auch eher im Bereich der Hufe. Seit zwei Drittel der schwedischen Gold-Equipe bei den Sommerspielen in Tokio 2021 ohne Eisen an den Hufen ihrer Pferde für Furore sorgten, finden sich immer mehr Reiter:innen, die mit der Tradition beschlagener Pferde brechen und nun ihre Erfolge auf Barhufern feiern. Vielleicht braucht es wieder Olympische Spiele, um ein neuerliches Abrüsten im Pferdesport in Gang zu setzen – diesmal eben im Bereich der Pferdezäumung. Paris 2024 würde die perfekte Bühne dafür bieten. Dass Grégory Cottard und seine Pferde das Potenzial haben, bei ihren Heim-Spielen als leuchtendes Beispiel voranzugehen, haben sie mit ihren Auftritten in Bordeaux jedenfalls bewiesen.