Fieses Wetter, schlechte Bodenverhältnisse, mangelndes Tageslicht: Der Winter stellt Pferdebesitzer:innen vor echte Herausforderungen, wenn es um die Auslastung ihrer Vierbeiner geht. Davon können vor allem all jene ein Lied singen, die nicht über den Komfort einer stets bereitbaren Halle verfügen. Aber auch mit schützendem Dach über dem Kopf läuft das Wintertraining oftmals Gefahr öde zu werden – für Mensch und Tier.
Eine, der nie die Trainingsideen ausgehen, obwohl auch sie auf eine Reithalle verzichten muss, ist Katharina Schneidhofer. Die Steirerin hat sich mit Showauftritten im In- und Ausland einen Namen gemacht und ist gemeinsam mit ihrer kunterbunten Pferdetruppe ein beliebter Showact auf Messen und Pferdeveranstaltungen. Doch wie werden ihre vierbeinigen Stars bei Laune gehalten, wenn draußen nichts geht? „Dann ist bei uns Zirkuslektionentraining angesagt. Da sind sie ganz wild drauf!“, verrät Schneidhofer.
Zirkus für alle
Tricktraining punktet mit großem Abwechslungsreichtum und kann mit allen Pferden erarbeitet werden, ganz gleich welchen Alters, welcher Rasse, Disziplin oder welchen Ausbildungsstandes. Und: Es hat keine besonderen Ortsansprüche. Ideale Voraussetzungen also, wenn’s draußen stürmt und schneit, querregnet oder sich Böden in Eispisten verwandeln. In solchen Situationen funktioniert Schneidhofer kurzerhand Box, Stallgasse und Putzplatz zur Trainingsstätte um. „Wobei manche davon abraten, in der Box zu trainieren, weil sie den Pferden als Rückzugs- und Ruheort dienen soll“, räumt sie ein, hält aber fest: „Ich nehme das nicht so streng und hätte auch noch nicht bemerkt, dass meine Pferde ein Problem damit haben.“ Das mag daran liegen, dass die erfahrene Trainerin vor allem mit Futterlob arbeitet. Und ein paar extra Leckerchen wollen sich alle ihre Pferde nur zu gerne verdienen.
Zirkuslektionentraining ist aber nicht nur aufgrund der appetitlichen Motivationshappen geprägt von guter Stimmung. Hier geht es von den ersten Schritten an um die Lust am gemeinsamen Arbeiten, um die Freude, etwas Neues zu lernen und sich auszuprobieren. Kein Pferd lässt sich zum Lachen, Teppich ausrollen oder Apportieren zwingen. Es gilt, sein Interesse zu wecken und Wege zu finden, ihm das, was man möchte, geschickt zu verklickern. Apropos Klicker: Der ist beim Erarbeiten von Tricks ein wertvolles Helferlein. „Der Klicker ist eine Lernhilfe. Er signalisiert dem Pferd ganz deutlich, dass es jetzt gerade in diesem Moment etwas richtig macht. Das hilft dem Pferd zu verstehen, was ich von ihm will.“ Wer sich nicht so recht mit dem Klickfrosch in der Hand anfreunden kann, kann sich auch eines sogenannten Markerwortes bedienen. Genau wie das metallische Geräusch des Klickers signalisiert es dem Pferd unmissverständlich, dass es sich auf dem richtigen Weg befindet und dass deshalb gleich eine (Futter-)Belohnung folgt. Welches Wort man dabei benutzt, ist Geschmackssache, sofern es kurz, prägnant und leicht zu merken ist, und möglichst nicht im alltäglichen Sprachgebrauch vorkommt, z. B. Jep, Yes, Klick oder Ähnliches. Anleitungen, wie man Pferde auf den Klicker oder ein Markerwort konditioniert, gibt es im Internet zuhauf.
Rechtzeitig Grenzen setzen
Bevor man mit Futter vor der Pferdenase herumwedelt, sollte eines bereits etabliert sein: gutes Benehmen. „Wenn man mit Leckerlis belohnt, werden manche Pferde schnell aufdringlich und betteln, manche schnappen sogar. Da muss man von Anfang an ganz klare Grenzen setzen und deutlich machen, dass es Futter nur bei gutem Benehmen gibt. Wenn Pferde beim Belohnen mit Futter ungut werden, dann sind nicht die bösen Leckerlis daran schuld, sondern es mangelt schlichtweg an Erziehung.“ Bei ihren Kursen setzt Katharina Schneidhofer deshalb die Arbeit an der Höflichkeit stets an den Anfang des Trainings.
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Belohnen mit Futter: So wird der Rüpel zum höflichen Pferd
Pferde lernen mit Futterlob besonders gut, doch manche können sich beim Anblick von Fressbarem in der Menschenhand kaum zurücknehmen, drängeln, betteln oder zwicken sogar. Trotzdem wäre es schade, auf die ultimative Lernhilfe zu verzichten. Was es in solchen Fällen braucht, ist Höflichkeitstraining. Wie das funktioniert, erklärt Pferdetrainerin Katharina Schneidhofer. Mehr lesen ...
In der Kürze liegt die Würze
Sind die Regeln für das Tricktraining Mensch und Pferd klar, steht dem gemeinsamen Spaß nichts mehr im Weg. Was bei allem Lerneifer allerdings nicht vergessen werden darf: „Kopfarbeit ist viel anstrengender als körperliches Training. Wirklich konzentriert arbeiten können die Pferde meistens nicht lange. Diese Fähigkeit müssen sie erst nach und nach lernen“, weiß Schneidhofer. Für den Anfang reichen deshalb oft fünf bis zehn Minuten, bevor man dem Pferd zumindest eine Pause geben sollte. Bei gut trainierten Pferden sind bis zu 20 Minuten am Stück möglich. „Aber da müssen sie wirklich eine top Konzentrationsfähigkeit haben.“
Trotz der Kürze des Trainings verschafft man den Pferden zumindest geistig eine gute Auslastung – und sich selbst ein gutes Gefühl: „Ich weiß, ich habe meine Pferde sinnvoll beschäftigt, sie hatten Spaß und das Training stärkt obendrein auch noch die Bindung. Bei Schlechtwetter probiere ich oft neue Dinge aus. Das fordert die Pferde mental sehr und hält sie fit im Kopf und motiviert am Lernen. Ich glaube, meine Pferde wären ohne das Zirkuslektionentraining nicht so glücklich und zufrieden.“
Tricks für die Stallgasse
Lachen
Beim Lachen soll das Pferd wie beim Flehmen seine Oberlippe nach oben stülpen. Um das zu erreichen, nimmt man ein Leckerchen zur Hand und versucht, mit dessen Hilfe die Oberlippe des Pferdes nach oben zu locken, gleichzeitig gibt man dazu eine Stimmhilfe („lachen“, „smile“, „Cheese“, …). Dabei hilft es sich vorzustellen, dass sich die Lippe zum Leckerli streckt. Geklickt oder gemarkert und gleich im Anschluss mit Futter belohnt wird der Moment, wenn die Lippe oben ist. Hat das Pferd die Übung verstanden, wird im nächsten Schritt an der Dauer gearbeitet. Das Pferd soll die Lippe länger oben halten können, bevor die Bestätigung kommt. Mit der Zeit sollte nur mehr der Finger (ohne lockendes Leckerli) genügen, um die Lektion abzurufen.
Teppich ausrollen
Beim Teppich ausrollen gilt es für das Pferd, mit der Lippe oder Nase einen kleinen Teppich auszurollen. Dazu legt man das Leckerli zwischen den kurzen, bereits ausgerollten Teil des Teppichs und die Teppichrolle. Wichtig ist, dass das Futter anfangs noch sichtbar ist, sonst kann es das Pferd nicht wahrnehmen. Nun gibt man eine Stimmhilfe (z. B. „roll!“ oder „schubs!“). Wenn das Pferd auf der Suche nach dem Leckerli die Rolle etwas bewegt, wird geklickt oder mit dem Marker bestärkt und mit Futter belohnt. Das Ziel sollte nach einigen Wiederholungen sein, dass das Pferd ohne Leckerli unter der Rolle den ganzen Teppich ausrollt. Erst danach gibt’s Futter.
Apportieren
Beim Apportieren soll das Pferd einen Gegenstand aufheben. Für die Anfänge eignet sich eine ältere Gerte, später kann man auch andere Gegenstände, zum Beispiel Hundespielzeug, verwenden. Im ersten Schritt positioniert man sich neben dem Pferd und hält ihm die Gerte vor die Nase. Dabei gibt man eine Stimmhilfe, z. B. „nimm!“. Knabbert das Pferd an der Gerte oder beißt hinein, bestätigt man mit Marker und belohnt mit Futter. Sitzt das Hineinbeißen auf Kommando, geht es darum, dass das Pferd die Gerte weiter im Maul behält. Auf die Stimmhilfe fürs Gerte nehmen folgt nun eine weitere fürs länger Halten, am besten eine langgezogene wie „haaaaaaalten“, um das Pferd in der Lektion „einzufrieren“. Behält das Pferd die Gerte nun etwas länger im Maul, folgen als Bestätigung der Klick und das Leckerli. Wichtig: Das Pferd soll die Gerte nicht selbständig ausspucken, sondern der Mensch nimmt die Gerte aus dem Pferdemaul. Bei weniger maulorientierten Pferden, die die Gerte gleich wieder ausspucken wollen, kann man dem Pferd helfen, indem man anfangs mit ihm gemeinsam die Gerte hält. Sobald das Pferd den Apportiergegenstand für einige wenige Sekunden sicher zwischen den Zähnen hält, wird im nächsten Schritt das Aufheben der Gerte vom Boden geübt. Dazu hält man sie etwas näher Richtung Boden und gibt wieder das Kommando zum Aufnehmen usw. usf. Ziel ist es, dass das Pferd die Gerte oder andere Gegenstände vom Boden aufnehmen kann und sie im Maul behält.
Nein sagen
Am leichtesten lassen sich Pferde zum Neinsagen motivieren, wenn man sie an den Ohren kitzelt. Bei Pferden, die sich nur ungern an ihren empfindlichen Sinnesorganen anfassen lassen wollen, sollte man davon allerdings unbedingt absehen. Hier gilt es, einen anderen Punkt zu finden, der sensibel genug ist, um ein Kopfschütteln hervorzurufen. Man beginnt die Übung, indem man sich seitlich auf Kopfhöhe des Pferdes positioniert und neben dem Ohr mit der Hand wackelt. Dieser Vorgang wird von einer Stimmhilfe („shake!“, „schütteln!“, „sag nein!“, …) begleitet. Wenn das Pferd darauf nicht reagiert, kitzelt man kurz sein Ohr. Schüttelt das Pferd nun seinen Kopf, bestätigt man sofort mit dem Marker und belohnt mit Futter. Nach einigen Wiederholungen sollte das Pferd auf ein Handzeichen neben dem Ohr reagieren. Bei Pferden, die nicht am Ohr angefasst werden können, gibt man das Handzeichen an der Stelle, wo sie sensibel genug reagieren, um den Kopf zu schütteln.
Gut zu wissen
Lektionen
Zirkuslektionen gibt es viele, doch nicht alle eignen sich für Stallgasse und Putzplatz. Für Tricks wie Kompliment, Knien, Liegen usw. braucht es einen weichen, griffigen Untergrund, wie ihn der Reitplatz, die Halle oder auch eine Wiese bieten. Auch Steigen ist auf beengtem Raum schon allein aus Sicherheitsgründen absolut tabu.
Dauer
Wann Pferde mit ihrer Konzentration am Ende sind, zeigen sie auf ganz unterschiedliche Arten. Die einen werden sehr ruhig, schalten ab und bekommen schläfrige Augen, andere werden hibbelig und überdreht, wenn es ihnen zu viel wird. Da heißt es rechtzeitig aufhören, eine Pause einschieben oder das Training an einem anderen Tag fortsetzen.
Leckerlis
Die größte Motivation liefert natürlich das, was am besten schmeckt. Karotten, Apfelstücke, handelsübliche Leckerlis oder Müsli stehen bei den meisten Pferden hoch im Kurs. Wer viel mit Futterlob arbeitet muss aber darauf achten, die Energiebilanz des Pferdes nicht durcheinanderzubringen. Bei sehr wohlgenährten Pferden und Ponys und Stoffwechselpatienten ist besondere Vorsicht angebracht. In solchen Fällen eignen sich getreidefreie Leckerlis, Strukturmüsli, aber auch Hagebutten, Sellerie oder Gurken, sofern die Pferde das mögen.