Kissing Spines gehören in der Reiterwelt zu einer den gefürchtetsten Diagnosen. Dornfortsätze, die einander berühren oder sogar überlappen bedeuten für das Pferd oft starke Schmerzen – und für den Reiter eine eingeschränkte Nutzbarkeit seines vierbeinigen Partners. Im schlimmsten Fall sogar dessen völlige Unreitbarkeit. © www.slawik.com
Der Fall reicht ins Jahr 2004 zurück. Eine zu diesem Zeitpunkt elf Jahre alte Vollblutstute zeigte fünf Monate nach dem Kauf immer wieder Lahmheiten. Bei einer röntgenologischen Untersuchung stellte der hinzugezogene Tierarzt eine deutliche Annäherung der Dornfortsätze im Bereich der Brustwirbelsäule fest, die laut seiner Diagnose dazu führte, dass das Pferd bei normaler reiterlicher Nutzung unter Schmerzen litt.
In Folge reichte die Besitzerin der Stute Klage gegen die Verkäuferin ein und forderte die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 2.800 Euro sowie eine Entschädigung für die entstandenen Kosten, die neben den Tierarztkosten unter anderem auch die Einstellgebühr sowie die Hufschmiedekosten umfasste.
Die Verkäuferin indes sah sich keiner Schuld bewusst. Sie gab an, dass die Stute bis zum Zeitpunkt der Übergabe gesund gewesen sei. Trotz häufigen Reitens sei nie eine tiermedizinische Behandlung erforderlich gewesen. Als Ursache für die Rückenprobleme ortete sie vielmehr reiterliche Fehler auf Seiten der Klägerin und eine damit verbundene falsche Einwirkung. Auch habe die Klägerin aus eigener Entscheidung heraus ausdrücklich auf eine ihr angebotene Ankaufsuntersuchung verzichtet und einen unverbindlichen Test des Pferdes über zwei Wochen abgelehnt.
Der hinzugezogene Sachverständige konnte bei der Untersuchung der Stute zwar keine Einschränkungen der Rittigkeit oder gar eine Lahmheit feststellen, bestätigte jedoch die Diagnose des Tierarztes, die seiner Überzeugung nach, bereits bei der Übergabe bestanden haben muss. Er wies darauf hin, dass bei einem derartigen Befund nicht auszuschließen sei, dass die Engstände in Zukunft Probleme bereiten könnten. Der Kauf eines solchen Pferdes sei für den Käufer demnach jedenfalls risikobehaftet.
Angesichts dieser Einschätzung beurteilte das Gericht die Klage als begründet. Kissing Spines seien ein Mangel im Sinne des § 434 BGB, der den Käufer zum Rücktritt berechtigt. Das gelte auch dann, wenn das Pferd noch keinerlei Symptome zeigt. Als Begründung führte das Gericht an, dass bereits das konkret bestehende Risiko als Mangel anzusehen sei. Bei einem Pferd, bei dem dieser Engstand der Dornfortsätze nicht vorliegen würde, wäre das Risiko einer Beeinträchtigung der Rittigkeit hingegen nicht gegeben.
Keinen Ausschlag für das Urteil gab die ausgeschlagene Ankaufsuntersuchung. Begründet wurde dies damit, dass eine solche Untersuchung üblicherweise keine Röntgenbilder des Rückens umfasst und die Erkrankung nur dadurch zu erkennen sei.
Dieses Urteil ist insofern bemerkenswert, als dass sich das Landgericht Münster damit gegen die vorangegangene Rechtsprechung in ähnlichen Fällen stellte. Danach wurde einhellig davon ausgegangen, dass ein Mangel nur dann vorliege, wenn er sich auch tatsächlich realisiert hat. Demnach hätte das Pferd dauerhaft oder zumindest regelmäßig lahmen oder sich aufgrund der Schmerzen beim Reiten bereits unwillig gezeigt haben müssen.
Fazit: Wer sich beim Pferdekauf aber auch beim -verkauf vor derartigen Rechtsstreitigkeiten schützen will, sollte auf eine umfassende Ankaufsuntersuchung keinesfalls verzichten.
ps
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