Die Ursachen für Untergewicht bei Pferden können vielfältig sein. Ganz individuell für jedes zu dünne Pferd muss man daher auch den Weg (zurück) zum Idealgewicht finden. Mehr lesen ...
Husten ist ernstzunehmen, auch wenn er nur hin und wieder auftritt. Denn egal, warum ein Pferd hustet: In jedem Fall liegt eine Reizung in den Atemwegen vor © www.slawik.com
Trotz Offenställen und optimierter Stall-Haltung haben auch heute noch viele Pferde Atemwegserkrankungen – aus sehr unterschiedlichen Gründen. Die Bandbreite von Auslösern und Verstärkern für langjährige Lungenprobleme geht von Infekten über nicht pferdegerechte Nahrung bis zu Übergewicht. Recht häufig hört man folgenden Satz: „Er hustet nur beim ersten Antraben immer mal wieder, hat aber keinen Husten!“ Dass hier kein Problem vorliegt, reden sich Pferdemenschen tatsächlich häufig – gegenseitig – ein. Erlebt man doch bei sich selbst, dass man ebenfalls ab und zu husten muss – weil man sich verschluckt hat, weil man auf einem staubigen Feldweg von einem Traktor überholt wurde oder im Vorbeigehen den Rauch einer Zigarette eingeatmet hat.
Beim Pferd haben die ein, zwei Hustenstöße aber einen anderen Auslöser: Die Pferde husten zu Beginn des Reitens einige Male, vornehmlich beim ersten Antraben, da dabei die Atmung vertieft wird. „Diese Symptome werden gerne als ,Anstoßen‘ bagatellisiert. Trotzdem sind sie natürlich wie ein ,richtiger‘ Husten zu bewerten und nicht harmlos“, schreibt Dr. med. vet. Jürgen Bartz in seinem Buch „Hilfe, mein Pferd hustet!“.
Physiologie: Der Hustenstoß
Husten ist grundsätzlich ein wichtiger Schutzmechanismus des Körpers: Er befreit auch beim Pferd die Atemwege von Staub, Pollen, reizenden Luftanteilen (z. B. Ammoniak) oder Schleim. Die Luft kann sich bei einem Hustenstoß mit einer Geschwindigkeit von über 150 km/h bewegen. Der Hustenreflex befördert so explosionsartig alles, was nicht in die Lunge geraten soll, aus dem Atemraum, angefangen beim Kehlkopf. Beim Pferd sind die Hustenrezeptoren am Kehlkopf, am unteren Ende der Luftröhre und an den Verzweigungen der großen Atemwege am zahlreichsten. Die Luftröhre selbst ist beim Pferd relativ unempfindlich.
Aus veterinärmedizinischer Sicht ist Husten ein häufiges Symptom, das auf eine chemische und/oder mechanische Stimulation der Hustenrezeptoren in den Atemwegen zurückzuführen ist. Leider können viele Erkrankungen und Störungen mit Husten einhergehen. Eine gründliche Ursachensuche sowie Diagnostik sind deshalb nötig. „Pferde mit einem gesunden Lungensystem husten selten oder nie“, heißt es in einer im UK Vet Equine veröffentlichten Publikation. Das Vorhandensein von Husten ist demnach ein guter Indikator für eine Atemwegserkrankung, das Fehlen von Husten oder nur sehr seltenes Husten jedoch kein zuverlässiger Hinweis, dass keine Atemwegserkrankung oder Entzündung der Atemwege vorliegen!
Die Wahrscheinlichkeit für Schlimmeres
Bedenkt man allein die riesige Oberfläche der Atemwege eines erwachsenen Warmbluts – sie entspricht mehr als zwei Reitbahnen mit 20 x 60 m – kann man sich vorstellen, dass eine Suche nach der Ursache für den Husten oft nicht einfach ist. Grundsätzlich unterscheiden Tierärzte zumeist zwei grundlegende Ursachen für Husten: Infektionen (z. B. durch Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten) und Fehler in der Haltung (z. B. Unterbringung, Fütterung, Bewegung). Oft spielen oder spielten aber Faktoren aus beiden Kategorien eine Rolle, wenn ein Pferd ab und zu einmal hustet.
Ein klassisches Beispiel wäre ein Pferd, das eine Atemwegsinfektion hatte, die nicht gut auskuriert wurde. Man merkt es nicht, eine Weile ist Ruhe, und dann beginnt das ein-, zweimalige Abhusten beim Antraben. Eventuell wurde das Pferd zu früh wieder belastet, oder es hat in der Zeit im Stall gestanden und eine Sekundärinfektion durch Keime im Heu bekommen. Doch das sind bei Weitem noch nicht alle Möglichkeiten.
Deshalb ist es so wichtig, dass sich Pferdebesitzer:innen in dieser Situation erinnern, wie sich das Problem entwickelt hat, welche Veränderungen es gab, bevor es auftrat, und wie es sich genau darstellt: Häufig befindet sich bei Pferden, die beim ersten Antraben ein- oder zweimal abhusten, Schleim in der Lunge beziehungsweise in der Luftröhre. Intensiveres Atmen sowie die vermehrte Bewegung und Muskelspannung durch den Trab fördern den Schleim dann zutage. Zumeist wird man aber nicht sehen, dass Schleim abgehustet wird, denn die Mengen sind vor allem anfangs noch gering und werden von den Pferden in der Regel abgeschluckt. Dieses Schlucken kann man durchaus erkennen, wenn man das Pferd longiert.
Ist der Schleim bereits fester oder hat sich eine größere Menge angesammelt, husten die Pferde bei der Arbeit etwas häufiger und oft auch noch im Galopp, sieht man auch mal Schleim aus dem Maul fliegen. Es gibt aber auch Pferde, die ein trockenes, nicht produktives Husten – also ohne dass sich Schleim löst – zeigen. Entweder ist keiner da – und es liegen eher entzündliche Prozesse oder eine Überempfindlichkeit der Atemwege vor –, oder er ist schon sehr fest und löst sich durch Husten bereits nicht mehr. Auf der „Suche“ nach Schleim kann es helfen, nach der Arbeit etwas Warmes (Mash) vom Boden zu füttern. Das regt vorhandenen Schleim zum Abfließen an. Beobachten Sie das Pferd dabei gut!
Husten aus ganzheitlicher Sicht
Aus ganzheitlicher medizinischer Sicht kann auch eine schlechte „Belüftung“ der Lunge die Ursache der Hustensymptomatik sein. In Pferdekliniken beobachtet man häufig, dass Pferden, die nach einer Stehzeit – vor allem in der Box – aus dem Hänger steigen, Schleim aus den Nüstern läuft. Die Stallluft in Kombination mit fehlender Bewegung sorgt für die Verschleimung der Lunge. Die Lunge wird auch dann nicht mit genügend Frischluft durchflutet, wenn Training ohne Galopp und/oder stets in staubiger Umgebung stattfindet. Nur im Galopp – vor allem im schnellen Galopp mit weiten Sätzen – ist die Durchblutung und Belüftung der Lunge optimal. Nur so werden alle Bereiche der Lunge mit relativ frischer Luft gefüllt, was sonst nicht der Fall ist, da das Pferd immer eine Mischung aus bereits geatmeter und frischer Luft in die Lunge transportiert. Ein weiterer Faktor, der dafür sorgt, dass die Kapazität der Lunge nicht voll genutzt werden kann, sind Verspannungen und Blockierungen.
Aus physiotherapeutischer Sicht ist vor allem die sogenannte Atem- und Atemhilfsmuskulatur im Fokus (siehe dazu auch PR 3/22, Seite 34–37). Sie ermöglicht und unterstützt die Ein- und Ausatmung. Dazu gehören Zwerchfell und Zwischenrippenmuskeln ebenso wie verschiedene Muskeln und Muskelgruppen am Rumpf – von der Schulter über die Brust bis zum Bauch. Akute und chronische Atemwegsprobleme lassen die Atem(hilfs)muskulatur verspannen. Und das widerum erschwert die Atmung und ist leistungsmindernd. Andererseits kann die Atem(hilfs)muskulatur aber auch durch äußere Umstände wie nicht korrektes Reiten, unpassende Ausrüstung und sogar eine nicht zum Körper passende Hufbarbeitung in Mitleidenschaft gezogen werden. All dies kann umgekehrt sogar die Entstehung von Lungenproblemen fördern. Unpassende, falsch sitzende oder zu eng verschnallte Gurte oder schlecht angepasste Sättel (Druckspitzen, Brückenbildung) können dazu führen, dass die Pferde buchstäblich die Luft anhalten und/oder mit den Muskeln in diesem Bereich gegenspannen, um dem Schmerz auszuweichen, was wiederum zur Verspannung und Blockierung der Atem(hilfs)muskulatur führen kann. Nicht zuletzt befinden sich aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin im Bereich der Sattellage zwei Akupunkturpunkte, die mit Husten in Verbindung gebracht werden: der Lungen-Zustimmungspunkt und jener fürs Herz. Vorweg: Herzprobleme können ursächlich dazu führen, dass ein Pferd eine Atemwegsproblematik entwickelt. Allerdings können die Zustimmungspunkte über eine dauerhafte und/oder starke Komprimierung auch eine entsprechende Problematik (mit) auslösen.
Viele Pferde mit Equinem Asthma zeigen eine Verlagerung des Gaumensegels, was Husten provozieren kann. © Claudia Götz
Schädliches Reiten
Komprimierung ist auch das Stichwort, wenn es um einen Bereich im Pferdekörper geht, der schon auf relativ wenig Druck mit Husten reagiert: Direkt hinter dem Kehlkopf kann der Hustenreflex nämlich auch bei gesunden Pferden ausgelöst werden. Tierärzte nutzen den Test üblicherweise, um einen Anhaltspunkt über die Schwere der Erkrankung der Atemwege zu gewinnen. In ständiger oder starker Überzäumung, bei der der Kehlkopf unter Druck gerät, kann auch an der Longe oder unter dem Sattel Husten ausgelöst oder „gefördert“ werden. Und noch etwas kann passieren, wie das Ergebnis einer Studie nahelegte: 65 Prozent der Pferde mit leichtem und 79 Prozent der Pferde mit hochgradigem Equinem Asthma (EA) zeigen bereits in Ruhe eine Verlagerung des Gaumensegels. Das (bei einem Großpferd etwa zehn Zentimeter lange) bemuskelte Organ trennt Mund- und Nasenrachenraum. Es verändert seine Lage beim Atmen und Schlucken. Es kann sich aber auch dauerhaft oder vorrübergehend verlagern (siehe Grafik links). Diese Verlagerung kann durch eine unphysiologische Kopf-Hals-Haltung oder Traumata ausgelöst werden und so Husten provozieren oder nach einem akuten Husten zurückbleiben.
Übergewicht und Husten
Schon vor einigen Jahren gab es eine Untersuchung, die zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit für EA mit zunehmendem Gewicht steigt. Bereits moderates Übergewicht erwies sich als Risikofaktor für chronischen Husten. Die Zusammenhänge sind vielfältig. Die Lunge dicker Pferde hat durch das viszerale Bauchfett weniger Raum. In der Folge verspannt auch das Zwerchfell – die Atmung wird noch schlechter. Dicke Pferde bewegen sich nicht mehr in ihrem vollen Spektrum – die Schritt-, Tritt- und Sprunglängen verkürzen, die Lunge wird schlechter belüftet, die Muskulatur verspannt weiter. Bei uns Menschen setzt sich überschüssiges Fettgewebe nicht nur im Bauchraum, sondern wird auch in den Wänden der größeren Bronchien fest. Dies wiederum führt zu einer Verengung der Atemwege und offenbar auch zu vermehrten Entzündungsprozessen in der Lunge. Es liegt nahe, dass beim Pferd ähnliche Prozesse ablaufen. Fakt ist, dass Fett auch beim Pferd entzündlich wirkt.
Ursachenforschung betreiben
Was man sich fragen sollte ist: Was war in den Wochen und Monaten, bevor die ein, zwei Hustenstöße beim Antraben losgingen? Hatte das Pferd tatsächlich einen Infekt, egal ob mit oder ohne Husten? Versuchen Sie sich zu erinnern, ob erhöhte Temperatur, Mattigkeit oder Leistungsabfall vorlagen. Hatte das Pferd eine Stehpause, etwa wegen einer Lahmheit, hatte es Rittigkeits- oder Ausrüstungsprobleme? Was wurde medizinisch (auch prophylaktisch, z. B. Wurmkur, Impfung) zuletzt gemacht? Wie sah das Training/die Belastung aus und wie die Trainingsbedingungen? Waren Sie viel in einer staubigen Bahn? Konnte das Pferd regelmäßig galoppiert werden? Hat das Pferd stark zugenommen? Diese Dinge können ein Verschleimen auslösen oder verschlimmern, indem sie die Selbstreinigungskräfte der Pferdelunge überfordern.
Und dann: Entscheiden Sie mit Ihren Therapeut:innen, welche Diagnostik Sinn macht, und welche Parameter Sie als erstes ändern sollten, um dem Abhusten auf die Spur zu kommen. Aber – ignorieren Sie den gelegentlichen Husten bei Ihrem Pferd nicht.