Wenn Pferdehaltungen von offizieller Seite unter die Lupe genommen werden, kommt es immer wieder zu Beanstandungen. Mit dem Pferde-Sachverständigen DI Dr. Peter Zechner haben wir darüber gesprochen,... Mehr lesen ...
Verweigert ein Pferd sein Heu, obwohl alle anderen im Stall genüsslich daran kauen, liegt ein medizinischer Grund nahe. Ob Zähne, Verdauungstrakt oder gar ein weniger leicht ersichtliches Problem schuld ist, sollte schnellstmöglich vom Tierarzt abgeklärt werden. Fressen hingegen mehrere Pferde eines Stalles deutlich weniger Heu als üblich, liegt das Problem wahrscheinlich beim Heu selbst. Es gilt, dieses genau unter die Lupe zu nehmen. Wie geht man in diesen Fällen am besten vor?
Minderwertiges Heu
Hier kann die Sinnenprüfung erste Hinweise geben. Dafür wird das Heu nach Griffigkeit, Farbe und Geruch beurteilt (siehe auch PR online). Die Nase tief ins Heu zu stecken, ist allerdings nicht unbedingt zu empfehlen. Zum einen ist der Geruchssinn des Menschen viel schlechter ausgeprägt als jener der Pferde – selbst wenn der Mensch keinen ungewöhnlichen Geruch wahrnimmt, kann das Heu für das Pferd unangenehm riechen. Zum anderen ist die gesundheitliche Gefährdung zu bedenken, wenn man Keime, Schimmelpilze, Toxine und Co. einatmet. Daher lieber nur schnuppern und die genaue Prüfung des Heus optisch vornehmen: Schwarze oder schimmlige Stellen sind ein Warnsignal, ebenso wenn das Heu sich klamm anfühlt. Auch das Aufschütteln gibt Hinweise: Staubt es stark, deutet dies auf erhöhten Keimbefall hin. Am besten trägt man eine Schutzmaske, um keine schädlichen Stoffe zu inhalieren – beispielsweise kann das Hanta-Virus über mit Nagerkot oder -urin kontaminierten Staub übertragen werden.
Verschmutztes Heu
Wird Heu auf unbefestigtem Boden verfüttert, kann es zu einer Vermischung mit dem Boden kommen. Pferde rühren das schmutzige Heu dann oft nicht mehr an, treten nur noch darauf. Abhilfe können Heunetze oder Heuraufen schaffen, bei Bodenfütterung ist ein befestigter, gut zu reinigender Untergrund wichtig. Und dann gibt es Pferde, die ihr Heu entweder in der ganzen Box verteilen und mit dreckiger Einstreu kontaminieren – oder gezielt ihre Exkremente ins Heu absetzen. Letzteres passiert vor allem dann, wenn die Pferde keine andere weiche Unterlage zum Urinieren haben, also bei zu wenig Einstreu oder (grundsätzlich tierschutzwidriger!) einstreuloser Haltung. Oft hilft schon eine ausreichend hohe Schicht Einstreu, zusätzlich können auch hier Heunetze oder -raufen sinnvoll sein. Achtung: Von beiden geht eine Verletzungsgefahr aus, daher nur für Pferde ausgelobte Modelle verwenden und diese fachgerecht installieren bzw. aufstellen.
Fremdstoffe im Heu
Nicht selten finden sich im Heu Dinge, die dort nicht hineingehören. Auch diese können den Vierbeinern ihr Heu vermiesen:
- Manche Giftpflanzen werden von Pferden im Heu erkannt und verschmäht. Leider funktioniert das nicht zuverlässig – so wurde etwa von Ingrid Vervuert in zwei Untersuchungen Jakobskreuzkraut (bzw. tinyurl.com/JKK-Korrektur) und Herbstzeitlose mitgefressen.
- Heu von Wiesen in der Nähe von mit Eichenprozessionsspinnern befallenen Bäumen kann Haare der Raupen enthalten. Beim Fressen können diese unter anderem Entzündungen der Maulschleimhaut oder Atemprobleme verursachen. Expert:innen raten, kein Heu von solchen Wiesen zu ernten sowie kontaminiertes Heu zu entsorgen.
- Auch eigentlich harmlose Pflanzen können Probleme verursachen, wie eine aktuelle Studie von Ingrid Vervuert zeigt: In einem süddeutschen Pferdebetrieb entwickelten 29 von 33 Pferden in einem Aktivlaufstall Entzündungen und Geschwüre an Lippen und Zahnfleisch – wenige Tage nachdem eine neue Heucharge verfüttert wurde. Die botanische Analyse ergab einen 15-prozentigen Anteil von Windhalm (Apera spica-venti), dessen Grannen als Auslöser vermutet wurden. Ingrid Vervuert nennt noch weitere Pflanzen, bei denen eine solche Problematik bekannt ist: mehrere Borstenhirse-Arten (Setaria spp.), Blaustängelige Besensegge (Andropogon virginicus), Büffelgras (Cenchrus echinatus) sowie Triticale- oder Gerstenarten. Auch wenn in dieser Studie nicht beobachtet, können Reizungen im Maul zu verminderter Futteraufnahme führen.
- Immer häufiger ein Problem: achtlos weggeworfener Müll wie Plastiktüten, leere Dosen und vieles mehr. Im besten Fall sortieren die Pferde den Müll aus dem Heu aus, fressen sie diesen mit, drohen gesundheitliche Folgen.
- Bei eingepressten Tierkadavern ist größte Vorsicht geboten, es besteht die Gefahr einer Botulinumvergiftung. Erdklumpen haben im Heu ebenfalls nichts zu suchen. Auch im Lager kann das Heu nachträglich kontaminiert werden, etwa durch Urin und Kot von Schadnagern, Katzenkot oder stark riechende Mittel, die neben den Ballen gelagert werden.
- Leider wird auch immer wieder Tierkot ins Heu eingepresst. Tatsächlich nutzen manche Hundehalter:innen Wiesen als Hundeklo. Wer schon einmal einen Heuballen aufgeschüttelt hat, in dem sich ein Hunde-Kothaufen befand, weiß um den unangenehmen Geruch. Kein Wunder also, wenn Pferde solches Heu verschmähen, oft sogar den ganzen Ballen. Bei Rinderhaltern ist Hundekot gefürchtet, da eine Übertragung des parasitischen Einzellers Neospora caninum zu Fehlgeburten führen kann. Der Hund gilt aktuell als der einzige bekannte Endwirt, der dessen infektiöse Eier (Oozysten) mit dem Kot ausscheidet. Auch wenn Pferde genau wie Rinder als Zwischenwirte dienen, scheint es momentan so, dass Pferde im Gegensatz zu diesen nur sehr selten Symptome entwickeln. Ein hygienisches Problem ist Hundekot im Heu aber allemal.
Zeigt ein Pferd, dass es mit dem Heufressen ein Problem gibt, darf das unter keinen Umständen ignoriert werden. © www.slawik.com
Struktur des Heus
Pferdeheu muss spät geerntet werden – so hieß es viele Jahre. Allerdings begünstigt ein später Schnittzeitpunkt einen Pilzbefall auf der Wiese, zudem ist das Heu sehr eiweißarm. Auch ist spät geerntetes Heu verholzter als ein früherer Schnitt, was viele Pferde nicht gerne fressen, vor allem ältere Pferde haben mit dem „harten“ Heu Schwierigkeiten. Andererseits mögen viele Pferde sehr weiches Heu ebenfalls nicht, weiß Cornelia Rückert, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik. Die Ursache dafür sei aktuell noch nicht ausreichend geklärt. Der Erntezeitpunkt von Pferdeheu sollte also genau austariert werden: Nicht zu spät, aber auch nicht zu früh, sonst ist zu wenig Rohfaser enthalten. Expert:innen empfehlen als optimalen Schnittzeitpunkt Beginn bis Mitte der Gräserblüte – allerdings stehen bei Naturschutzflächen oft Auflagen dagegen.
Praxis
Achtung bei Heuballennetzen
Bei Rundballen (auch im Offenstall: siehe PR online) ist die Wickelung unbedingt komplett zu entfernen, sonst können Fäden mitgefressen werden. Solch unverdauliche blinde Passagiere im Darm können gut ausgehen oder zu Problemen führen, die schlimmstenfalls operiert werden müssen. Falls ein Plastikfaden aus dem After eines Pferdes hängt, gilt: Nicht ziehen! Das könnte zu Verletzungen führen. Der Faden geht im Normalfall von selbst mit dem nächsten Haufen ab.
Lieber Gras als Heu?
Manchmal rühren Pferde ihr Heu nicht an, obwohl sie weder krank sind noch das Heu irgendwelche Mängel aufweist. So ist es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, dass sich die Vierbeiner erst einmal auf das frisch eingestreute Stroh stürzen und das Heu – zumindest für einige Zeit – nicht beachten. Besonderes während der Phase des Anweidens typisch: Das vor dem Weidegang gefütterte Heu wird nur widerwillig gefressen in Erwartung des saftigen, frischen Grases. Mit dem Weidegang sollte aber dennoch gewartet werden, bis zumindest ein Teil der Ration vertilgt wurde, um Verdauungsbeschwerden zuvorzukommen.
Eine naheliegende Vermutung, wenn das Pferd sein Heu nicht frisst: Gibt es ein Zahnproblem? © www.slawik.com
Zahnprobleme
Pferde mit Zahnproblemen oder auch Verletzungen in der Maulhöhle fressen oft weniger Heu. Für ein Kilogramm Heu sind circa 3000 Kauschläge erforderlich – wenn an den Zähnen oder Schleimhäuten etwas weh tut, ist es also nicht verwunderlich, dass das Pferd das Heu verweigert. Auch „Heuwickel“ – das Pferd spuckt eingespeichelte Heuklumpen wieder aus, die dann in der Box beziehungsweise am Futterplatz gefunden werden – sind ein typisches Zeichen. Bei diesen Symptomen sollte schnellstmöglich ein Tierarzt hinzugezogen werden. Es sollte allerdings sowieso selbstverständlich sein, dass die Zähne in regelmäßigen Abständen (normalerweise einmal jährlich) kontrolliert werden, so können Erkrankungen frühzeitig erkannt und gegebenenfalls behandelt werden, noch bevor Schwierigkeiten bei der Futteraufnahme auftreten. Bei älteren Pferden und Pferden mit bekannten Zahnproblemen sind dann engmaschigere Kontrollen angezeigt.
Verdauungsstörungen
Auch Probleme im Verdauungstrakt können schuld daran sein, wenn ein Pferd nicht mehr (richtig) frisst:
- Bei Koliken verweigern manche Pferde ihr Futter gänzlich – aber Achtung: Manche fressen auch ganz normal weiter. Hinzu kommen eventuell Symptome wie (mehrmaliges) sich Wälzen, häufiges Liegen, Schlagen nach dem Bauch und vieles mehr – jedes Pferd reagiert anders auf eine Kolik.
- Feststeckende Nahrung in der Speiseröhre führt zu einer Schlundverstopfung, oft quillt das Futter aus den Nüstern heraus. Sowohl Kolik als auch Schlundverstopfung sind tiermedizinische Notfälle, der Tierarzt muss umgehend gerufen werden.
- Viele Pferde haben Magengeschwüre, Expertenschätzungen zufolge leiden etwa die Hälfte der Absetzer und 60 Prozent der Freizeitpferde darunter, bei Sport- oder Rennpferden ist die Rate noch höher. Ursachen sind unter anderem Stress, Fehler im Fütterungsmanagement (mangelhafte Qualität, zu lange Fresspausen, zu wenig Raufutter, zu viel Kraftfutter etc.) oder Medikamente.
Wenn Pferde ihr Heu verweigern, muss nach der Ursache geforscht werden. Die Idee „Es gibt nichts anderes, bis sie alles aufgefressen haben“ ist keine gute, schließlich verschmähen die Pferde ihr Futter nie grundlos. Und im Zweifelsfall tauscht man den Heuballen besser einmal zu oft aus, bevor den Pferden gesundheitliche Folgen drohen.