Bio-Produkte aus dem ökologischen Landbau boomen, weil sie für gesunde und unbelastete Ernährung stehen. In der Lebensmittelbranche verzeichnet man ein jährliches Wachstum von 15 Prozent. Auch Hunde- und Katzenbesitzer greifen immer öfter zum Öko-Futter, wogegen man in den Raufen und Krippen der Pferde noch vorwiegend konventionell produziertes Futter findet. Ein Grund dafür mag sein, das Bio-Produkte generell teurer sind als konventionelle, in Einzelfällen sogar bis zu 50 Prozent. © Allyson Kitts - Fotolia.com
Seit seiner Domestizierung vor etwa 7000 Jahren wird das Pferd vom Menschen „biologisch“ gefüttert. Davor hatte es sich seine biologische Nahrung 60 Millionen Jahre lang selber gesucht. Erst mit der erhöhten Produktion und Anwendung von Kunstdüngern vor etwa 50 Jahren, der Erfindung und dem Einsatz von Herbiziden vor 30 Jahren sowie der Veränderung der Gräsergemeinschaft auf Weiden und Heuwiesen (vermehrte Aussaat von Kulturgräsern mit hohen Energiegehalten = Zucker) erhält das Pferd von uns künstlich veränderte Futtermittel. Und genau in diesem verhältnismäßig kurzen Zeitraum nahmen sogenannte Wohlstandskrankheiten wie Equines Metabolisches Syndrom (EMS), Equines Cushing Syndrom, Diabetes mellitus Typ 2 und Grasrehe rasant zu. Alles ein Zufall?
Kunstdünger, Herbizide und Hochzuckergräser
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte der Chemiker Fritz Haber die katalytische Ammoniak-Synthese, mit der die Herstellung von Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff möglich wurde. Dies war die Grundlage zur massenhaften Produktion von Kunstdünger. Durch das großflächige und massenhafte Ausbringen in den hoch entwickelten Industrie- und Agrarländern (dazu zählt auch Österreich) konnten die Erträge von Getreide- und Grünlandprodukten erheblich gesteigert werden – und damit auch die Milch- und Fleischwirtschaft. Erst ab den 1980er Jahren geriet der synthetische Dünger zunehmend in die Kritik, da seine übermäßige Verwendung ökologische Schäden verursacht. Deshalb sank in Österreich seit etwa 1985 der Verbrauch von mineralischen Düngemitteln wieder.
Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das erste hochwirksame Herbizid entwickelt, ab den 1980er Jahren begann ihre massenhafte Anwendung, um unerwünschte Pflanzen aus der Agrar- und Grünlandwirtschaft zu verdrängen. Durch diesen großflächigen und regelmäßigen Einsatz verringerte sich das Pflanzenartenspektrum in der Gräsergemeinschaft nachhaltig. Und da überdies von jeder Pflanzenart auch mehr oder weniger viele Insektenarten abhängig sind und von diesen wiederum andere Tiere (Nahrungsketten), besteht die Gefahr der generellen Artenverarmung, die bereits in vollem Gange ist. Dieser massive Artenrückgang in den Agrarlandschaften Europas ist vor allem eine Folge des übermäßigen Einsatzes von Herbiziden und Insektiziden.
Einen weiteren erheblichen Eingriff in die Struktur der Grünlandwirtschaft ist die Umwandlung blüten- und artenreicher Mähwiesen in ertragreiches, aber artenarmes Intensivgrünland durch das Abtöten alter Pflanzenbestände mit der Aussaat schnell wachsender und energiereicher Gräser (Hochleistungsgräser, Hochzuckergräser). Und genau diese Zunahme zuckerreicher Süßgräser mit gleichzeitigem Rückgang wichtiger und für das Pferd zuträglicher Kräuter im Ausgangsmaterial von Heu – also dem Gras – ist für die erschreckende Zunahme überhöhter Blutzuckerwerte mit gleichzeitiger Insulinresistenz (EMS, ECD) bei leichtfuttrigen Pferden verantwortlich. Auch durch die Tatsache, dass 51 Prozent aller Pferde Übergewicht haben und 19 Prozent unter Adipositas (= Fettleibigkeit) leiden (US-Studie einer Forschergruppe an 300 untersuchten Pferden hinsichtlich Gewicht, Körperfettanteil und Körpermasse), muss man zu dem Schluss kommen, dass Pferden kontinuierlich zu viel Energie (= Zucker) zugeführt wird
Biologisch erzeugtes Heu
Weidelgras gehört zu den Hochleistungsgräsern, die vor allem bei leichtfuttrigen Pferden Stoffwechselerkrankungen hervorrufen können. © stocksberger - fotolia.com
„Bio-Heu besitzt im Gegensatz zum üblichen Heu bis zu 127 verschiedene Gräser- und Kräuterarten, während das normale Bergheu nur rund 14 verschiedene Gräser- und Kräutersorten enthält.“ Diese beeindruckenden Zahlen stammen aus einer Informationsschrift „Das Bio-Heu aus dem Passeiertal“. Dass nicht jedes biologisch angebaute Heu mit dem Bergheu des Passeiertals mithalten kann, ist natürlich klar. Dennoch ist die Artenzusammensetzung von Bioheu weitaus vielseitiger als von Heu, das aus mit Pestiziden und chemisch-synthetischen Stickstoffdüngern behandelten Heuwiesen stammt.
Das Bio-Siegel allein ist dabei nicht automatisch ein Garant für hohe Qualität. Auch Bio-Heu kann minderwertig sein, etwa dann, wenn der Aufwuchs infolge eines zu trockenen Frühjahrs zu spärlich war oder das Heu durch feuchte Erntebedingungen, tiefen Schnitt oder zu festes Pressen zu Schimmelbildung neigt bzw. aufgrund des Herbizidverzichts einen erhöhten Anteil an unerwünschten Pflanzen aufweist.
Artenvielfalt kontra Giftpflanzen
Durch mangelnde Weidepfl ege können sich Giftpflanzen wie das Jakobskreuzkraut ausbreiten, in Silage oder Heu sind die Pflanzen nicht mehr erkenn- und aussortierbar. © Christian Fischer
Weniger Dünger, der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und ein pferdegerechtes Saatgut ohne Weidelgräser und mit Kräuteranteil ökologisch ausgerichteter Grünlandbewirtschaftung lässt auch weniger ergiebige Grassorten und Kräuter wachsen, die der Ernährungsphysiologie der Pferde zugute kommen. Allerdings hat diese an sich positive Artenvielfalt „leider auch ein häufigeres Auftreten von Giftpflanzen zur Folge, deren toxische Inhaltsstoffe auch in der Heulage oder im Heu über einen längeren Zeitraum aktiv bleiben können“, warnt Dr. Jacqueline Küpper vom Fachbereich Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich.
Während Giftpflanzen auf der Weide in der Regel von den Pferden gemieden werden, können sie diese im silierten oder getrockneten Zustand nicht mehr identifizieren und ausselektieren. Als Käufer sollte man deshalb nach dem Wiesenstandort fragen. Die meisten Giftpflanzen wachsen nur an Waldrändern, in Feuchtgebieten und auf sogenannten Stilllegungsflächen oder Industriebrachen.
Auch die Natur hat ihre Pestizide
Getreide wie Hafer oder Gerste sind auch von konventionellen Feldern relativ unbedenklich, kritischer ist das Stroh, da die Kontamination der Halme selten untersucht wird. © Shavel Aksana - fotolia.com
Bio-Produkte gelten vor allem als gesünder, weil beim Anbau keinerlei chemische Pflanzenschutzmittel angewendet werden dürfen. Dieser Verzicht soll u. a. durch widerstandsfähigere Sorten wettgemacht werden. Pflanzen produzieren nämlich natürlicherweise zahlreiche Substanzen, um sich selbst gegen Schädlinge und Krankheiten durch Pilze oder Bakterien zu schützen, die einer US-Studie zufolge nicht weniger giftig sind als synthetisch hergestellte Pestizide: „Die Giftigkeit von synthetischen und natürlichen Toxinen ist ähnlich. In Hochdosis-Tests konnte gezeigt werden, dass ein großer Anteil von sowohl natürlichen wie auch synthetischen Substanzen karzinogen (krebserregend), mutagen (Mutationen im Erbmaterial auslösend) und teratogen (Missbildungen bewirkend) sind (30 bis 50 Prozent für jede Gruppe)“, so Professor Bruce N. Ames von der Universität in Kalifornien. So sei die Wahrscheinlichkeit, durch einen behandelten Apfel Krebs zu bekommen nicht größer als beim Verzehr eines unbehandelten. Aufgrund der sehr niedrigen Dosen ginge aber von beiden Klassen kaum eine gesundheitliche Gefahr aus, versichert Professor Ames.
Zur direkten Schädlingsbekämpfung sind im ökologischen Landbau außerdem sogenannte Bio-Insektizide als Hilfsstoffe zugelassen, die jedoch bewilligt werden müssen. Diese natürlichen Insektizide werden aus pflanzlichen oder tierischen Giften gewonnen und im Obst- und Gemüseanbau etwa gegen Blattläuse oder Erdflöhe eingesetzt. Kritische Stimmen bemängeln, dass bislang nur wenige natürliche Pestizide auf mögliche gesundheitsgefährdende Auswirkungen hin untersucht wurden.
Ist Bio-Futter wirklich besser?
Unter den Obst- und Gemüsesorten werden vor allem Karotten und gelegentlich auch Äpfel an Pferde verfüttert. Insbesondere im Winter sind Futterkarotten eine willkommeneAbwechslung. Allerdings wird geradeWurzelgemüse mit chemischen Herbiziden behandelt, während Äpfel insgesamt weniger mit synthetischen Pestiziden belastet sind. © regataFly - fotolia.com
Aufgrund ihrer umweltschonenden und artgerechten Erzeugung ist Bio-Kost aus ökologischer und tierschutzrelevanter Sicht auf jeden Fall besser für Mensch, Tier und Natur. Doch sind Bio-Produkte auch gesünder? „Weltweit ist das Risiko für die menschliche Gesundheit, das von chemischen Pestizidrückständen ausgeht, als relativ klein einzustufen. Untersuchungen zufolge gehen in Europa bloß 0,5 Prozent der durch den Verzehr von Nahrungsmitteln bedingten Krankheitsausbrüchen auf synthetische Substanzen zurück“, so Professor Ames. Hinzu komme, dass ökologisch produzierte Lebens- und Futtermittel infolge Abdrift behandelter Nachbarkulturen und aufgrund der allgemeinen Umweltverschmutzung auch nicht gänzlich frei von Schadstoffen seien. Im Vergleich stuft der Wissenschaftler deshalb biologisch wie konventionell erzeugte Produkte als ähnlich sicher ein.
Auch Tierärzte sehen kein erhöhtes Gesundheitsrisiko durch konventionelles Futter mit Ausnahme von Grünlandprodukten wie Heu und Silagen, die wegen ihrer energiereicheren und artenärmeren Zusammensetzung für Pferde weniger geeignet sind und zu Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen führen können.
Zur Gesunderhaltung eines Pferdes steht nach Ansicht von Futterexperten die Qualität des Futters im Vordergrund – egal ob bio oder nicht. Vor allem giftige, meist durch unsachgemäße Lagerung hervorgerufene Schimmelpilze, die für Pferde schon in sehr geringen Mengen gesundheitsschädigend sein können, seien problematisch und dürften keinesfalls verfüttert werden. Solange also die Qualität stimmt, muss es nicht unbedingt Öko-Futter sein.