Die schlechten Nachrichten vorweg: Ob ein Pferd fein im Maul – und damit fein zu reiten – ist, bedeutet für jeden etwas anderes: für Western- und klassische Dressurreiter:innen, für Anfänger und Fortgeschrittene sowie für jeden Einzelnen, abhängig von seiner Vorstellung und Wahrnehmung. Untersuchungen beim klassischen (englischen) Reiten zeigten, dass der Zügelzug im Schnitt nur selten unter ein paar Kilo beträgt, zwischen vier und acht Kilo pro Zügel sind eher die Norm als die Ausnahme. (Dr. Kathrin Kienapfel, So spürt das Pferd den Zügel, tinyurl.com/56j9xkek) Ob ein Pferd dabei fein im Maul ist oder bleibt, ist fraglich. Die gute Nachricht: Man kann dazulernen, immer mehr Gefühl entwickeln und jeden Tag erneut, die Kommunikation mit dem Pferd verfeinern.
Das Prinzip der feinen Hilfengebung
Auf der Suche nach einer Definition für den vielfach unter Reiter:innen verwendeten Begriff „fein im Maul“ wird man nicht direkt fündig. Im Standardwerk der klassischen (englischen) Ausbildung „Der Reiter formt das Pferd“ (FN-Verlag) gibt es aber eine Beschreibung der Biomechanik für feines Reiten: „Das Pferd trägt dabei das Gebiss mit den Kaumuskeln, d. h. bei geschlossener Lippenspalte ist der Unterkiefer leicht geöffnet. Der losgelassene Kaumuskel macht nicht etwa regelmäßige Kaubewegungen, sondern er hält durch ständiges Mitbewegen die Fühlung der Lade mit dem Gebiss.“
Einer der Autoren, Tierarzt Dr. Udo Bürger, erklärt in seinem Buch „Vollendete Reitkunst“ (Verlag Paul Parey, 1982) die anatomischen Grundlagen dafür als „das Spiel des ineinandergreifenden Kupplungssystems: Kaumuskel-Ganasche-Nacken“, und besteht auf der Notwendigkeit, beim jungen Pferd auf Reithalfter zu verzichten, da ansonsten „von Anfang an ein Zwang im Kiefer ausgelöst wird, der sich auf das ganze Pferd ausdehnen kann“. Seiner Ansicht nach kann das junge Pferd das „unbefangene Kauen“ nur so lernen.
Die für ihr feines Reiten bekannte Ausbilderin und Richterin Luise Wessely-Trupp sagt: „Fein im Maul bedeutet für mich eine gleichmäßige, leichte und weiche Verbindung, bei der alle meine ,Fragen‘ (mit der Hand in Kombination mit Kreuz und Schenkel) schnell und willig beantwortet werden. Erlangen bzw. erhalten tue ich es, indem ich das Pferd immer wieder erinnere, sich selbst zu tragen, von hinten nach vorne an das Gebiss heranzutreten, niemals einfach anziehe oder achtlos ,lenke‘, und sie zwischendurch vorsichtig abkauen lasse.“
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Wie man zu einer solchen gleichmäßigen, leichten und weichen Verbindung kommt, ist vielen Reiter:innen nicht klar. In der Dezemberausgabe der Pferderevue bringen wir Licht ins Dunkel und zeigen außerdem wcihtige Übungen für eine feinere Reiterhand.
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