Jährlich kommen drei bis fünf Prozent Fohlen zur Welt, die unter dem sogenannten neonatalen Fehlanpassungssyndrom (NFS) leiden. Betroffene Tiere wirken benommen, haben Schwierigkeiten aufzustehen und zeigen keinerlei Interesse an der Mutter bzw. an ihrem Euter - ein lebensbedrohlicher Zustand. Lange Zeit ging man davon aus, dass die Ursache für diese Störung in einer Unterversorgung mit Sauerstoff während des Geburtsvorganges begründet liegt. Inzwischen weiß man, dass eine Gruppe neuroaktiver Hormone für das ungewöhnliche Verhalten dieser Fohlen verantwortlich ist.
Besagte Hormone werden während der Trächtigkeit von allen Fohlen produziert. Sie wirken wie ein Beruhigungsmittel und sorgen dafür, dass sich der Nachwuchs im Uterus ruhig verhält und die Gesundheit der Stute nicht gefährdet.
Mit dem Einsetzen der Wehen wird das Fohlen im Geburtskanal für 20 bis 40 Minuten einem starken Druck ausgesetzt. Der US-amerikanische Veterinär Dr. John Madigan fand heraus, dass bei diesem Prozess eine Art biomechanischer Schalter im Gehirn des Fohlens umgelegt wird, der die Produktion des sedierenden Hormons einstellt. Der Botenstoff baut sich danach rasch ab, wodurch es dem Neugeborenen möglich ist bereits wenige Minuten nach der Geburt aufzustehen und am Euter seiner Mutter zu saugen.
Läuft eine Geburt sehr rasch ab, bleibt der beschriebene Prozess manchmal aus. Das Gehirn des Fohlens produziert weiterhin die beruhigenden Neurosteroide, das Ergebnis ist ein sogenanntes „Dummy-Fohlen“, das kaum auf seine Umwelt reagiert und alleine nicht lebensfähig ist. Dieser Zustand hält in der Regel zwischen sieben und zehn Tage an, bis sich die Fohlen nach und nach anpassen und normales Verhalten zeigen. In dieser Zeit müssen die Jungtiere rund um die Uhr vom Menschen versorgt und mit der Flasche gefüttert werden um eine Chance auf ein Überleben zu haben.
Im Zuge seiner Forschungen entwickelte Dr. John Madigan eine Methode, die den Geburtsvorgang für Dummy-Fohlen simuliert. Der Brustkorb des betroffenen Tiers wird mit einem weichen Seil mehrfach eng umschlungen und mit einer speziellen Kontentechnik vertäut. Im Anschluss wird diese Fesselung unter Zug gesetzt um Druck auf den Fohlenleib auszuüben. Die Wirkung auf das Tier setzt bereits nach wenigen Momenten ein. Das Fohlen legt sich hin und fällt in eine Art Schlaf. Nach etwa 20 Minuten wird der Druck stetig gelöst und das Fohlen erwacht. Im Großteil der Fälle verhalten sich die Fohlen danach wie Neugeborene, stehen auf und beginnen bei der Mutter zu trinken.
Eine kürzlich durchgeführte Studie von Madigan und seinen Kollegen an der Universität in Davis, Kalifornien, ergab, dass sich „gewickelte“ Fohlen schneller vom Fehlanpassungssyndrom erholten als andere. So zeigten nach Madigans Protokoll behandelte Tiere eine 15,1 Mal höhere Wahrscheinlichkeit, dass sich ihr Zustand in weniger als einer Stunde normalisierte als unbehandelte. Auch der Vergleich zwischen medikamentöser Behandlung und Wickeltechnik fiel zugunsten letzterer aus. Bei Fohlen, die nur gewickelt wurden, stieg die Chance, sich innerhalb der ersten 24 Stunden zu erholen um das 17,5-fache verglichen mit Fohlen, die ausschließlich medikamentös behandelt wurden, an.
Für die Forscher rund um John Madigan ist die Foal Squeeze Procedure ein wesentlicher Fortschritt in der Behandlung von NFS. Sie könne nicht nur die sehr kosten- und zeitintensiven Betreuung des Neugeborenen ersparen, heißt es in der jüngst veröffentlichen Arbeit. Auch Euthanasien, die aus Mangel an finanziellen und personellen Mitteln durchgeführt werden müssten, ließen sich mithilfe der für geschulte Veterinäre problemlos durchführbare Wickeltechnik einfach abwenden.
Quelle
ps