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Einmaliges Abhusten beim Pferd: Problem oder Bagatelle?

Ein Artikel von Claudia Götz | 07.11.2024 - 12:05
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Husten ist ernstzunehmen, auch wenn er nur hin und wieder auftritt. Denn egal, warum ein Pferd hustet: In jedem Fall liegt eine Reizung in den Atemwegen vor. © www.Slawik.com

Trotz Offenställen und optimierter Stall-Haltung haben auch heute noch viele Pferde Lungenprobleme – aus sehr unterschiedlichen Gründen. Die Bandbreite von Auslösern und Verstärkern für langjährige Lungenprobleme geht von Infekten über nicht pferdegerechte Nahrung bis zu Übergewicht. Recht häufig hört man folgenden Satz: „Er hustet nur beim ersten Antraben immer mal wieder, hat aber keinen Husten!“ Dass hier kein Problem vorliegt, reden sich Pferdemenschen tatsächlich häufig – gegenseitig – ein. Erlebt man doch bei sich selbst, dass man ebenfalls ab und an husten muss – weil man sich verschluckt hat, weil man auf einem staubigen Feldweg von einem Traktor überholt wurde, oder im Vorbeigehen den Rauch einer Zigarette eingeatmet hat.

Beim Pferd haben die ein, zwei Hustenstöße (siehe Kasten) aber einen anderen Auslöser: Denn die Pferde husten zu Beginn des Reitens einige Male, vornehmlich beim ersten Antraben, da dabei die Atmung vertieft wird. „Diese Symptome werden gerne als ,Anstoßen‘ bagatellisiert. Trotzdem sind sie natürlich wie ein ,richtiger‘ Husten zu bewerten und nicht harmlos“, schreibt Dr. med. vet. Jürgen Bartz in seinem Buch „Hilfe, mein Pferd hustet!“. Aus veterinärmedizinischer Sicht ist Husten ein häufiges Symptom, das auf eine chemische und/oder mechanische Stimulation der Hustenrezeptoren in den Atemwegen zurückzuführen ist. Leider können viele Erkrankungen und Störungen mit Husten einhergehen. Eine gründliche Ursachensuche sowie Diagnostik sind deshalb nötig. „Pferde mit einem gesunden Lungensystem husten selten oder nie“, heißt es in einer im UK Vet Equine veröffentlichten Publikation (tinyurl.com/54ewfmmp). Das Vorhandensein von Husten ist demnach ein guter Indikator für eine Atemwegserkrankung; das Fehlen von Husten oder nur sehr seltenes Husten jedoch kein zuverlässiger Hinweis, dass keine Atemwegserkrankung oder der Entzündung der Atemwege vorliegen.

Der Hustenstoß

Husten ist grundsätzlich ein wichtiger Schutzmechanismus des Körpers: Er befreit auch beim Pferd die Atemwege von Staub, Pollen, reizenden Luftanteilen (z. B. Ammoniak) oder Schleim. Die Luft kann sich bei einem Hustenstoß mit einer Geschwindigkeit von über 150 km/h bewegen. Der Hustenreflex befördert so explosionsartig alles was nicht in die Lunge geraten soll aus dem Atemraum, angefangen beim Kehlkopf. Beim Pferd sind die Hustenrezeptoren am Kehlkopf, am unteren Ende der Luftröhre und an den Verzweigungen der großen Atemwege am zahlreichsten. Die Luftröhre selbst ist beim Pferd relativ unempfindlich.

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Im Herbst ist oft viel Staub in der Luft: das belastet. ©www.Slawik.com

Die Wahrscheinlichkeit für Schlimmeres

Bedenkt man allein die riesige Oberfläche der Atemwege eines erwachsenen Warmbluts – sie entspricht mehr als zwei Reitbahnen mit 20 x 60 m – kann man sich vorstellen, dass eine Suche nach der Ursache für den Husten oft nicht einfach ist. Grundsätzlich unterscheiden Tierärzte zumeist zwei grundlegende Ursachen für Husten: Infektionen (z. B. durch Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten) und Fehler in der Haltung (z. B. Unterbringung, Fütterung, Bewegung). Oft hat oder hatte man aber Faktoren aus beiden Kategorien, wenn ein Pferd ab und an mal hustet.

Ein klassisches Beispiel wäre ein Pferd, das eine Atemwegsinfektion hatte, die nicht gut auskuriert wurde. Man merkt es nicht, eine Weile ist Ruhe, und dann beginnt das ein-, zweimalige Abhusten beim Antraben. Eventuell wurde das Pferd zu früh wieder belastet, oder es hat in der Zeit im Stall gestanden und eine Sekundärinfektion durch Keime im Heu bekommen. Doch das sind bei Weitem noch nicht alle Möglichkeiten.

Deshalb ist es so wichtig, dass sich Pferdebesitzer:innen in dieser Situation erinnern, was die vergangenen Monate war und beobachten, wie sich das Problem genau darstellt: Häufig befindet sich bei Pferden die beim ersten Antraben ein oder zweimal abhusten Schleim in der Lunge beziehungsweise in der Luftröhre. Intensiveres Atmen sowie die vermehrte Bewegung und Muskelspannung durch den Trab fördern den Schleim dann zutage. Zumeist wird man aber nicht sehen, dass Schleim abgehustet wird, denn die Mengen sind vor allem anfangs noch gering und werden von den Pferden in der Regel abgeschluckt. Das ist etwas, was man durchaus erkennen kann, wenn man das Pferd longiert. Ist der Schleim bereits fester oder hat sich eine größere Menge angesammelt, husten die Pferde bei der Arbeit etwas häufiger und oft auch noch im Galopp, sieht man auch mal Schleim aus dem Maul fliegen. Es gibt aber auch Pferde, die ein trockenes, nicht produktives Husten – also ohne dass Schleim sich löst – zeigen. Entweder ist keiner da – und es liegen eher entzündliche Prozesse oder eine Überempfindlichkeit der Atemwege vor –, oder ist schon sehr fest und löst sich durch Husten bereits nicht mehr. Auf der „Suche“ nach Schleim kann helfen, nach der Arbeit etwas Warmes (Mash) vom Boden zu füttern. Das regt vorhandenen Schleim zum Abfließen an. Das Pferd sollte dabei beobachtet werden.

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