Sie werden Futter-, Wohlstands-, Haferflecken oder Hafertaler genannt – und ihre Bedeutung ist umstritten. Es kursiert die Theorie, dass diese gehäuften rundlichen Aufhellungen ein Indiz für einen aus den Fugen geratenen Stoffwechsel sein sollen. Insbesondere Leberprobleme stehen dabei im Fokus. Durch unzureichende Arbeits- und Entgiftungsleistung von Leber und Niere sei die Ausscheidung schädlicher Abbauprodukte gehindert, als Folge würden solche Flecken sichtbar. Diese sollen zudem bereits dann auftreten, wenn die Blutwerte noch gar nicht auf eine Leberschädigungen schließen lassen – Hafertaler seien demzufolge ein Frühwarnsystem. Der Stoffwechsel der Vierbeiner könne jedoch etwa mit bestimmten Kräutern, Gesteinspulvern, homöopathischen Mitteln oder sonstigen Pülverchen unterstützt werden.
Die Message dahinter: Der Pferdehalter:innen müsse auf diese ersten Anzeichen reagieren, um eine ernsthafte Stoffwechselerkrankung zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern.
Problematisch bei dieser These: Pferdebesitzer:innen könnten möglicherweise zu dem Schluss kommen, dass sie den Tierarzt – trotz Krankheitsverdacht – eigentlich gar nicht hinzuziehen müssen. Schließlich könne dieser im Blut ja (noch) nichts feststellen. Und ob eine Tiermedizinerin rein aufgrund von Flecken im Fell ohne sonstige Hinweise auf eine Erkrankung eine Lebertherapie beginnt, erscheint mehr als fraglich. Aus Angst vor einer fortschreitenden Schädigung der Leber füttern Pferdehalter:innen dem Pferd dann mitunter diverse Zusatzmittelchen, die zum Teil hoch dosierte Mineralstoffe beinhalten.
Im besten Fall belasten diese „nur“ den Geldbeutel des Besitzers – unter Umständen schaden sie jedoch dem Pferd, etwa indem sie zu Imbalancen im Mineralstoffhaushalt führen.
Was aber ist nun dran an der These, dass die besagten im Flecken im Fell ein Indikator für Leberprobleme sind?
Mythen und Fakten
„Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu den sogenannten Futterflecken bei Pferden“, stellt Professorin Dr. Ingrid Vervuert. Für die Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig können die Fellveränderung durchaus ein positives Phänomen sein: „Die Futterflecken treten vielfach bei Pferden auf, die ein sehr gutes Nährstoffangebot erhalten, wie es zum Beispiel bei der Grasaufnahme im Frühjahr, oder aber auch bei Haferfütterung der Fall ist. Möglicherweise spielen Omega-3-Fettsäuren oder aber auch bestimmte Aminosäuren eine Rolle.“
Möglich ist auch, dass die Thermoregulation an der Hautoberfläche bei der Entstehung von Haferflecken eine Rolle spielt: „Die Veränderungen in der Thermoregulation könnten durch eine verlängerte Photoperiode inklusive hormoneller Schwankungen, vielleicht auch in Kombination mit dem hohen Nährstoffangebot, beeinflusst sein.“ Für einen Hinweis auf Leberprobleme hält sie die Flecken jedenfalls nicht.
Deutliche Worte findet Dr. Sonja Berger von der Vetmed Uni Wien im Bezug auf die verbreitete These rund um die Fellzeichnung als Indikator für eine belastete Leber: „Hafertaler haben nichts mit Leberschäden zu tun. Diese in manchen Foren verbreitete Meinung ist tierärztlich nicht haltbarer Unsinn", so die Fachtierärztin für Innere Medizin beim Pferd.
Dieser Einschätzung schließt sich Professorin Dr. Ellen Kienzle vom Lehrstuhl für Tierernährung und Diätetik der Ludwig-Maximilians- Universität (LMU) München an: „Hafertaler sind ganz sicher kein Indikator für Leberprobleme.“ Früher hätten die Flecken vielmehr als Anzeichen eines guten Zustandes gegolten. Kienzle weist jedoch darauf hin, dass die kreisrunden Veränderungen in der Fellfärbung auch bei stark übergewichtigen Pferden auftreten können: „Übergewicht kann die Leber schädigen, das ist natürlich richtig. Da muss man eben differenzieren, ob man ein Pferd in gutem Futter-, Pflege- und Trainingszustand vor sich hat oder ein Pferd mit Übergewicht.“
Tierärztin Leda Führ von iWEST® ist derselben Meinung: „Wissenschaftliche Belege zu diesem Thema scheinen nicht zu existieren. Auffällig ist, dass die Flecken nur bei Pferden mit einem guten bis sehr guten Ernährungszustand zu finden sind. Daraus wurde der Rückschluss gezogen, dass die Farbveränderungen mit dem Unterhautfettgewebe zusammenhängen. Dennoch entwickelt nicht jedes gut oder zu gut ernährte Pferd Hafertaler. Einige Blutlinien neigen deutlich mehr zu Haferflecken, wir beobachten sie durch alle Rassen hindurch. Wichtiger als die Rasse scheint die individuelle Komponente zu sein.“
Fütterungszustand prüfen
Entdecken Pferdebesitzer:innen Hafertaler bei ihren Schützlingen, „ist dies zunächst einmal kein Grund zur Sorge“, rät Führ zur Gelassenheit. Dennoch könnten die Fellveränderungen als Anlass genommen werden, den Fütterungszustand des Vierbeiners unter die Lupe zu nehmen. Liegt der Body Condition Score über dem Idealwert von 5 oder 6, sollte man besser die Futterration kritisch überprüfen und ggf. reduzieren als seinem Pferd aufs Geratewohl Pülverchen zur Unterstützung der Leberfunktion unterzumischen.
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Diese sollten dann verabreicht werden, wenn tatsächlich Bedarf besteht. Und ob das der Fall ist, lässt sich immer noch am zuverlässigsten über die Blutwerte feststellen, so Dr. Sonja Berger. Sie nennt die Enzyme Glutamatdehydrogenase (GLDH), Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT), Aspartat-Aminotransferase (AST), Lactatdehydrogenase (LDH), Alkalische Phosphatase (AP) sie Ammoniak, die Gallensäuren, Bilirubin und die Blutgerinnungsparameter als wichtigste Parameter bei einem Verdacht auf Leberprobleme.