Wanderreiten

Ab ins Abenteuer!

Ein Artikel von Carola Leitner | 28.06.2024 - 12:23
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Die Wanderreit-Saison ist endlich da! Wer sein Pferd noch nicht darauf vorbereitet hat, kann immer noch damit anfangen und sich im Herbst auf ein Abenteuer begeben.

Doch was sind die Voraussetzungen für einen harmonischen und sicheren Wanderritt? Ausreichend Zeit, um Pferd und Reiter:in auf die Belastungen und Anforderungen vorzubereiten, muss sein. Neben dem Training für Zwei- und Vierbeiner gilt es die Ausrüstung zusammenzustellen und die Vertrauensbeziehung zu stärken: Dabei helfen Bodenarbeit, Gelassenheitstraining und eine gut überlegte Packliste sowie Expert:innen-Tipps.

Das ideale Wanderreitpferd

Auf einem Wanderritt, so gut er auch geplant ist, werden Pferd und Reiter:in auf die Probe gestellt. Dies kann durch überraschend gesperrte Wege passieren, aber auch durch Rasenroboter, flatternde Plastikplanen, Unbekanntes wie Siloballen, eine Baustelle usw. Unabdingbare Eigenschaften eines Wanderreitpferdes sind daher Verkehrssicherheit, ein tadelloser Gesundheitszustand sowie Vertrauen zwischen Tier und Mensch. Ein ideales Wanderreitpferd

  • ist auch im schwierigen Gelände trittsicher,
  • lässt sich von jeder Position aus führen,
  • kann angebunden werden und bleibt dabei ruhig stehen,
  • ist verkehrs- und verladesicher sowie nervenstark,
  • kann trotz fremder Umgebung ausreichend trinken und fressen,
  • ist verträglich im Umgang mit Artgenossen,
  • lässt sich an jeder Stelle einer Gruppe reiten,
  • geht mutig durch Wasser, Tunnel und über Brücken,
  • und kann auch als Handpferd eingesetzt werden.

Vermutlich treffen nicht alle Punkte auf das eigene Pferd zu, das ist auch nicht verwunderlich, denn diese Art „Wunderpferd“ gilt es erst auszubilden. Sie kennen die Charaktereigenschaften Ihres Pferdes am besten und wissen, wo Defizite auszugleichen sind. Ist es schreckhaft oder in der Gruppe dominant? Arbeiten Sie daran!

Vorbereitungstraining: das richtige Mindset

Das Training sollte – je nach geplantem Wanderritt – drei Monate vorher, mindestens aber sechs Wochen vor dem Start beginnen. Überlegen Sie: Wie ist es um die Kondition und den Gesundheitszustand des Pferdes bestellt? Muss vermehrt in Bodenarbeit und Gelassenheitstraining investiert werden? Und: Gibt es körperliche Besonderheiten, die es beim Training zu berücksichtigen gilt? Hat das Pferd noch wenig Erfahrung im Wanderreiten, sollte es mit einem ausgearbeiteten Trainingsplan darauf vorbereitet werden. Aber Achtung: Haben Sie stets das Wohlbefinden des Tieres im Blick und überfordern Sie es nicht. Zudem ist es wichtig, das Training abwechslungsreich zu gestalten. Kombinieren Sie das Konditionstraining mit Gelassenheitselementen und längeren Ausritten. Nur ein zufriedenes Pferd ist auch ein verlässlicher Partner.

Sobald die geplante Route ausgearbeitet ist, kann die konkrete Vorbereitung beginnen: Wie lange ist die Gesamtstrecke, wie sehen das Höhenprofil und der Schwierigkeitsgrad aus? Gilt es einen Fluss zu durchqueren? Müssen Sie eine Baustelle mit Bagger passieren? Gibt es dem Pferd unbekannte „Gefahren“ am Weg, wie z. B. eine blökende Schafherde? 

Vieles lässt sich vorab trainieren und proben: Hat das Pferd Angst vor Wasser, hilft es, ein „wasserfestes“ Pferd als Leitpferd beim Training dabeizuhaben. Gehört man selbst zur Sorte der ängstlicheren Reiter:innen, ist es hilfreich, an der Schrecksicherheit des Pferdes zu arbeiten, denn dies wird auch die eigene Gelassenheit in Gefahrensituationen erhöhen. Je besser Zwei- und Vierbeiner auf mögliche Hindernisse eingestellt sind, desto mehr Sicherheit wird es auf beiden Seiten geben. 

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Ob daheim in Österreich oder anderswo: Wanderreiten will gelernt und geübt sein, und zwar für Pferd und Mensch!  © www.slawik.com

Tipps vom Profi: Minimalismus ist gefragt

Der Oberösterreicher Fritz Kriechbaumer, OEPS Breitensportreferent, Wanderreitführer und Orientierungsreiter, hat einige Tipps zum Thema Wanderreiten auf Lager: „Wichtig ist es, das Alter des Pferdes mitzudenken: Zu jung sollte es nicht sein, denn man will es ja nicht überfordern, und natürlich ist auch die Rasse ein Faktor.“ Einen allgemein gültigen Trainingsplan hat er nicht parat, denn: „Das notwendige Training ist abhängig von der allgemeinen Fitness des Pferdes. Man startet aus der Grundkondition heraus und achtet darauf, das Pferd nicht zu überanstrengen. Als Reiter sollte man sein Pferd kennen und auf das Tier eingehen.“ Ein wichtiger Punkt ist auch die Schrittlänge. „Der Vorreiter hat die Verantwortung über das Feld und muss drauf schauen, dass auch der Ponyreiter – mit anderer Schrittlänge – nicht ständig traben muss. Es soll sich ja für alle ein Erholungseffekt einstellen. Sprich: Das Tempo sollte so angepasst sein, dass alle gut mitkommen, und niemand an seine Grenzen stößt.“ Für einen dreitägigen Einsteigerwanderritt empfiehlt er maximal 25 bis 30 Kilometer pro Tag, „wobei am zweiten Tag die kürzere Strecke zurückzulegen sein sollte. Aber das ist auch eine Frage des Geländes, im Flachland ist es weniger anstrengend als bei uns im Pferdereich Mühlviertler Alm.“ Zum Thema Packliste lacht er: „Es stellt sich meist heraus, dass man zu viel mithat. Ich bin da ein Minimalist …“ 

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Das Fressen, Trinken und Übernachten in der Fremde sowie Geländehindernisse gelassen zu überwinden müssen gute Wanderreitpferde lernen.  © www.slawik.com

Konditionsaufbau: Maß und Ziel

Wurde das Pferd bisher täglich bewegt, verfügt es bereits über eine Grundkondition. Idealerweise wurde nicht nur in der Reitbahn gearbeitet, sondern schwieriges Gelände erkundet, hier und da ein Graben oder Steilhang bezwungen und auch der eine oder andere Ritt mit ausreichend Beleuchtung im Dunkeln absolviert.

Das Aufbautraining sollte an die geplante Strecke angepasst sein, denn wer einen Ritt in den Bergen plant, kann kaum dafür im Flachland trainieren. Wird das Pferd ohnehin regelmäßig bewegt, lässt sich die Kondition leichter aufbauen. Kondition entsteht, wenn die Anforderungen langsam gesteigert werden, dabei muss stets die Gesundheit des Pferdes an oberster Stelle stehen. Ihr künftiges Wanderreitpferd soll Sie täglich sicher von A nach B bringen und Distanzen bis zu 25 oder 30 Kilometer überwinden. Trainieren Sie einen zügigen, raumgreifenden Schritt, denn in dieser Gangart werden Sie die meisten Kilometer zurücklegen. Ideal ist ein Schritt am langen Zügel – ohne zu drängeln. Bauen Sie langsam Trab- und Galoppstrecken in das Konditionstraining ein. Wird das Pferd müde, der Trab schleppend, geht man wieder Schritt. Erst wenn es wieder Vorwärtsdrang zeigt, kann das Tempo wieder erhöht werden. Ähnliches gilt für steile Steigungen: Am besten wird das Pferd an solchen Passagen geführt und danach gönnt man ihm eine kurze Pause. Das Einhalten eines gleichmäßigen Tempos, unterbrochen durch Pausen und Führstrecken ist wichtig, da sich das Pferd so am besten entspannt, und die Muskulatur nicht überfordert wird.

Ausrüstung: Was wirklich wichtig ist

Wichtig ist ein gut sitzender Sattel, am besten mit größerer Auflagefläche, z.B. ein Wanderreitsattel. Halfter und Strick, erprobte und nicht flatternde sowie wasserdichte Packtaschen. Packt man alles Gepäck zusätzlich in Plastikbeutel, kann nichts nass werden! Riemen oder einfache Spanngurte zum Befestigen des Gepäcks, Putzzeug und Hufkratzer, Insektenschutz, Müllsack und Einweghandschuhe für Pferdeäpfel sowie Beleuchtung sollten Sie dabeihaben. Mit einer gebisslosen Zäumung kann das Pferd während kurzer Pausen grasen, diese kann sich bei einem Unfall jedoch schuldsteigernd auswirken. Sicherheit geht vor – wählen Sie darum die Zäumung verantwortungsvoll und mit Blick auf die Kontrollierbarkeit. Praktisch ist ein Wanderreithalfter, bei dem sich im Handumdrehen ein Gebiss einschnallen lässt.

Kleidung aus Naturfaser wie z. B. Merinowolle (getragen im Zwiebelprinzip) ist geruchshemmend, antibakteriell und kann mehrere Tage im Einsatz sein. Ein Regenmantel oder -poncho schützt großflächig vor Nässe, dazu kommen nahtlose Unterhosen, ein warmer Pullover sowie bequeme und eingetragene Reitschuhe. Auch wenn breitkrempige Hüte gern getragen werden, sollte aus Sicherheitsgründen ein Helm bevorzugt werden. In die Packtaschen gehören ein Erste-Hilfe-Set, Sicherheitsnadel, Nähzeug, Powerbank und Ladekabel fürs Telefon (das Handy sollte während des Ritts aber stets am Körper getragen werden!), Karte, Kompass und Karten-App. Pausensnacks sollten Sie griffbereit einpacken, und für bessere Gewichtsverteilung in den Packtaschen besser zwei kleinere Trinkflaschen statt eine große. Hygieneartikel, Sonnen- und Insektenschutz, Stirnlampe und Multitool, Geld, Ausweis sowie Pferdepass sind ohnehin selbstverständlich. Wichtig: Kleidung, Ausrüstung und Co. sollten Sie unbedingt einem Praxistest (am Pferd) unterziehen!

Was der Reiter können muss

Zum Wanderreiten braucht es einen ausbalancierten und losgelassenen Sitz. Wie störend ein nicht ausbalancierter Sitz für das Pferd sein muss, lässt sich mit einem ungleichmäßig bepackten Rucksack einfach am eigenen Körper erfahren – schnell entstehen Schmerzen und Verspannungen im Rücken. Ist der Pferderücken einer ähnlichen Tortur ausgesetzt, können dies auch sorgfältiges Packen und ein perfekt sitzender Sattel nicht ausgleichen.

Joggen, schwimmen oder am Heimtrainer radeln helfen die Kondition zu verbessern. Die Anforderungen an Muskulatur und Kreislauf sind nicht zu unterschätzen, und abhängig vom geplanten Ritt zu trainieren. Bei einsetzender Müdigkeit steigt die Gefahr, sich wie „ein nasser Mehlsack“ im Sattel zu verhalten und das Pferd einer zusätzlichen Belastung auszusetzen. Gemeinsame Spaziergänge mit dem vierbeinigen Wanderpartner stärken die Vertrauensbeziehung und sorgen bei eingebauten längeren Trabstrecken an der Hand auch für eine gute Grundkondition beim Menschen.

Zu guter Letzt will zur Orientierung der Umgang mit Karten, GPS etc. geübt sein. Sie wollen ja nicht im (N)irgendwo die Gastgeber der nächsten Unterkunft zu Hilfe rufen müssen …

Der richtige Ort für einen guten Start

Lust bekommen? Für Wanderreit-Noviz:innen eignen sich zum Einstieg am besten die heimischen Reit-Regionen mit guter Infrastruktur wie das Pferdereich Mühlviertler Alm oder das Pferdeland Nationalpark Kalkalpen. Denn bei der Ritt-Planung müssen Wegerecht und Gesetzeslage mitgedacht werden. Im Wald zu reiten ist nur auf öffentlichen Straßen gestattet, und Wiesen und Stoppelfelder sind tabu – außer man hat die ausdrückliche Erlaubnis für die Benutzung eingeholt. In den genannten Regionen ist vieles einfacher, denn hier finden sich neben vielen Wanderreitbetrieben, Pferderaststätten, Unterkünften sowie Tierärzten und Hufschmieden unzählige schöne ausgeschilderte Reitwege, die durch Wald und Flur führen.