Urteil

Fiaker vs. Tierschützer: Gericht gibt Fuhrwerksunternehmen recht

Ein Artikel von Redaktion | 23.06.2022 - 12:36
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Heiße Temperaturen und Pferde in der Wiener Innenstadt - dieses Thema sorgt seit Jahren für hitzige Debatten.
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Seit Jahren kritisieren Tierschützer:innen, dass Fiakerpferde unter den sommerlichen Temperaturen in der Wiener Innenstadt massiv leiden. So hatte der Verein gegen Tierfabriken (VGT) hatte in seinen Aussendungen wiederholt angeführt, dass „aufgrund der Hitze immer wieder Fiakerpferde kollabieren“. Sätze wie diesen muss der Verein künftig unterlassen. Das geht aus einem Urteil des Wiener Handelsgerichtes vom 20. Juni klar hervor.

Bei seinem Urteil stützte sich das Gericht neben den Angaben des zuständigen Veterinäramtes auf die Untersuchungen der Wiener Tierärztin Dr. Isabella Copar. Innerhalb von sechs Jahren hatte sie knapp 2.000 Untersuchungen an Fiakerpferden durchgeführt. Gesundheitliche Probleme aufgrund von Hitze waren dabei nicht festgestellt worden.
 

Tierquälerei würde auffallen

Und noch eine weitere Behauptung darf der VGT künftig nicht mehr verbreiten, nämlich jene, dass der „Alltag der Fiakerpferde Tierquälerei sei, da reine Boxenhaltung ohne jeglichen Auslauf, oft unter fürchterlichen Bedingungen vorliege“. Das sah das Gericht anders. Die Haltung der Fiakerpferde erfolge im Einklang mit der 1. Tierhaltungsverordnung, zudem würden „75% der Wiener Fiaker über zusätzliche Grünflächen verfügen, „die weit über den gesetzlichen Standard hinausgehen“, heißt es im Urteil. Durch die regelmäßigen Kontrollen des Veterinäramtes, das vor allem im Sommer bei heißen Temperaturen verstärkt Überprüfungen durchführt, würde „Überanspruchung oder Tierquälerei“ zudem sofort auffallen, so das Gericht weiter.

Zuspruch und Ärger

In der Fiakerbranche stößt das Urteil verständlicherweise auf großen Zuspruch. „Wir sind an der Gesundheit unserer Pferde nicht nur interessiert, sondern wir setzen uns umfassend dafür ein, dass die Tiere gut gehalten, genährt und entsprechend auch betreut werden. Das Urteil sehen wir als Bestätigung unserer Arbeit und hoffen, dass sowohl Öffentlichkeit als auch Politik einen entsprechenden Paradigmenwechsel in der Bewertung der Fiaker vornehmen werden“, sagte Marco Pollandt vom offiziellen Informationsportal der Wiener Qualitätsfiaker fiaker.info.

Enttäuschung und Ärger dominiert hingegen beim VGT. Der Verein kündigt Berufung gegen das noch nicht rechtskräftige „skandalöse Fiakerurteil“ an. Wenn nötig, werde man durch alle Instanzen gehen.


Keine Hitzeferien am 30 Grad

Geschlagen geben müssen sich Tierschützer:innen auch an einer weiteren Front: Die vielfach geforderte und von vielen angestrebte Hitzefrei-Regel für Fiakerpferde ab 30 Grad ist vorerst vom Tisch. Die von Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne) für Juni angekündigten Gespräche zwischen der Stadt Wien und dem Bund blieben erfolglos. Eine weitere Temperaturregelung sei derzeit aufgrund der Rechtslage nicht möglich, hieß es aus dem Wiener Rathaus. Nun soll eine neue Studie Klarheit über die tatsächlichen Auswirkungen der heißen Jahreszeit auf Pferde, insbesondere auf Fiakerpferde, bringen.

Der Wiener Tierschutzverein zeigte sich enttäuscht über die verpasste Chance, das Leben der Pferde zu verbessern. Es gäbe bereits genügend Erkenntnisse, „dass die Umgebung in der Stadt mit unebenem Kopfsteinpflaster, viel Lärm und hektischem Personen- und Autoverkehr für sensible Tiere wie Pferde nicht artgemäß ist.“ In Kombination mit extremer Hitze bedeute dies zusätzliche Qualen und Leid, heißt es in einer Aussendung.  

In dieselbe Kerbe schlägt der VGT. Aufnahmen mit Wärmebildkameras würden belegen, dass die Bodentemperatur direkt bei den Pferden bis zu 50 Grad und die Lufttemperatur bis zu 38 Grad hat, ohne dass bei der offiziellen Messstelle die 35-Grad-Schwelle überschritten wurde und die Pferde damit Hitzefrei bekommen. „Bei aller Uneinigkeit in der Politik: Wenn es darum geht, Pferde bei bis zu 38 Grad in der Sonne leiden zu lassen, ist man sich zwischen Stadt Wien und Bund scheinbar einig. Und das, obwohl 76 Prozent der Österreicher:innen und knapp 55.000 Unterzeichner:innen unserer Petition sich für eine Hitzefrei-Regelung ab 30 Grad aussprechen. Wir werden uns weiter für die Pferde einsetzen, bis versprochene Änderungen auch umgesetzt werden“, gibt sich VGT-Kampagnenleiter Georg Prinz kämpferisch. Für die nächsten heißen Tage kündigte der Verein Proteste und Kontrollen an den Standplätzen an.