WORKING EQUITATION

Eine fröhliche Disziplin für jedes Pferd

Ein Artikel von Andrea Kerssenbrock | 24.05.2023 - 14:34
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Auch wenn es nicht von Anfang an so rasant zugeht wie hier, ist Working Equitation ein großer Spaß für alle. © Lukas Seufer-Wasserthal

Working Equitation ist eine Arbeitsreitweise, die ursprünglich aus den Ländern Portugal, Spanien, Frankreich und Italien kommt. Sie kombiniert Reitpraktiken aus einer Vielzahl von Kulturen und Ländern, um Arbeitspferde so zu fördern, dass sie eine Reihe von landwirtschaftlichen Aufgaben mit Leichtigkeit meistern können. Dazu müssen sie klug, wendig, fein geritten, vertrauensvoll und ehrgeizig sein. Diese Eigenschaften werden in den Teildisziplinen Dressur, Trail und Rinderarbeit geprüft.

Was Pferd und Reiter:in dabei lernen, macht sich auch in den klassischeren Disziplinen und in der Freizeitreiterei bezahlt. Working Equitation kann deshalb für jedes Pferd eine schöne Abwechslung sein. Martina Weteschnik, Österreichische Meisterin und erfahrene Kursleiterin für Working Equitation, weiß: „Meist ist es der Wunsch nach Spaß und Abwechslung, aber auch die Neugierde, die Reiter:innen in einen Working-Equitation-Kurs kommen lassen. Die Pferde sind jedenfalls begeistert!“ Und so hat auch der Working-Equitation- Turniersport in Österreich immer mehr Zulauf. Einige Tipps für Anfänger:innen sowie Turnierambitionierte hat Andrea Kerssenbrock erfragt.


„Das Pferd ist dein Freund“

Dieser schöne Satz fällt gleich zu Beginn des Gesprächs. Denn Martina Weteschnik sieht den Zauber der Working Equitation in der Zusammenarbeit von Reiter:in und Pferd. Beim Reiten geht es immer um Feinabstimmung zwischen beiden und um eine solide Grundausbildung – so auch hier. Weteschnik schätzt Pferde, die gut an den Hilfen stehen, auf feine Signale reagieren und neuen Aufgaben interessiert gegenüberstehen. Denn nur so lassen sich Hindernisse wie Gatter, Brücken oder Planen ohne Stress bewältigen. Dass man zuerst einzelne Hindernisse übt, um später einen ganzen Trail zu bewältigen, ist Teil dieser jungen Disziplin. Dabei beginnt die Trainerin meist ganz klein: „In meinen Kursen starte ich oft damit, dass ich die Pferde führen lasse. Wenn sie sich den Parcours an der Hand ansehen können, sind sie später meist auch unter dem Reiter bzw. der Reiterin entspannter.“ Das Pferd soll zum Freund werden, der sich mit feinen Zügelhilfen überallhin führen lässt, jederzeit stehen bleibt, wartet und mitmacht – je nachdem, was gerade gefragt ist.

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Die ersten Schritte im Trail sind oft an der Hand am leichtesten. Wichtig: Die Pferde müssen auch lernen, zu warten. © www.Slawik.com

Eine Disziplin für jede Rasse

Besonders in den Anfängerklassen hat Martina Weteschnik keine Präferenzen, was das Können oder die Rasse eines Pferdes betrifft. Sie selbst hat ihre Working-Equitation-Karriere auf einem Noriker begonnen. „Mein Noriker war zwar vielleicht nicht das wendigste Pferd, aber er hat einfach jede Herausforderung angenommen und völlig unerschrocken gemeistert. Das hat mir viel Vertrauen gegeben, und ich konnte in aller Ruhe Erfahrungen sammeln“, weiß sie die Vorteile des kaltblütigen Pferdes sehr zu schätzen. Heute bevorzugt Weteschnik allerdings etwas temperamentvollere Pferde. Pferde, die gut reagieren, also auf leichte Hilfen antraben und angaloppieren und sich fein lenken lassen, wünscht sie sich auch für ihre Schüler:innen. Das Pferd soll zudem ohne Widerstand rückwärtstreten. Es muss aber auch warten können, denn so manches Hindernis erfordert Geduld und Ausharren in einer bestimmten Position.
 

Sattelfestigkeit und korrekte Hilfengebung gefragt

Reiter:innen sollten unbedingt die korrekte Hilfengebung beherrschen und ihr Pferd problemlos von A nach B reiten können. Eine gewisse Sattelfestigkeit ist unabdingbar, weil in den Parcours oft kleine Sprünge eingebaut sind oder die Pferde ein Hindernis hie und da gerne durch einen Sprung überwinden. Für einen Start bei kleineren Turnieren oder Reitertreffen ist der Besitz des Reiterpasses bzw. des Western Riding Certificate Voraussetzung. Ansonsten reichen Neugierde und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.

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Zum Einstieg in die Working Equitation muss man kein Profi sein.  In der Klasse Lizenzfrei darf der Richter bei bis zu zwei Hindernissen helfen, ohne dass ein sofortiger Ausschluss erfolgt. So lernt das Pferd - und sein:e Reiter:in - Vertrauen zu bekommen. © Christian Prandl 2022

Mut tut gut

Ein rasant gerittener Working-Equitation- Parcours verlangt Mut von Reiter:in und Pferd. Aber auch ein langsam und exakt durchrittener Trail kann die eine oder andere Herausforderung mit sich bringen. Denn jeder Parcours, so Weteschnik, sieht anders aus. Die Holzbrücken beispielsweise können braun, weiß, gebogen, gerade, begrenzt oder ohne Geländer sein. Der Klang der Hufe darauf ist ein anderer als auf dem Reitplatzsand. Die Plane kann rascheln, knistern, Falten schlagen, Licht reflektieren und so weiter. Beim Wettkampf sind die Hindernisse meist frisch gestrichen, poliert, aufgeputzt und dekoriert. Das macht jedes Hindernis immer wieder spannend. „Es macht Spaß, wenn man mit einer gewissen Entschlossenheit an die gestellte Aufgabe herangehen kann“, zeigt sich die Working-Equitation-Meisterin begeistert.

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Geschicklichkeit, Mut und Entschlossenheit gewinnen Pferd und Reiter:in durch die Working Equitation. © Lukas Seufer-Wasserthal

Erste Übungen

Martina Weteschnik sieht zahlreiche Möglichkeiten, auch mit wenig Hindernismaterial erst einmal im Kleinen zu üben: Bodenstangen finden sich in fast jedem Stall. Zwischen ihnen kann man das Rückwärtsrichten üben und in Folge einen Rückwärtsslalom ausprobieren. „Die Pferde sind begeistert von solchen Aufgaben. Auch, weil sie selbst mitdenken müssen, wenn sie etwa den Weg rückwärts antreten und dabei nicht über die Stangen stolpern wollen.“

Ein Klassiker ist auch der Tonnenslalom, für den man zu Übungszwecken Hütchen bzw. Pylonen verwenden kann. Die Pferde haben einen Mordsspaß dabei, und ganz beiläufig lässt sich das Zulegen und Einfangen in einer Gangart üben. Die Übung fördert Rittigkeit und Reaktion wunderbar. Die Pferde verstehen die Aufgabe ganz schnell und lernen fast nebenbei, auf kleinste Hilfen des/der Reiter:in zu reagieren.

Fortgeschrittene stellen die Tonnen/Pylonen dann enger, reiten in höherem Tempo oder sogar mit Galoppwechseln. Ein einfaches Tor, das man zu Übungszwecken öffnen und schließen kann, lässt sich mit zwei Stehern und einem Strick ganz leicht zusammenstellen. Dabei sind Geschick und Wendigkeit gefragt. Nebenbei lässt sich hier auch das geschmeidige Reiten mit einer Hand üben.

Expertentipp: Besonders für jene Hindernisse, die übersprungen oder betreten werden sollen, sind Cavalettistunden eine gute Vorübung. Sie bereiten das Pferd darauf vor, später Planen, Brücken und kleine Sprünge zu bewältigen.

Der Wettkampf

Wer ein Working-Equitation-Turnier in Betracht zieht, sollte sich wie jede:r Sportler:in gut vorbereiten. Mit Pferden auf dem vertrauten Platz verschiedene Hindernisse zu üben, ist das Eine, wegzufahren und die Atmosphäre des Turniers zu erleben, etwas ganz anderes. Die mehrfache Österreichische Meisterin empfiehlt, zur Vorbereitung hin und wieder auswärts zu trainieren und sich auch das Reglement sehr genau durchzulesen.

Das Tragen eines Helms ist in jeder Klasse Pflicht, der Gebrauch von Sporen und Gerte ist je nach Klasse unterschiedlich geregelt. Das Pferd muss jedenfalls mit Gebiss geritten werden. Außerdem muss die Ausrüstung in einem durchgängigen Stil gehalten sein, Kombinationen wie z. B. aus Westernzaum und iberischem Sattel sind nicht erlaubt.

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Eine echte Arbeitsreitweise: Viele Hindernisse aus dem Trail kommen uns auch im Alltag unter! © Lukas Seufer-Wasserthal

Das Gleiche gilt für die Tracht/den Anzug der Reiter:in. Eine Ausrüstung in gedeckten Farben ist erlaubt und gewünscht, klassische Turnierkleidung bleibt klassischen Turnieren vorbehalten. Die vier Disziplinen der Working Equitation sind Dressur, Stiltrail, Speedtrail und Rinderarbeit, wobei die Dressur der wichtigste Teil ist.

In Österreich gibt es zahlreiche Einsteigerklassen (E und A), darunter Führzügel-, Kinder-, Nachwuchs- und Allgemeine Klasse sowie Jugendwertungen. Hierbei geht es um den Stil und die Korrektheit der Aufgaben. In allen Klassen gliedert sich die Prüfung in die vier Teildisziplinen, wobei die Rinderarbeit nicht immer ausgeschrieben ist.

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Mit Boghalo zum Gesamtsieg auf der Pferd International in München 2023
© Lukas Seufer-Wasserthal

Zur Person

Martina Weteschnik ist Working-Equitation-Expertin. Sie war bereits beim ersten nationalen Working-Equitation-Turnier in Österreich am Start, hat Österreich bei zahlreichen internationalen Turnieren, darunter Europa- und Weltmeisterschaften, vertreten und ist mehrfache Österreichische und Wiener Meisterin. Die geprüfte Reitwartin unterrichtet regelmäßig in Kursen im In- und Ausland.