Olympia 2024

Michael Jung zum dritten Mal Olympiasieger, Ambros denkt jetzt schon an Los Angeles

Ein Artikel von Ernst Kopica | 29.07.2024 - 16:59
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Harald Ambros und Vitorio du Motnet vor vollem Haus © holcbecher.com

Leider lief es für Ambros beim Springen im Parcours nicht mehr ganz so gut wie am Sonntag im Gelände des Versailler Schlossparks. Bis zu Sprung 10 sah dabei alles noch easy aus, aber ausgerechnet das kleine Gatter wurde ihm – so wie etlichen anderen Paaren auch – zum Verhängnis: Vitorio du Montet touchierte die Stange zu stark – 4 Fehlerpunkte! In Folge kamen noch ein Fehler beim Einsprung in die Zweierkombination knapp vor Ende der Prüfung sowie zwei Punkte aus der Zeitüberschreitung hinzu. Das war dann leider der letzte Auftritt des Routiniers in Paris. „Ich hätte Null bleiben müssen, dann hätte ich mein großes Ziel erreicht, auch im Finale der besten 25 antreten zu dürfen.“ So wurde es am Ende Platz 34. Aber wie schwer die Quali-Runde war, zeigen nur 7 fehlerfreie Umläufe, auch große Namen wie Michael Jung (ein Abwurf) oder Nicolas Touzaint (zwei Abwürfe) mussten dies zur Kenntnis nehmen.
 

Ein Kurs mit Tücken

Dennoch war es ein ordentliches Abschneiden, des 44-jährigen Oberösterreichers, der erst im allerletzten Moment auf den Olympiazug aufgesprungen war. „Natürlich habe ich mir heute mehr erwartet. Normalerweise war ich im Springen immer Null mit ihm. Es ist das erste Mal, dass wir zwei Fehler hatten. Aber insgesamt bin ich doch zufrieden - nach dem Gelände gestern, das war richtig strapaziös. Der Parcours war technisch schwierig gebaut, wie man auch an den vielen Fehlern sieht, die hier passieren. Dennoch in Summe kann ich eigentlich nur zufrieden sein. Bis Sprung Nummer 10 bin ich Null gewesen und dann hat vielleicht ein bisschen die Konzentration nachgelassen, aber er ist trotzdem sensationell gesprungen.“
 

"Die schönsten Spiele"

Dennoch spürte man Haralds Enttäuschung im ersten Interview kurz nach seinem Ritt: „Es ist eigentlich alles ziemlich gut gelungen, aber es ist überall noch ein bisschen mehr drin. Das lässt für die Zukunft hoffen, aber in Summe bin ich sehr zufrieden für die kurze Zeit, in der ich ihn reite und für das Umfeld hier unter so schweren Bedingungen.“ Sein bestes Ergebnis hatte Ambros in Athen 2004 erzielt, als er 19. werden konnte. „Athen war natürlich das beste Ergebnis, aber von der Atmosphäre finde ich schon, dass es hier mit Abstand die schönsten Spiele waren.“

Ein Wort noch zum Betreuerteam von Harald Ambros, der natürlich von seiner Frau Susanne und Teamchef Thomas Tesch Unterstützung vor Ort erhält: „Andreas Ostholt ist für das österreichische Team zuständig. Er hat mir sehr gut geholfen. Und Herwig Radnetter unterstützt mich in der Dressur zu Hause und Johann Gasperl im Springen.“

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Olympic Games © holcbecher.com

Blick auf LA28

Apropos Athen und Betreuerteam. Vici Max-Theurer, die ebenso wie ihr Landsmann 2004 zum ersten Mal olympische Luft schnuppern durfte, unterstützte das rot-weiß-rote Vielseitigkeitsteam am Absattelplatz. Allerdings ging der Kübel Wasser zur Abkühlung des Pferdes auf den Jockey, was angesichts der mittlerweile hochsommerlichen Temperaturen kein Problem darstellte.

Hungrig nach Erfolgen ist der Fixstern der österreichischen Vielseitigkeit aber weiterhin: „Ich mache das mittlerweile international seit 25 Jahren und habe immer noch Freude und Spaß dabei.“ Der Blick geht bei Ambros nach Athen, Peking, London und Paris schon Richtung Los Angeles: „Wir hatten als Team schon auf dem Weg Richtung Paris viel Pech, ich konnte mich glücklicherweise im letzten Moment noch qualifizieren. In Richtung Olympische Spiele Los Angeles bin ich vorsichtig positiv!“  

Großbritannien holt Mannschaftsgold

Die Mannschaftsentscheidung am Vormittag brachte ganz vorne keine großen Revolutionen mehr und die Goldmedaille von Großbritannien (Rosalind Canter/Lordships Graffalo, Tom McEwen/JL Dublin, Laura Collett/London 52) sowie Silber von Frankreich (Nicolas Touzaint/Diabolo Menthe, Karim Langhouag/Triton Fontain, Stephane Landois/Chaman Dumontceau) durften erwartet werden. Aber durch das Olympiaformat, bei dem es keine Streichresultate gibt, fielen nach Ausfällen einzelner Teamreiter Medaillenanwärter wie Deutschland, Australien und Neuseeland weit zurück, sodass sich eine ganz starke japanische Equipe Bronze sichern konnte. Aber auch die Platzierungen von Belgien und der Schweiz (wo sich die Arbeit von Andrew Nicholson deutlich bemerkbar machte) auf den Plätzen können sich sehen lassen.

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Michael Jung kürste sich auf Chipmunk FRH zum dritten Mal zum Einzel-Olympiasieger - das ist Rekord! © FEI/Benjamin Clark

Michael Jung schreibt Geschichte

Einen Krimi gab es in der Einzelwertung: Nachdem sich der Schwabe Michael Jung mit einem Bilderbuchritt auf Chipmunk FRH im Gelände knapp an die Spitze des Klassements gesetzt hatte, ließ er sich am Finaltag trotz eines Abwurfes im ersten Umlauf nicht mehr die Butter vom Brot nehmen. Auch die Australier durften nach dem Pech in der Teamkonkurrenz mit Christopher Burtons Silbermedaille doch noch über Edelmetall jubeln. Der Vorsprung des Deutschen betrug dabei gerade einmal 0,60 Punkte! Dritte wurde die Engländerin Laura Collett, die in der Dressur einen neuen olympischen Punkterekord aufgestellt hatte.

Alle Ergebnisse im Detail gibt es hier.  

Blog: Olympiageflüster aus Versailles (4)

Auch wenn die Zuschauertribünen am ersten Tag der Vielseitigkeitsdressur nicht gerade brechend voll waren, die Reitsportbewerbe in Versailles sind schon seit langer Zeit restlos ausverkauft. Man muss schon glücklich sein, wenn man jetzt noch über das offizielle Resale-Portal zu Restkarten kommt, auf dem Schwarzmarkt tut man sich in Paris sowieso schwer. Verantwortlich dafür ist ein neues Ticketing-System, das den Erwerb einer Karte nur über eine aufs Handy geladene App erlaubt. Auch wenn diese Vorgangsweise in der heutigen Zeit bei Großkonzerten üblich ist, für viele Besucher erwies sie sich doch als gewöhnungsbedürftig. „Was passiert wenn der Akku meines Handys leer ist?“ war die häufigste Frage in den sozialen Medien. Da hatten aber die Organisatoren mit ausreichend Ladestationen bei den Eingangsbereichen vorgesorgt.

Hatte man das Glück Plätze zu ergattern, hieß es recht tief in die Tasche zu greifen. 420 Euro kosten die Tickets für die guten Kategorien, für die wenigen billigen Plätze muss man für das Springfinale 100 Euro hinlegen. In der Dressur sollte man sich in diesem Fall unbedingt ein Fernglas mitnehmen, zumal man da doch ziemlich hoch am Juche sitzt. Aber das Aachener Dressurstadion bei der WM in zwei Jahren wird vermutlich auch nicht mehr Einblicke auf die Pferdebeine erlauben.

Da das Stadion an einem Platz errichtet wurde, der üblicherweise von den Besuchern nicht frequentiert wird, stellte die An- und Abreise eine Herausforderung für die Organisatoren dar. Drei Vorortezüge mit unterschiedlichen Haltestellen in Versailles bringen die Besucher aus Paris in die Nähe des Schlosses, von dort gibt es dann gratis Shuttle-Busse.

Fast unvermeidbar sind natürlich die Warteschlangen an den Imbiss- und Getränkeständen, wobei  Qualität und Preise durchaus in Ordnung sind. Eine Quiche Lorraine um 9 Euro oder ein Burger um 12 Euro, das geht. Da hatte ich vor Jahren beim Turnier in Genf schon mehr als das doppelte hingelegt. Nur Biertrinker müssen sich in Enthaltsamkeit üben, nur alkoholfreie Getränke kommen zur Ausschank! Wäre spannend zu wissen, ob das auch für die sogenannte „Olympic Family“ im Hospitality-Bereich gilt, für einen Eintritt dort reicht meine Akkreditierung leider nicht aus.

Derlei Einschränkungen ändern allerdings nichts an der positiven Stimmung, die bei Olympischen Spielen herrschen. Das Schlagwort Völkerverständigung durch den Sport hat hier durchaus seine Berechtigung, wenngleich die politischen Akteure diesen Gedanken oftmals sabotieren Aber die ausgelassene Stimmung, die ich gestern beim Eiffelturm erfhren durfte, als nebenan die Beachvolleyballspiele ausgetragen wurden, erlebt man in dieser Intensität bei Sportveranstaltungen nur selten.

Ernst Kopica