13868804050445.jpg

Wegwerfprodukt: Viele rumänische Arbeitspferde werden bis zur völligen Erschöpfung geschunden und sterbend zurückgelassen. © Equiwent

Rumäniens Pferdehölle

Ein Artikel von Pamela Sladky | 12.12.2013 - 19:50
13868804050445.jpg

Wegwerfprodukt: Viele rumänische Arbeitspferde werden bis zur völligen Erschöpfung geschunden und sterbend zurückgelassen. © Equiwent

Bis auf die Knochen abgemagert ziehen sie Karren, pflügen Äcker oder schleppen Lasten, meist mit schmerzhaft unpassender Ausrüstung ausgestattet und oft bis zur völligen Erschöpfung. Wer nicht mehr kann, dem wird nicht selten ein Ohr abgetrennt, ein Zahn ausgeschlagen oder anderweitig Schmerz zugefügt. Durch das dabei freigesetzte Adrenalin läuft das Pferd noch ein Stückchen weiter. So weit, bis es irgendwann tot auf der Straße oder auf dem Feld zusammenbricht. Dort bleibt es liegen und dient dem nächsten vorbeiziehenden Rudel streunender Hunde als Nahrungsquelle. Verwesende Pferdekörper am Straßenrand gehören zum Alltag.

Das unfassbare Tierleid der Region ist in der großen Armut der Bevölkerung begründet. Ostrumänien gilt als das Armenhaus Europas. Wo es am Nötigsten für die Menschen fehlt, ist kein Platz für Tierliebe. Im Gegensatz zur ähnlich mittellosen Mongolei, wo Pferde geschätzt, ja sogar als heilig verehrt werden, zählen die Tiere in Rumänien weniger als nichts. Wenn das alte Pferd nicht mehr kann, fängt man sich einfach ein neues. Auswahl gibt es reichlich, tausende Pferde leben wild in der Region und scheinen nur darauf zu warten, eingefangen zu werden, um das Feld zu pflügen oder einen Karren zu ziehen.

Besonders schlimm sind die Verhältnisse für die Pferde im Nordosten des Landes. Viele Menschen haben hier ein gravierend gestörtes Verhältnis zu Tieren. Aktive Quälerei, mutwillige Verstümmelungen stehen auf der Tagesordnung: „Abgeschnittene Geschlechtsteile, halbierte Zungen, ausgestochene Augen - aus Langeweile am eigenen Pferd, oder bei anderen, wenn's Streit mit den Nachbarn gab" - die Auswirkungen dererlei Greueltaten hat Markus Raabe, Begründer der deutschen Pferde-Hilfsorganisation Equiwent in den vergangenen Jahren zu Hauf gesehen. "Es fällt mir teilweise immer schwerer fremde Kulturen zu tolerieren", gesteht der Tierschützer und gelernte Hufschmied.

Große Unwissenheit

13868804199832.jpg

Freude am Quälen: Augen entfernt, Zähne ausgeschlagen und an den Genitalien verstümmelt - je scheußlicher die Greueltaten, desto größer der Spaß. © Equiwent

Seit 2008 hat es sich die deutsche Hilfsorganisation Equiwent zur Aufgabe gemacht, die Situation der Arbeitspferde in Rumänien zu verbessern. In einer eigenen Tierarztpraxis vor Ort werden täglich unzählige Pferde kostenlos medizinisch und orthopädisch versorgt. Besonders die Beschläge der Tiere stellen ein großes Problem dar. Nicht selten sterben Pferde an den Folgen unsachgemäßer „Beschlagsarbeit“.

Ein regelmäßiger professioneller Beschlag durch das Equiwent-Team und die Versorgung mit neuen Ausrüstungsgegenständen haben aber ihren Preis: Nur wer sein Pferd gut versorgt, es anständig füttert und ohne Misshandlungsspuren vorführt, darf sich Hoffnungen auf die begehrten Extras machen. Mit diesem Belohnungssystem will man nach und nach die Einstellung der Menschen gegenüber ihren Pferden verändern. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Menschen ungemein dankbar für unsere Hilfe sind. Viele von ihnen wissen es nicht besser, sie haben nie einen anderen Umgang mit Pferden gelernt. Wenn man auf sie zugeht und ihnen einen besseren Weg zeigt, bringt das viel mehr, als sie als Tierquäler abzustempeln und zu beschimpfen“, spricht Markus Raabe, der heuer mit dem Deutschen Tierschutzpreis für sein Engagement rund um die rumänischen Arbeitspferde ausgezeichnet wurde, über seine Erfahrungen. Der Großteil sei sich gar nicht bewusst, dass es nicht in Ordnung sei, sein Pferd zu verstümmeln oder zu misshandeln. Das habe man schon immer so gemacht, es sei quasi Tradition. Auch über die die essenziellen Grundbedürfnisse der Tiere herrscht große Unkenntnis. Viele seien überrascht über die Information, dass ihre Pferde viel besser arbeiten, wenn sie Futter und Wasser bekommen und dankbar für den Hinweis.

Hilfe, die ankommt

13868804160275.jpg

Unpassende Ausrüstungsgegenstände, oft bereits tief ins Fleisch eingewachsen, sind Auslöser großen Tierleids. © Equiwent

Die Mitarbeiter von Equiwent arbeiten unentgeltlich und ehrenamtlich. Spendengelder gehen direkt in das betroffene Gebiet und kommen zur Gänze dem Projekt „Pferdehilfe-Rumänien“ zugute. Auch Sachspenden in Form von Halftern, Gebissen, Pferdedecken (Winterdecken, Sommerdecken, Thermodecken, Regendecken, Fliegendecken) in allen Größen sowie Medikamente und Wurmkuren sind willkommen und werden gerne angenommen – vorausgesetzt, sie sind nicht beschädigt und noch uneingeschränkt nutzbar. Ausrüstungsgegenstände, die nicht in Rumänien verwendet werden können, wie beispielsweise Sättel, Schabracken, Warmbluttrensen, Reitkleidung oder große Decken für Warmblüter etc., werden in einem eigenen Charité-Shop verkauft. Der dabei erzielte Erlös fließt ebenfalls zu 100 % in das Projekt. Besonders willkommen sind Fördermitglieder, die den Verein monatlich mit einem Betrag ab 10 Euro aufwärts unterstützen.

Weitere Informationen über die Arbeit von Equiwent und nähere Details zu den Spendemöglichkeiten finden Sie auf der Vereinsseite und auf Facebook.

13868804085141.jpg

So soll es aussehen: Gesundes Pferd, stolzer Besitzer. Wer sein Pferd gut behandelt und ordentlich versorgt, wird von Equiwent mit kostenlosem Hufbeschlag und begehrten Ausrüstungsgegenständen à la Halfter, Strick und Decke belohnt. © Equiwent