Interview

Causa Dujardin: „Eine Hippologische Bankrotterklärung"

Ein Artikel von Redaktion | 25.07.2024 - 19:23
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© Quelle: YouTube

Herr Prof. Stodulka, wie beurteilen Sie das, was im Video zu sehen ist?

Aus tierschutzrechtlicher und psychologischer Sicht ist das eine hippologische Bankrotterklärung. Es ist hochgradig tierschutzrelevant und aus fachlich-hippologisch-forensischer Sicht natürlich ein Desaster. Da braucht man nichts schönreden, das ist einfach eine Katastrophe. Nach österreichischem Recht ist das meinem Dafürhalten nach ein massiver Verstoß gegen das Tierschutzgesetz i.S § 5 TschG und sogar ein Verstoß gegen das Strafgesetz. In Österreich kann nach § 222 StGB bei roher Misshandlung oder dem Zufügen unnötiger Qualen eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahre verhängt werden. Im gegenständlichen Fall ist aus fachlicher Sicht weder der vernünftige Grund noch die Sinnhaftigkeit der Vorgehensweise schlüssig nachvollziehbar!

 
Halten Sie das, was hier in diesem einminütigen Film zu sehen ist für eine unglückliche Momentaufnahme? Oder hat dieses "Training" System?

Wenn man die Körperhaltung der Protagonistin beobachtet, so wie sie lässig nebenhergeht, scheint es kein unglücklicher Moment zu sein, vielmehr eine bewusste Trainingstechnik. So etwas passiert im Normalfall nicht nur einmal und wird ausgerechnet dann zufällig gefilmt. Fredy Knie hat einmal gesagt: Auch eine Korrektur muss immer zum Ansehen sein und für das Pferd verständlich. Das kann man hier nicht behaupten. Man kann einmal durchbrennen oder fester zulangen, wenn Gefahr in Verzug ist- aber auch nur dann, wenn es um Leib und Leben geht! Aber im vorliegenden Video ist weder das eine noch das andere der Fall.

 
Was will Dujardin mit ihrem Vorgehen überhaupt erreichen?

Man kann es nur ahnen, was dabei rauskommen soll. Möglicherweise wollte sie das Pferd aufheizen und aus der Reserve locken, um irgendwelche Pseudo-Piaffen oder andere versammelte Übungen zu erzielen. Natürlich kann so nie echte Versammlung entstehen, wenn sich ein Pferd derart im Angstmodus befindet. Solche Bilder sind, was den Sport anbelangt, natürlich alles andere als zuträglich. Noch dazu in einer Zeit, in der es ohnedies schon massiv Probleme gibt mit dem Tierschutz. Das ist Wasser auf die Mühlen jener Menschen, die das Reiten abschaffen möchten. Und da geht es nicht um die einzelnen Proponenten, sondern vielmehr darum, dass der gesamte Reitsport in massiven Misskredit gebracht wird. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, diese Dinge anzusprechen. Die Sache auszusitzen und unter den Tisch zu kehren, bringt uns nicht weiter. Das Problem ist ja nicht nur alleine dieses Video, sondern vielmehr die grundlegende Haltung dieser Dame dem Pferd gegenüber, die offenbar weit verbreitet zu sein scheint, denkt man an die letzten publizierten Vorkommnisse von Dr. Parra.

Lernt das Pferd bei einem derartigen Training irgendetwas?

Nein. Das, was man hier sieht, hat ja mit Touchieren nichts zu tun. Touchieren bedeutet Berühren! Das ist kein gezieltes Berühren einzelner Beine, sondern ein wahlloses, grobmotorisches Draufdreschen auf ein Pferd, von allen Seiten, auch noch mit beiden Händen die Peitsche haltend. Das Pferd versteht gar nicht, was es überhaupt tun soll, und versucht deshalb zu flüchten, während der Reiter im Sattel gegenhält und es daran hindert. Resümierend kann man aus sachverständiger Sicht sagen, dass dies eine tierquälerische Trainingsmethode ist, welche auf das Erreichen einer Learned Helplessness abzielt, anstatt dem Pferd verständlich nach den klassischen Grundprinzipien den Weg zu Hankenbeugung und Versammlung zu zeigen.
 

Was bedeutet so eine Situation für das Pferd?

Das Pferd hat Stress und zeigt deutliches Unbehagen. Es erfüllt sämtliche Punkte der Ridden Horse Pain Scale nach Dyson. Man darf in solchen Situationen nicht nur das Körperliche sehen, sondern muss auch die psychische Komponente für ein Fluchttier wie das Pferd berücksichtigen. Aus Sicht des hippologisch-forensischen Sachverständigen wird dem Pferd bewusst Leiden und Qualen zugefügt, da sich die Sequenzen über längere Zeit wiederholen (20 Peitschenhiebe in knapp einer Minute) und nicht ein einmaliges „Korrigieren“ mit der Bahnpeitsche zu sehen ist, um ein wie auch immer definiertes Ziel zu erreichen. Dem Pferd werden offenkundig Leistungen abverlangt, die es im Moment (noch) nicht bereit ist zu leisten, und es wird auch in schwere Angst versetzt was beides lt. Österreichischer Rechtsnorm auch einen Tatbestand der Tierquälerei nach § 5 TschG (1) und Z 9 erfüllt.


Was sollten aus Ihrer Sicht die Konsequenzen aus diesem Vorfall sein?

Wenn soetwas goutiert, kleingeredet und nicht entsprechend auch strafrechtlich und verbandsmäßig geahndet wird, kommt es dazu, dass solche Fälle zur Normalität werden. Leider lassen das sukkzessive aufpoppen derartiger Filmdokumente aus unterscheidlichen Orten und Zeitpunkten den Verdacht aufkommen, dass diverse tierschutzrelevante Trainingspraktiken in gewissen Verkehrskreisen leider keine Momentaufnahmen eines Einzelfalles darstellen, sondern vielmehr den „Trainingsalltag“ in vielen Betrieben widerspiegeln. Und in dem Moment, wo das passiert, ist das der Anfang vom Ende und man hat keine Möglichkeit mehr großartig gegenzusteuern. Ich sehe diese Situation relativ pragmatisch und auch zum Schutz unseres Pferdesports: Wenn wir weiterhin reiten wollen, muss man in Fällen wie diesen rigoros durchgreifen und mit entsprechenden Strafen reagieren. Das ist aus meiner Sicht hochnotwendig und keine Gustofrage. Sonst werden wir Pferde über kurz oder lang wirklich nur noch im Zoo anschauen können. Denken Sie immer daran: „Richtiges reiten ist angewandter Tierschutz“!

Das besprochene Video können Sie hier sehen.

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© Mag. Saskia Stodulka-Prethaler

Zur Person

Dr. Robert Stodulka ist Tierarzt für allgemeine und komplementäre Veterinärmedizin, Fachtierarzt für Physiotherapie und Rehabilitationsmedizin, sowie allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger.

Seine Liebe gilt den spanischen Pferden und der feinen, auf Leichtigkeit beruhenden klassischen Lehre. Als langjährig in der Ausbildung von Pferden in der hohen Schule tätiger Ausbilder und Fachtierarzt entwickelte er sein geschütztes System der Medizinischen Reitlehre nach Dr. Stodulka®.

Weitere Infos unter: www.pferdepraxis.co.at