Sport

Wo sind die Para-Dressurreiter?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 11.04.2025 - 12:54
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Der Pferdesport ermöglicht Menschen mit Behinderung wie kaum eine andere Disziplin die Teilnahme am sportlichen Geschehen.  © holcbecher.com

Seit 1996 ist die Para-Dressur Teil der Paralympics – damals noch auf geliehenen Pferden der Gastgebernation, seit Athen 2004 wird im eigenen Sattel geritten – und seither geht’s steil bergauf. Die Leistungen? Beachtlich. Die Pferde? Weltklasse. „Die Entwicklung in der Para-Dressur ist enorm, die Weltspitze wird immer dichter“, weiß Pepo Puch. Er muss es wissen. Mit mehrfach Olympiagold, EM-Titel und WM-Medaillen ist er Österreichs erfolgreichstes Para-Dressurreiter – und das seit über zehn Jahren.
 

Viel unentdecktes Potenzial

Das heimische Para-Team ist qualitätsvoll, die Zahl der Championatsreiter:innen jedoch stagniert. Im aktuellen Kader sind nur vier Reiter:innen gelistet. Bleibt die Frage: Gibt es in Österreich einfach nicht mehr Para-Dressurreiterinnen und -reiter? Doch, die gibt es, meint zumindest Pepo Puch. Nur finden muss man sie – und motivieren! „Wenn man die britischen Verhältnisse hernimmt und prozentual auf Österreich umlegt, müssten wir ungefähr 50 Reiterinnen und Reiter haben, die aktuell als Regelsportler Turniere bestreiten, die aber eigentlich im Para-Sport mitreiten könnten. Ich finde es wahnsinnig schade, dass es bei uns offenbar nach wie vor extreme Hemmungen gibt, dass sich die Leute als Para-Reiter registrieren und klassifizieren lassen.“

Was braucht es für eine Klassifizierung? Eine körperliche Beeinträchtigung. Und die muss noch gar nicht einmal besonders schwer sein. Ein oder mehrere weniger bewegliche Gelenke, eine Beeinträchtigung durch erhöhte Spannung der Muskulatur oder eine leichte motorische Dysfunktion. „Aber gerade Reiter mit sehr leichter Behinderung sind in Österreich lieber bei normalen Turnieren am Start“, bedauert Puch. Offenbar bestehen hierzulande immer noch große Hemmungen, sich als „behindert“ zu deklarieren. Vermutlich, weil man nicht gern in eine Schublade gesteckt werden will.

„Dabei“, sagt Puch, „ist das nicht nur schade fürs System, sondern auch fürs Individuum.“ Denn mit der Klassifikation kommen auch Vorteile: kompensatorische Hilfsmittel zum Beispiel, die bei Einschränkungen eingesetzt werden dürfen – von Zügeln mit Spezialanfertigung bis zu zwei Gerten zur Unterstützung der Schenkelhilfe. Und: Diese Hilfen sind auch im Regelsport erlaubt – sofern man klassifiziert ist.

Die 5 Grade der Para-Dressur

Im Para-Sport werden die Athlet:innen in verschiedene Grade eingeteilt. So sollen die Leistungen trotz unterschiedlicher Einschränkungen vergleichbar bleiben. Bei den Para-Dressurreiter:innen reicht die Skala von Grad I für die am stärksten beeinträchtigten bis zu Grad V für die am wenigsten beeinträchtigten Sportler:innen.

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Miteinander statt gegeneinander: Diese Devise wird im Para-Pferdesport groß geschrieben.  © holcbecher.com

Große Unterstützung – hohe Ansprüche

In Österreichischen Pferdesportverband genießt der Para-Dressursport einen sehr hohen Stellenwert. Das zeigt sich auch an den Fördermaßnahmen. „Wir unterstützen durch Eigenmittel des Verbandes und durch Fördermittel der Bundes-Sport GmbH“, erklärt Cornelia Schupfer, Sportmanagerin beim OEPS. So gibt es Förderungen bei der Beschickung zu internationalen Wettkämpfen (CPEDI) aber auch bei der Trainings- und Wettkampfumfeldbetreuung in den Bereichen Sportmedizin, Physiotherapie, Betreuung der Sportpferde durch Veterinärmediziner und Physiotherapeuten etc. „Bei der Unterstützung brauchen wir nicht meckern“, findet Pepo Puch, „da sind wir in Österreich dank unseres Verbandes wirklich unheimlich gut aufgestellt und werden großartig unterstützt.“

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Die weltweite Entwicklung des Para-Dressur-Spitzensports hat in den vergangenen Jahren enorm an Fahrt gewonnen.  © FEI

Am Support mangelt's also nicht. Was braucht es sonst? Dasselbe wie in allen anderen Sparten: Das passende Pferd und viel persönliches Engagement – in jeglicher Hinsicht. Denn die Para-Dressur ist – jedenfalls auf internationalem Parkett – ein Hochleistungssport. Wer vorne mitspielen will, muss mehr tun als „dreimal die Woche ein bisserl reiten gehen“, wie Puch es trocken kommentiert. Das war vielleicht früher einmal so. Heute ist das echter Sport. Aber genau das wollen die Para-Reiter:innen von heute. Sie wollen sich messen, sie wollen Leistung. „Wir sind echte Sportler mit einem hohen Leistungsanspruch – an uns und an den Sport“, sagt Puch.

Der Verband will dem Para-Dressursport in Österreich jedenfalls auf die Sprünge zu helfen. Mit Talenteförderung und mehr Sichtungen. Wer Interesse hat, bitte einfach melden. Im OEPS Generalsekretariat steht man gerne mit Rat und Tat zur Seite, wie Cornelia Schupfer betont. 

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Dr. Christa Walter klassifiziert auf nationaler udn internationaler Ebene. © privat

Der Weg in den Para-Dressursport

Wie funktioniert der Einstieg in den Para-Dressursport? Darüber haben wir mit Sportärztin und Klassifiziererin Dr. Christa Walter gesprochen.

Wenn ich mich für den Para-Dressursport interessiere, wie gehe ich vor? Was sind die ersten Schritte?
Der erste Schritt ist ein Beratungsgespräch. Im Idealfall kontaktiert man mich via E-Mail, dann machen wir uns einen Termin aus, wo die wichtigsten Punkte vorab telefonisch besprochen werden – z.B. ob eine Klassifizierung überhaupt möglich ist. Es gibt einige Einschränkungen, die nicht klassifizierbar sind.

Was wäre das zum Beispiel?
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Bandscheibenprobleme fallen in diese Kategorie, ebenso wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Oder wenn jemand gehörlos ist. Derlei Probleme können den Alltag des Betroffenen und natürlich auch die Reiterei massiv beeinflussen, sind gemäß internationalem Reglement aber nicht klassifizierbar.

Was passiert bei einer Erstklassifizierung?
Am besten bringt man einen Arztbrief mit, Röntgenbilder, Befunde und dergleichen, damit ich mir einen Überblick verschaffen kann. Dann gibt es eine Untersuchung, bei der – je nach Problem – verschiedene Dinge getestet werden. Zum Beispiel die Gelenksbeweglichkeit, der Bewegungsumfang, die Kraft, oder die Koordination. Diese Dinge werden mit einem Punktescore bewertet, der mit sogenannten Profilen korreliert, die wiederum einem der fünf Para-Grade zugeordnet sind.

Wem raten Sie dazu, sich klassifizieren zu lassen?
Wenn man eine körperliche Einschränkung hat und gerne Turniere reiten möchte, dann ist es auf jeden Fall sinnvoll. Man muss da auch noch gar nicht im Kopf haben, wirklich Para-Turniere oder gar international zu reiten. Jedem Klassifizierten sind standardmäßig und unabhängig von der individuellen Einschränkung Hilfsmittel erlaubt. Zum Beispiel darf jeder mithilfe eines Gummirings den Stiefel am Steigbügel befestigen. Wenn man leicht den Steigbügel verliert, kann das schon unglaublich hilfreich sein. Dasselbe gilt für Magnetsteigbügel, die ebenfalls erlaubt sind. Oder Gerten – jeder Parareiter darf unabhängig von der Prüfung mit einer Gerte reiten.

Was passiert nach der Klassifizierung?
Dann meldet man sich beim OEPS. Dort bekommt man seine Para-Karte, auf der die Hilfsmittel vermerkt sind, mit denen man im Anschluss auf allen Turnieren starten darf. Dasselbe gilt übrigens auch für Westernreiter und Fahrer. Auch für diese Sparten kann man sich klassifizieren und kompensatorische Hilfsmittel eintragen lassen!

Wichtige Kontakte

Bundesreferentin Para-Dressur
Dr. Eva Maria Bachinger
Mail: bachinger-eva@a1business.at

Klassifikationen
Dr. Christa Walter, MAS
Mail: christa.walter@gmx.at

Para-Lizenzen
Chantal Raab
Mail: c.raab@oeps.at