Wie eurodressage am Dienstag berichtete, musste Totilas wegen einer schweren Kolik operiert werden. Den Eingriff überstand der Hengst zwar und stand danach auch wieder auf, geschafft hat er es trotzdem nicht.
Seit seinem Karriereende im Jahr 2015 lebte der Hengst auf dem Schafhof bei Familie Rath-Linsenhoff. Dort wurde er weiterhin bewegt und geritten, allerdings nicht mehr auf vollem Leistungsniveau, wie Totilas‘ ehemaliger Reiter Matthias Alexander Rath gegenüber eurodressage mitteilte. „Es ist ein anderes Trainingsniveau außerhalb des Sports, man trainiert nicht voll auf Wettkampf. Er war die ganze Zeit über fit und gesund“, wird Rath zitiert. „Er ging täglich auf die Koppel, ging viel Schritt, an der Hand und unter dem Reiter auf der Galoppbahn. Zwanzig Jahre ist viel zu früh. Das ist ja gar nicht so alt.“
Zuletzt war vor allem Raths Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff in Totilas‘ Sattel gesessen. „Man wusste, wenn er einen guten Tag hatte, dann bedurfte es nur eines Zungenschnalzens um ihn piaffieren zu lassen, oder wenn er es einfach gemütlich angehen lassen wollte“, erzählt Rath.
Obwohl er mit dem Hengst zusammen aus sportlicher Sicht mehr Tiefen als Höhen erlebt hat, ist Matthias Rath untröstlich über den Verlust. Auf Instagram schrieb der 36-Jährige: „Wir werden dich unglaublich vermissen und nie vergessen!!!
Von Friesland in die große Welt
Ihren Beginn nahm Totilas‘ schillernde Karriere in Broeksterwald, einem kleinen Dorf in Friesland, wo der Rappe am 23. Mai 2000 zur Welt kam. Gezogen wurde der Gribaldi-Sohn aus einer Glendale-Stute von Jan K. Schuil und Anna Visser. Bei den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde in Verden betrat der Rappe das erste Mal die internationale Bühne. Schon da ließ er reichlich Potenzial erkennen. Unter Jiska van den Akker wurde Totilas Vierter in der Klasse der Fünfjährigen.
2006 wechselte Totilas den Besitzer. Der niederländische Milliardär Cees Visser kaufte den Hengst. Fortan übernahm Edward Gal die Zügel, der bereits mit Totilas‘ Vater Gribaldi sehr erfolgreich gewesen war. Erste Erfolge ließen mit dessen Sohn nicht lange auf sich warten. Bereits das erste internationale Turnier, das CDIO in Rotterdam 2009, endete mit einem Dreifach-Sieg und hohen Noten. In der Kür erzielte Totilas über 84 % - für Gal auf internationalem Niveau damals noch absolutes Neuland. Einen Monat später in Hickstead kratzte das Duo bereits an der 90-Prozent Marke. Endgültig fallen sollte sie im August desselben Jahres bei der EM im britischen Windsor, wo Gal und Totilas ihr gemeinsames Championatsdebüt für die niederländische Equipe gaben. Die Ausbeute konnte sich sehen lassen: Gold im Mannschaftsbewerb und in der Kür, Silber im Spécial. Die 90,75 %, die das Richterkollegium für den Kürritt des Paares vergab, war zugleich ein neuer Rekord. Nie zuvor hatte ein Duo in einem internationalen Bewerb die 90-Prozent-Marke durchbrochen! Den frisch aufgestellten Bestwert überbot das neue Traumpaar der Dressur noch im selben Jahr bei der Weltcup-Etappe in London. Ab da belief er sich auf 92,30 %. Dieser Wert sollte erst von Charlotte Dujardin und Valegro überboten werden sollte.
Wann immer Totilas auftrat, sorgte er für Aufsehen. Der Hengst ließ kaum einen kalt. Weder das Fachpublikum noch Laien. Er war der gefeierte Popstar unter den Pferden, mit unzähligen Fans auf der ganzen Welt. Der Rappe, bald "das Wunderpferd" genannt, tanzte stets vor vollen Rängen, sogar rund um die Abreiteplätze herrschte dichtes Gedränge, sobald die Chance bestand, Totilas vorbeihuschen zu sehen.
Doch es gab nicht nur Bewunderer. Spätestens mit dem Erfolg in Windsor wurden auch kritische Stimmen laut, die Totilas‘ spektakulären Bewegungsablauf als „künstlich“ und wenig reell bemängelten.Dem Erfolg des Duos Edward Gal und Totilas tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil. Das Paar siegte weiter. Ihren größten und zugleich letzten gemeinsamen Erfolg feierte die niederländische Kombination bei den Weltreiterspielen in Kentucky (USA) im Jahr 2010. Dort krönte sich Totilas zum dreifachen Weltmeister – vor tosendem Publikum, das seine neuen Helden bejubelte wie kein anderes Paar in der Dressur zuvor.
Teuerstes Dressurpferd der Welt
Nur wenige Wochen darauf kündigte Cees Visser den Verkauf des Rappen an. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die internationale Presse überschlug sich in wilden Spekulationen über den Käufer. Nach tagelangem Rätselrate wurde schließlich Paul Schockemöhle als neuer Eigner des Hengstes verkündet. Der Verkaufspreis: kolportierte 11,2 Millionen Euro. Auch das war ein neuer Rekord. Ebenfalls Teil des Käuferkonsortiums war Ann Kathrin Linshoff, deren Stiefsohn Matthias Alexander Rath mit Totilas die lange Durststrecke des deutschen Dressursports beenden und wieder Gold ins Land holen sollte - idealerweise bei den Olympischen Spielen in London 2012.
Doch dazu kam es nicht. Bereits bei den Europameisterschaften in Rotterdam 2011 schrammte das Paar klar an seiner Vorgabe - nichts weniger als die erfolgreiche Titel-Verteidigung - vorbei. Es gab nicht nur kein Gold für Totilas und Rath, am Ende sollte es mit Platz vier nicht einmal für eine Einzelmedaille reichen. Das hatte man sich so nicht vorstellt. Entsprechend groß war die Enttäuschung. 2012 erkrankte Rath an Pfeiffer’schem Drüsenfieber, weshalb das Paar bei den Spielen in London nicht antreten konnte. Auch danach war der Wurm drin. Zwar feierte Totilas weiterhin Siege, seine Karriere war fortan jedoch geprägt von Verletzungen und weniger glanzvollen Auftritten, die immer mehr Kritiker auf den Plan riefen. An die Erfolge, die der Hengst noch unter Edward Gal gefeiert hatte, konnte Totilas mit Rath im Sattel nie anschließen.
Sein letzter Auftritt auf internationalem Parket wurde zum Debakel. Bei den Europameisterschaften in Aachen stellte Rath einen augenscheinlich lahmenden Totilas vor. Abgeklingelt wurde das Paar allerdings nicht, was viele Zuseher mit Pfiffen quittierten. Nach einem sechsten Platz wurde der Hengst schließlich von den weiteren Bewerben zurückgezogen. Später wurde ein Knochenödem im rechten Hinterbein diagnostiziert. Damit war Totilas Karriereende besiegelt.
Totilas in der Zucht
Totilas kann auf eine ganze Reihe hochklassiger Nachkommen verweisen, darunter einige gekörte Hengste, die selbst auch erfolgreich im Sport laufen. Zu den bekanntesten zählen die Glock-Hengste Toto Jr, Total U.S. und Trafalgar, sowie Total Hope, Top Gear, Governor und viele mehr.
„Als die ersten Fohle kamen, haben die Leute gesagt, dass sie keine besondere Bewegungsqualität haben. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass seine Nachzucht unter den Sattel einen außergewöhnlichen Arbeitseifer mitbringt. Die wollen arbeiten und trainiert werden“, sagte Rath gegenüber eurodressage. „Fast alle haben diese Power und seine positive Einstellung, sie alle wollen lernen. Charakter ist viel wert, vor allem, wenn man Grand Prix reiten will“, so Rath.
Zu seinen Hochzeiten kostete Totilas‘ Samen rekordverdächtige 8000 Euro. Als die sportlichen Erfolge ausblieben, wurde die Decktaxe nach und nach auf 2800 Euro reduziert. Nach dem Tod des Hengstes könnte dieser Preis nun wieder deutlich in die Höhe schnellen. Auf der Facebook-Seite seiner Deckstation schrieb Paul Schockemöhle: "Ich hätte noch so gerne weiter mit ihm gezüchtet. Seine Nachkommen haben sich inzwischen im internationalen Grand Prix Sport besonders hervorgetan - Totilas lebt in ihnen weiter.“