Interview

"Mut gehört zum Job dazu"

Ein Artikel von Redaktion | 20.09.2024 - 12:04
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Thomas Lang gehört international zu den Top-Richtern, er gilt als streng aber fair. © holcbecher.com

Herr Lang, worum geht es bei Ihrer Tätigkeit im Richterausschuss?

Grundsätzlich geht es uns darum, dass man die Richterei in den verschiedenen Sparten – im Richterausschuss sind ja alle Sparten vertreten – modern am Leben hält und in die neue Zeit führt. Vordergründig soll das Pferdewohl noch mehr in den Fokus gerückt und vermehrt auf technisch schönes, feines Reiten geachtet werden. Das wird in nächster Zeit die Hauptaufgabe sein.

Wie wird man überhaupt Richter?

Wenn man sich entscheidet, dass man gerne richten möchte, und einen gewissen Grad an Eigenleistung erreicht hat – also zumindest LP oder M –, wendet man sich an seinen Landesfachverband. Nachdem dort die Leistungen und Erfolge des Antragstellers überprüft wurden und alles passt, befasst sich der Richterausschuss mit dem Ansuchen und, sofern nichts dagegenspricht, werden die Kandidaten zu einer Eignungsprüfung eingeladen. Hier geht es darum herauszufinden, wieviel Basiswissen zur ÖTO, zur Reitlehre, vorhanden ist. Nach einem Grundkurs müssen die Aspiranten, angelehnt an das internationale System, dann beisitzen, auch einmal schattenrichten. Und dann geht es zur ersten Richterprüfung. Ist die bestanden, kann man zunächst in den Klassen A bis L richten, und dann gibt es einen Stufenplan für die nächsten Klassen – immer auch abhängig davon, was man selbst geritten ist.

Haben wir denn genügend Richter:innen in Österreich?

Natürlich könnten es immer mehr sein, aber es ist ja auch nicht ganz so einfach. Es gibt viele, die es gerne machen möchten, die aber selbst noch aktiv reiten oder die selbst als Trainer aktiv sind. Für diese Fälle gibt es – gottseidank – sehr genaue Befangenheitsbestimmungen, womit viele Turniere für Trainer ausgeschlossen sind, weil beispielsweise eigene Schüler dort reiten. Wo wir immer zusätzlichen Bedarf hätten, ist in Richtung Grand Prix. Dafür sollten die Leute aber auch schon zumindest auf diesem Niveau geritten sein, und das schränkt die Auswahl in einem kleinen Land wie Österreich schon wesentlich ein.

Was hat Sie dazu veranlasst, die Richterlaufbahn einzuschlagen?

Das war eigentlich eine ganz lustige Geschichte. Als ich selbst noch Turnier geritten bin, waren noch viele dieser alten Herren als Richter tätig, und – ich sage es einmal vorsichtig – wir hatten nicht immer Freude mit den Benotungen. Zu dieser Zeit war Alfred Knopfhart Richterreferent. Er hat damals für erfolgreiche Grand-Prix-Reiter einen Fast Track (für eine schnelle Richterausbildung, Red.) eingeführt und irgendwann ein paar von uns Grand-Prix-Reitern durchtelefoniert und uns gefragt, ob wir dieses Angebot nutzen möchten. In diesem Moment haben wir festgestellt, dass wir nicht nur auf die Bewertungen schimpfen können, die wir bekommen, wir müssen auch zeigen, dass es besser geht. So bin ich zum Richten gekommen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in Ihrer Arbeit?

Dass man jeden Tag in jedem Bewerb jeden Reiter behandeln muss und natürlich auch, dass man Trends vorgibt. Dessen muss man sich schon bewusst sein. Zum Glück geht es momentan im Richten wieder dorthin, dass man sich auf schönes, feines Reiten fokussiert anstelle von Spektakulärem, Künstlichem. Und dann ist aktuell natürlich die Welfare- Diskussion eine ganz große Herausforderung. Da wird es nicht leicht sein, Einigkeit unter allen Richterkollegen zu finden. Ist das jetzt ein bisschen ein offenes Maul oder ist das Maul so weit geöffnet, dass man die Zuschauer auf der anderen Seite deutlich sehen kann? Ein leicht geöffnetes Maul zwischendurch ist noch keine Tierquälerei. Aber es gibt heute viele, die am Viereckrand stehen und das sofort monieren und den Reiter deshalb gleich in eine Schublade stecken. Doch so einfach ist die Geschichte nicht. Im Grunde muss man immer zuerst auf das Gesamtbild schauen und dann auf die Details. Und dann erfolgt die Einschätzung, wie es zu diesem offenen Maul kommt, und die entsprechende Benotung. Dressurrichter haben im Moment keinen leichten Stand.

Zum Glück geht es momentan im Richten wieder dorthin, dass man sich auf schönes, feines Reiten fokussiert anstelle von Spektakulärem, Künstlichem.


Thomas Lang, Dressurrichter

Braucht man für dieses Amt ein besonders dickes Fell?

Also wenn ein Shitstorm über einen hereinbricht, dann ist natürlich keiner wirklich glücklich. Was ich schon glaube, und was ich auch national wie international immer wieder gesagt habe ist, dass wir uns viel zu lange Zeit gelassen haben unseren Sport in der Öffentlichkeit zu erklären und zu verkaufen. Wenn wir jetzt mit Tierschützern konfrontiert sind, denen schon die Tatsache, dass da einer aufs Pferd steigt, als Tierquälerei gilt, dann ist es natürlich schwierig. Aktuell sind wir in der Situation, dass wir immer nur reagieren anstatt transportieren zu können, dass das ein wunderschöner Sport ist. Und wenn der Reiter einmal die Beine mehr zumacht, ist das keine Tierquälerei, denn da muss man sich nur einmal ansehen, wie die Pferde miteinander umgehen. Es ist nicht alles an Hilfengebung und Korrektur gleichbedeutend mit bereits beginnender Tierquälerei. Aber das haben wir im Detail auch nie genug nach außen kommuniziert, dass es dafür ein größeres und breiteres Bewusstsein gäbe.

Wie geht die Richterschaft mit Kritik um? Ist das Thema, wenn man gemeinsam bei einem Turnier richtet?

Ganz viel, natürlich. Auf den großen, internationalen Turnieren ist jetzt der Aspekt des schlechten Reitens nicht so ein großes Thema, aber für die nationalen Richter sehr wohl, weil es hier schon vorkommen kann, dass man einen Reiter abläuten müsste, weil die Darbietung so gegen das Pferd ist, dass das Ganze nicht den Sinn und Zweck erfüllt. Für die Reiter ist das natürlich ein schmerzhafter Lernprozess, denn sie machen das ja nicht absichtlich. Keiner reitet absichtlich schlecht. Kein Mensch kann absichtlich nicht sitzen und hängt deshalb seinem Pferd im Maul. Dennoch ist es die Aufgabe für die Richter, hier zu reagieren. Das mündet dann natürlich in vielen Beschwerden. Erst kürzlich wurde ein Pferd abgeläutet, das taktunrein war. Vom Reiter kam der erboste Kommentar, dass man sowas nicht tut. Da wurde dann argumentiert, dass der Tierarzt bei diesem Pferd nichts gefunden habe. Das ist zwar an sich schön, aber für die Ursache des Abläutens spielt das keine Rolle, denn wir müssen für das Pferdewohl entscheiden und nicht unterscheiden – nachdem wir ja keine Tierärzte sind – was die Ursache ist. Ein lahmes Pferd sollte auf einem Turnier gar nicht vorgestellt werden.

Ist das Abläuten denn tatsächlich eine gängige Praxis?

International wird das wirklich rigoros umgesetzt, national beginnen wir jetzt damit konsequenter zu sein, weil es einfach eine Notwendigkeit ist.

Dieser Schritt erfordert sicherlich auch ein gewisses Maß an Mut vom Richter …

Ja, aber das gehört zu dem Job schlicht dazu.