Ausbildung

Keine Angst: Wie Pferde die Furcht vor der Schreckensecke verlieren

Ein Artikel von Pamela Sladky | 05.06.2018 - 09:48
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Das korrekte Eckenreiten ist eine Herausforderung für sich - das gilt umso mehr, wenn das Pferd im Winkel ein Monster wähnt. © www.slawik.com

Echte Angst, körperliche Probleme oder nur ein wenig Stallmut? Wenn Pferde die Gruselecken Krankheit packt, kann eines davon die Ursache dafür sein – oder eine Kombination davon. Die breite Auswahl an Möglichkeiten macht es für den Reiter nicht gerade leichter, die richtige Entscheidung zu treffen, wie er mit dem Problem umgehen soll. Doch es gibt eine Faustregel, die zumindest ein wenig bei der Einschätzung  helfen sollte:

Echte Angst zeigt sich meist in einer bestimmten Ecke. Gibt  es Schwierigkeiten in mehreren oder gar allen Ecken, steckt in der Regel ein körperliches Problem dahinter. Sei es, weil der Ausbildungsstand nicht zur vom Reiter geforderten Ausführung passt, weil das Pferd nicht gelöst genug ist oder aber weil ein gesundheitliches Problem vorliegt.

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Vielen Pferde ist eine bestimmte Ecke auf dem Reitplatz oder in der Reithalle unheimlich. © www.slawik.com

Bei Angst vor oder in einer bestimmten Ecke lässt sich häufig sogar zuordnen, woher der Stress rührt: Vielleicht befindet sich gerade hinter dieser Stelle der Hallenwand ein Wasserhahn oder ein Pferd, das gegen die Wände seiner Box tritt, oder auch nur ein Mäusenest. Ein starker, versierter Reiter kann sein Pferd natürlich durch die angstbesetzte Ecke „drücken“. Eine Methode, die der australische Horseman  und Dressurreiter Tristan Tucker allerdings nur eingeschränkt empfiehlt.  „Das kann in manchen Situationen durchaus zum Erfolg führen, vor allem  bei Pferden, die nur etwas Aufforderung brauchen. Sobald sie ein paar Mal durch die Ecke durch sind, hat sich das Thema erledigt. Bei sensiblen Pferden  hilft mehr Druck hingegen nicht. Damit verstärkt man das Problem eher“, erklärt der Grand-Prix-Reiter, der sein Gelassenheitstraining unter  dem Namen „TRT method“ international zur Marke gemacht hat.

Bei feinnervigen Pferdetypen setzt Tucker auf eine andere Herangehensweise: „Mein Ziel ist, dass die gefürchtete Ecke für das Pferd zum tollsten Platz der Welt wird.“ Im ungeliebten  Winkel wartet deshalb eine Weile lang nur Entspannung und Lob. Alles, was für das Pferd anstrengend ist, findet an anderen Stellen der Halle oder des Reitplatzes statt.  „Ich habe in all den Jahren, die ich so trainiere, noch kein Pferd kennengelernt, das  seine Angst vor der Ecke auf diese Weise nicht verloren hat“, erklärt er. Das Konzept funktioniert also.

Die Regel ist allerdings ein anderes Programm.  Und das heißt Extraarbeit in der Ecke. So soll sich ein Gewöhnungseffekt einstellen und das Pferd seine Angst verlieren. Häufig geht das Intensivtraining mit extra viel Druck einher, immerhin muss man das Pferd ja davon abhalten, sich der unangenehmen  Situation zu entziehen. „Das Ganze bringt zusätzlichen Druck in eine Situation, in der das Pferd ohnehin schon stark unter Stress steht“, meint Tucker. Der  Angsthase hat aus seiner Sicht schließlich gute Gründe für sein Verhalten. Und die sollte man als Reiter nicht leichtfertig abtun. „Ich halte nichts davon, ein Pferd als stur oder unwillig anzusehen, weil es irgendwo nicht gerne hingehen möchte oder  an einem bestimmten Objekt nicht vorbei will. Eine gefürchtete Ecke kann im Pferd das Gefühl einer echten Bedrohung auslösen. Man sollte es nicht bestrafen, nur  weil es auf seine natürlichen Überlebensinstinkte vertraut“, findet der Profi, dem internationale Dressurgrößen wie Beatriz Ferrer-Salat oder Ashley Holzer vertrauen.

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Sensiblen Pferden hilft es, wenn in der gefürchteten Ecke vorerst nur Lob und Entspannung wartet. Anstrengendes findet überall anders auf dem Platz statt. © www.slawik.com

Andere Trainer raten dazu, in besonders schwierigen Fällen erst ’mal aus dem Sattel zu steigen und das Problem vom Boden aus anzugehen. Das hat den Vorteil,  dass der Reiter nicht in Gefahr kommt, sich selbst zu verspannen – aus Angst, das Pferd könnte gleich wieder durchstarten. Unsicherheit im Sattel setzt komplett falsche Signale, denn sie zeigt dem Pferd letztlich, dass seine Furcht berechtigt ist.

Ist keine echte Angst im Spiel und macht sich das Pferd einfach nur nach außen hohl, kann es helfen, bewusst in Außenstellung, idealerweise im Konterschulterherein, durch die Ecke zu reiten. Der Reiter bleibt dabei betont lässig. Weil diese Übung  anstrengend ist, wird die Innenstellung drei Runden später oft schon dankbar angenommen. 

Wichtig beim Training im Schreckeck – egal ob vom Boden aus oder auf dem Pferderücken – ist das optimale Timing der Hilfen. Wenn die treibende Hilfe nicht im richtigen Moment ausgesetzt wird – nämlich in dem Moment, wenn das  Pferd bereit ist, vorwärts zu gehen –, wird der Druck nicht als Aufforderung verstanden,  sondern als Strafe. Und der positive Lerneffekt ist dahin. 

Claudia Götz