GESUNDHEIT

Sand im Getriebe

Ein Artikel von Sven & Peggy Morell | 28.11.2024 - 13:43
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Wird Gras bis auf den Boden abgefressen oder der Durchwuchs auf befestigten Paddocks nicht effektiv verhindert, kommt schnell Sand mit in den Verdauungstrakt. © www.slawik.com

Sand bereitet im Verdauungstrakt zuweilen erhebliche Probleme: Zum einen wirken die kleinen Körnchen wie Schmirgelpapier und reizen so die Darmwand, mitunter führen sie zu Entzündungen. Zum anderen setzt sich der Sand am Boden der Darmwindungen ab, wird mit dem Futterbrei nicht weitertransportiert. Auch eine Verringerung oder ein vollständiges Erliegen der Darmbewegungen ist möglich, in der Folge dickt der Darminhalt ein und wird hart. Kotwasser, Durchfall, Blähungen und immer wiederkehrende Koliken gelten als Alarmsignale für reichlich Sand im Verdauungstrakt, schlimmstenfalls droht ein Darmverschluss. Der Tierarzt kann oft mit schmerzstillenden Medikamenten und verdauungsfördernden Substanzen helfen, doch manchmal ist eine Operation unumgänglich. Weniger beachtet, aber ebenfalls der Pferde-Gesundheit nicht zuträglich: In Sand oder Erde stecken reichlich – zum Teil krankmachende – Mikroorganismen und auch vermehrt Umweltschadstoffe.

Woher kommt der Sand?

Pferde fressen immer ein wenig Erde oder Sand mit – etwa durch anhaftenden Schmutz an Gras, Heu oder Silage. Gänzlich vermeiden lässt sich das kaum. Doch es gibt Umstände, die zu einer übermäßigen Sandaufnahme führen können und somit das Risiko für eine Sandkolik erhöhen:

  • Wird Heu auf Mutterboden oder gar sandigem Untergrund gefüttert, kommt es zur Verunreinigung. Das gilt auch für Heunetze: Beim Herausfitzeln der Heuhalme fallen immer einige auf den Boden und werden dann mit anhaftendem Dreck gefressen.
  • Beim tiefen Abfressen von Gras nehmen Pferde (sandige) Erde mit auf. Das ist ein häufiges Szenario beispielsweise auf übernutzten Weiden, Diät-Koppeln, im Herbst (Gras ist bereits abgefressen, die Weidesaison aber noch nicht beendet) oder im Sommer nach Dürreperioden.
  • Sandpaddocks bieten Pferden Auslauf, wenn diese auf Diät sind oder das Wetter schlecht ist. Wachsen darauf oder am Rand Pflanzen durch, werden diese von den Vierbeinern oft gierig herausgerissen – samt Sand.
  • Zu tief geschnittenes Heu ist häufig mit Schmutz verunreinigt. Das gilt auch für Gras, wenn dieses als Grünfutter verwendet wird, sowie für Silage und Heulage.
  • Eine unsachgemäße Lagerung von Heu (z. B. in der Reithalle) kann dazu führen, dass dem Raufutter reichlich Schmutz anhaftet.

Wieviel Sand nehmen Pferde auf?

Laut einer Studie (Ingestion of Soil by Grazing Sport Horses, tinyurl.com/3yb4fzsv) fressen Pferde täglich auf der Weide durchschnittlich etwa 600 Gramm Sand beziehungsweise Erde mit. Die französischen und irischen Wissenschaftler:innen gingen der Frage nach, ob das Gras-Angebot Einfluss auf die einverleibte Sandmenge hat. Der Versuchsaufbau: Sechs Pferde mit einem mittleren Gewicht von gut 600 Kilogramm zwischen vier und zehn Jahren grasten auf einem insgesamt 2,6 Hektar großen Areal, auf welchem überwiegend Deutsches Weidelgras – ein typisches Weidegras – wuchs. Diese Fläche wurde in drei Einheiten unterteilt, diese wiederum in drei Parzellen – auf jeder Parzelle grasten jeweils zwei Pferde für 16 Tage. Den Pferden standen unterschiedliche Grasmengen (Trockenmasse) zur Verfügung: zwei Prozent des Körpergewichts, dies entspricht der täglichen Bedarfsmenge, sowie drei beziehungsweise vier Prozent des Körpergewichtes. Bei den letzten beiden Versuchsvarianten wurden sogenannte Weideverluste durch Zertrampeln und selektives Fressen berücksichtigt.

Um zu bestimmen, wieviel Erde die Pferde pro Tag mitfraßen, wurden die Hinterlassenschaften einzeln eingesammelt und gewogen. Das Ergebnis der Untersuchung: Die angebotene Menge Gras scheint wesentlichen Einfluss auf die Aufnahme von Erde zu haben. Standen den Vierbeinern zwei Prozent des Körpergewichtes zur Verfügung, kürzten sie den Grasaufwuchs von anfangs circa zwölf auf gut drei Zentimeter und nahmen etwa 650 Gramm Erde täglich auf. Im Gegensatz dazu blieben bei der Vier-Prozent-Variante 4,4 cm Gras stehen und die Pferde schluckten gut 100 Gramm weniger Sand mit. Die Wissenschaftler:innen vermuten außerdem, dass feuchte Witterung die Sandaufnahme nochmals erhöhen könnte – bei Schafen etwa sei dies bereits nachgewiesen. Denn ist der Boden feucht, werden Wurzeln und anhaftende Erde beim Grasen leichter herausgezogen.

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So besser nicht: Auf unbefestigtem Naturboden verteiltes Raufutter wird leicht verunreinigt. © www.slawik.com

Risiken minimieren

Um zu viel Erde und Sand im Pferdedarm vorzubeugen, kann an ein paar Stellschrauben im Haltungsmanagement gedreht werden. Wie die erwähnte Studie gezeigt hat, scheint ein höheres Grasangebot die Sandaufnahme zu verringern. Das bedeutet im Umkehrschluss: Weiden nicht so lange zu nutzen, bis diese bis auf das letzte Hälmchen abgefressen sind, sondern rechtzeitig auf eine andere Weide wechseln. Als positiven Nebeneffekt wird das Gras weniger stark geschwächt – die Weide kann rasch nachwachsen und dann auch wieder schneller genutzt werden. Heu, Silage und Gras sollten nicht zu tief geschnitten werden. Das Füttern vom Boden kommt dem natürlichen Fressverhalten von Pferden zwar entgegen, der Untergrund sollte jedoch befestigt und sauber sein. Das gilt auch für Heunetze. Futter sauber und staubfrei zu lagern, beugt ebenfalls Verunreinigen vor.

Wächst auf Sandausläufen oder Matschpaddocks an einzelnen Stellen Grün, sollte dieses entfernt werden. Ebenfalls möglich: Den Durchwuchs mittels Paddockmatten verhindern. Geschlossene Matten lassen sowieso nichts durch, manche Modelle können laut Hersteller auch direkt auf Naturboden verlegt werden (z. B. Paddockmatte BM24 von Pro Equus, Gummi-Paddockmatte von Err-Team, gummierte Verbundpflastersteine von Sagustu). Bei Gitter-Paddockmatten hingegen finden die Pflanzen mit der Zeit unter Umständen ihren Weg, deshalb ist ein professioneller Unterbau ratsam: Ideal ist ein Drei-Schicht-Aufbau – vergleichbar einem Reitplatz – mit Tragschicht (Schotter o.ä.), Trennschicht (Paddockmatten) und Tretschicht (meist Sand). Immer gilt: Die Ränder nicht vergessen. Selbst bei einem professionell angelegten Paddock drängt Gras von außen in den Paddock, durch Paddock-Umrandungen beispielsweise aus Holz lässt sich das effektiv vermeiden.

Theorie und Praxis

Die genannten Maßnahmen scheinen einfach umsetzbar. In der Theorie. Im täglichen praktischen Stallalltag lauert allerdings manche Tücke. So sind Pferdebesitzer:innen oftmals schlichtweg die Hände gebunden. Insbesondere im Pensionsstall haben sie wenig Einfluss darauf, wann beispielsweise die Weide gewechselt wird. Ist der Stallbetreiber der Ansicht, eine Weide müsse erst leergefressen werden, bevor es auf die nächste geht, bleibt Einstellern für ihren Vierbeiner nicht selten nur die Wahl zwischen abgegraster Koppel oder (womöglich alleinigem) Zurückbleiben im Stall. Oft sind es gar keine bösen Absichten des Stallbetreibers, sondern schlicht praktische Gründe, die Weiden bis zum letzten Hälmchen abgrasen zu lassen – etwa, wenn einfach zu wenig Fläche für zu viele Pferde vorhanden ist, die Pferde den Sommer aber dennoch auf der Weide verbringen sollen.

Auf welchem Untergrund gefüttert, wie oft der Paddock von Bewuchs befreit, wie das Grundfutter geerntet beziehungsweise das Heu gelagert wird und vieles mehr – hier haben Einsteller in der Regel ebenfalls nur begrenztes Mitspracherecht. Auch Selbstversorger:innen können nicht alle Empfehlungen immer perfekt umsetzen. Als beispielsweise im vergangenen Jahr wegen Trockenheit und Dürre nichts mehr auf den Weiden wuchs, mussten Kompromisse – und damit auch eventuelle Risiken – eingegangen werden.

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Die sicherere Variante: So kann auch aus der Raufe gefallenes Heu sandfrei vom Boden gefressen werden. © www.Slawik.com

Flohsamen spülen Sand weg

Selbst wenn Fütterung, Haltung und Management optimal sind – gänzlich vermeiden lässt sich die Sandaufnahme nicht. Manche Expert:innen raten daher zu einer regelmäßigen Fütterungskur mit Flohsamen. Gemeint sind die – durch ihre Größe, Form und Farbe tatsächlich ein wenig an Flöhe erinnernden – Samen von Plantago ovata, einer bis zu zehn Zentimeter hohen Wegerich-Art. Die enthaltenen Ballaststoffe können mehr als das 50-fache an Wasser binden. Dieses enorme Quellvermögen vermag einerseits Verstopfungen zu lösen, andererseits Durchfall zu mindern. Zudem ummanteln die Flohsamen den Sand und transportieren diesen einfach mit hinaus, die reichlich enthaltenen Schleimstoffe schützen die Darmschleimhaut. Wichtig: Wenn bereits Symptome auftreten, die auf Sand im Darm hindeuten, ist eine Eigentherapie mit Flohsamen tabu. Hier muss die Tierärztin zu Rate gezogen werden, die eine eindeutige Diagnose stellen und eine entsprechende Behandlung einleiten kann.

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Darmreinigend: Flohsamenschalen © Laszlo Bartucz/pixabay.com

Flohsamen

Im Allgemeinen ist so gut wie immer vom „Flohsamen“ die Rede – tatsächlich gibt es aber ein paar Varianten:

  • Flohsamenschalen sind das, was meist im Pferdetrog landet. Da diese so enorm aufquellen, ist das ausreichend lange Einweichen in genügend Wasser unverzichtbar (Fütterungsempfehlungen der Hersteller beachten) – ansonsten kann es zu einer Schlundverstopfung oder einer Verstopfungskolik kommen. Zusätzlich sollte den Pferden immer frisches Wasser zur Verfügung stehen. Der schleimige, kleisterartiger Brei kann beispielsweise unter das Kraftfutter gemischt werden – so mancher Vierbeiner verweigert aber dennoch vehement die Aufnahme.
  • Flohsamen bestehen aus Samen und Schale. Zwar quellen diese nicht ganz so stark wie die reinen Schalen, die mitunter ausgesprochene Empfehlung, Flohsamen trocken oder lediglich angefeuchtet zu verfüttern, ist dennoch nicht ungefährlich. Viele Anbieter wie z. B. Aniforte („Indischer Flohsamen“) oder Rokale („Indischer Flohsaman ganz“) raten daher ausdrücklich zum Einweichen. Auch hier gilt: Auf die Herstellerempfehlungen achten.
  • Obwohl pelletierte Flohsamen (beispielsweise Makana „Flohsamenschalen Pellets für Pferde“, „Akticolon® Flohsamenschalen Pellets für Pferde“ von Golden Peanut) auch auf ein Vielfaches aufquellen, ist laut Herstellerangaben keine Quellzeit notwendig. Die Pellets werden meist gut gefressen.
  • Die dänische Firma Damino bietet unter anderem beschichtete Flohsamenschalen mit Geschmack an. Dafür werden diese mit einer „ultradünnen Schicht aus Öl, Kohlenhydraten und z. B. gemahlenen Äpfeln“ überzogen, wodurch sie schmackhaft und leicht knusprig werden sollen sowie „nicht so stark im Pferdemaul kleben“. Allerdings wird vom Hersteller ausdrücklich die trockene Fütterung empfohlen – was bei einem so stark quellenden Produkt wie Flohsamenschalen zumindest fragwürdig, wenn nicht gefährlich scheint.

Sandmenge möglichst gering halten

Fazit: Pferde fressen immer ein wenig Sand mit. Haltungs- und Futtermanagement sollten so optimiert werden, dass nicht zu viel davon im Pferdedarm landet. Regelmäßige, kurweise Gaben von Flohsamen(schalen) können den Verdauungstrakt zudem dabei unterstützen, die kleinen Körnchen unbeschadet wieder loszuwerden.