Tierschutz

Stutenblutfarmen: Island bekommt Rute ins Fenster gestellt

Ein Artikel von Redaktion | 12.05.2023 - 12:30
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Etwas mehr als Viertausend Stuten werden auf Island zur Gewinnung des PMSG-Hormons genutzt. (Symbolfoto) © Kukota Ekaterina | stock.adobe.com

Seit Betriebe in Südamerika wegen ihrer tierquälerischen Praktiken in Verruf geraten sind, hat das Geschäft mit dem Blut trächtiger Stuten neue Quellen aufgetan. Inzwischen gehört Island zu den größten Exporteuren des Sexualhormons PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin).

Wie Ermittlungen der Tierschutzorganisation Animal Welfare Foundation (AWF) ergaben, steht man in Europa den tierquälerischen Praktiken, derentwegen Blutfarmen in Argentinien und Uruguay so massiv in die Kritik geraten waren, um wenig nach.

Ein im Jänner 2022 ausgestrahlter Beitrag des ARD Magazins Plusminus zeigte Bilder von Stuten, die in Fixierboxen mit einem Gurt über dem Rücken festgeschnallt werden, ihr Kopf mit einem Seil hochgezogen und an einer Seite der Box befestigt, während ihnen zur Blutabnahme eine beinahe fingerdicke Kanüle in die Halsvene eingeführt wird. Je Sitzung werden fünf Liter Blut gewonnen, bis zum 120. Trächtigkeitstag kommen pro Stute etwa 40 Liter des begehrten Rohstoffes zusammen.

Der Umgang mit den Pferden während dieser Prozedur gestaltet sich in vielen Fällen roh, um nicht zu sagen brutal. Videoaufnahmen zeigen, wie Tiere mit Eisenstangen und Holzbrettern geschlagen und gestoßen werden, stürzen und augenscheinlich massivem Stress ausgesetzt sind. Diesen qualvollen Ablauf durchleben Blutstuten im Sommer wöchentlich. Und das auf Island. Einem Land, in dem Pferde Teil des Nationalstolzes sind.

Beschwerde eingereicht

Im März 2022 wurde die EFTA-Überwachungsbehörde ESA in einer gemeinsamen Beschwerde von 17 internationalen Tierschutzorganisationen über die PMSG-Gewinnung in Island informiert. Zentraler Punkt darin: Die im EWR-Raum geltende EU-Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere würden bei der Blutgewinnung auf Island nicht eingehalten. Rechtlich gesehen werden Blutentnahmen zur Herstellung von Arzneimitteln als Tierversuche eingestuft.

„Die EU-Richtlinie gibt klar vor, dass Tiere nur dort für wissenschaftliche Zwecke und die Produktion von Arzneimitteln eingesetzt werden dürfen, wo es keine Alternativen gibt“, erklärt Sabrina Gurtner, Projektleiterin Pferde beim Tierschutzbund Zürich (TSB) und der AWF. „Die Blutfarmen haben keine Berechtigung mehr, denn es gibt Alternativen für den Einsatz von PMSG durch hormonfreie Methoden oder synthetische Präparate.“

Als Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation muss Island die Vorschriften des EWR befolgen. Deshalb wurde die Überwachungsbehörde ESA aktiv. Im April 2022 bat sie die isländische Regierung um eine Stellungnahme. Diese reagierte mit einer neuen Verordnung, allerdings, so hat es den Anschein, nur pro forma. „Diese Verordnung legalisiert lediglich die bisherige Praxis, für die betroffenen Stuten hat sich nichts verändert“, kritisiert Gurtner. „Die entnommene Blutmenge wurde nicht reduziert, weiterhin werden halbwilde Pferde eingesetzt und dieselben heruntergekommenen Blutentnahmeboxen verwendet.“


EU-Vorgaben zum Schutz der Tiere nicht umgesetzt

Das sieht die ESA offenbar ähnlich und kritisiert, dass die neue Verordnung die EU-Vorgaben zum Schutz der Tiere nicht umsetzt. Die EU-Richtlinie 2010/63 gibt vor, dass der Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke reduziert werden muss, mit dem Ziel, dass letztendlich keine Tiere mehr eingesetzt werden. Zudem darf kein Mitgliedsland des EWR ein derartiges Projekt genehmigen, bevor eine umfassende Projektbeurteilung stattgefunden hat. Das Ziel ist, den Einsatz und das Leiden der Tiere auf ein Mindestmaß zu reduzieren und wo immer möglich zu vermeiden.


Zwei Monate Zeit

Die isländische Regierung hat nun zwei Monate Zeit auf die Kritik der ESA zu reagieren. Die ESA behält sich ausdrücklich vor, bei nicht zufriedenstellender Antwort auch rechtliche Schritte gegen Island einzuleiten. „Größer könnte der Imageschaden für Island nicht sein. Die Verordnung vom letzten Sommer zeigt, dass die isländische Regierung den Interessen der Blutgeschäftbetreiber folgt und dafür sogar bereit ist, geltendes EWR-Recht zu ignorieren. Das ESA-Mahnschreiben ist ein Schlag ins Gesicht. Ob Island mit einem blauen Auge davonkommt, hängt jetzt ab von der Reaktion auf die Kritik der EFTA-Behörde“, zeigt sich Tierschützerin Sabrina Gurtner skeptisch.

Das Mahnschreiben der ESA kann hier nachgelesen werden.