Laufen ist uns in die Wiege gelegt. Kinder gehen selten, sie laufen. Unser Körper ist ausgelegt für sehr lange, langsame Laufstrecken. Einen Zugang zum Laufen findet trotzdem nicht jede:r so leicht.... Mehr lesen ...
In der zweiten Folge der Serie "Bewegungsmomente" wurde bereits festgehalten, dass Freude und Spaß am Training sehr wichtige Faktoren sind, um am Ball zu bleiben. Das gilt nicht nur für uns, sondern auch für unseren Trainingspartner Pferd. Wie oft habe ich Pferde mit „fadem Aug’“ in Reithallen gesehen, die Runde um Runde immer dasselbe Programm abspulten. Pferde brauchen Routinen (wie wir auch) und Abwechslung – in einem gesunden Gleichgewicht. Das fördert neben der körperlichen Fitness auch ihr Selbstvertrauen. Sich mit Neuem zu konfrontieren und auch mal ein kleines Unwohlsein zu überwinden, wenn etwas schwierig oder angsteinflößend ist, erweitert nämlich die Handlungskompetenzen, und stärkt auch die Mensch-Pferd-Beziehung.
Drei Komponenten
Auf diese drei Begriffe stößt man beim Thema Training schnell: Kraft, Ausdauer, Koordination. Im Grunde bestimmen sie jede noch so kleine Bewegung. Wie lange ich diese ausführen kann (Ausdauer), wieviel Energie ich dafür aufwenden muss (Kraft), wie einfach und routiniert sie abläuft (Koordination). Die Koordination ist weiters ein wichtiger Faktor in der Sturzprävention beim Menschen wie auch beim Pferd. Da unsere Biologie auf Energieeffizienz ausgerichtet ist, gilt bei allen drei Komponenten das Motto: use it or lose it. Das Schöne ist aber: Alle drei können auch jederzeit aufgebaut werden. Natürlich fällt das in jungen Jahren leichter als mit fortschreitendem Alter. Möglich – und zwar oft in erstaunlichem Ausmaß – ist es allerdings bis zum Lebensende. Sehen wir uns also diese drei zentralen Komponenten näher an.
Kraft für Körper und Geist
Häufig verbinden wir mit Kraft Muskelberge. Die Größe eines Muskels entscheidetaber tatsächlich nicht über seine Leistungsfähigkeit. Warum ist Kraft wichtig, egal für wen? Einerseits bedeutet ein höherer Anteil Muskelmasse mehr Energieverbrauch, auch in Ruhe. Das ist gut gegen Speckröllchen bei Zwei- und Vierbeinern. Andererseits halten Muskeln Sehnen straff und Gelenke stabil. Viele Verletzungen in diesen Bereichen, aber auch Fehlhaltungen und damit verbundene einseitige Abnutzungserscheinungen können durch einen guten Muskelaufbau vermieden bzw. korrigiert werden. Für Frauen ist Krafttraining (und zwar mit wirklich hohem Gewicht) enorm wichtig zur Osteoporose-Vorsorge. Knochen werden nämlich nur unter Belastung stärker – egal wie viel Kalzium ich zu mir nehme. Das betrifft auch Sehnen und Gelenke, beide sind von Haus aus schlecht durchblutet und damit nur in Bewegung gut versorgt.
Wie kann Krafttraining aussehen?
Beim Pferd umfasst das z. B. korrekte Dressurarbeit, steiles Bergaufreiten, Cavaletti-Training oder Springen. Beim Menschen gibt es die Möglichkeit, mit dem eigenen Körpergewicht mit und ohne Hilfsmittel (Mini-Band, Therabänder, Bälle, etc.) zu trainieren oder mit Zusatzgewichten, an Geräten oder frei, z. B. mit Kettlebells, Hanteln, Sandsäcken. Idealerweise lasse ich mich anfangs von einem/r Trainer:in begleiten, um die Übungen richtig zu erlernen und meinen Körper korrekt zu belasten. Krafttraining trägt auch indirekt zur Ausdauer bei, da es die Effizienz von Bewegungen verbessert und ein leistungsstarker Muskel nicht so schnell ermüdet. Neben den physischen Effekten hat Krafttraining auch auf der psychischen Ebene einen stärkenden Effekt.
Geschaffen für Ausdauer
Was heißt Ausdauer eigentlich? Auf Bewegung bezogen: Wie lange kann ich eine bestimmte Bewegung mit möglichst wenig Ermüdung ausführen. Ausdauer ist der Inbegriff von Effizienz. Für Ausdauer sind wir Menschen und die meisten Säugetiere geschaffen. Pferde legen in freier Natur gute 20 Kilometer am Tag zurück. Menschen haben das im Übrigen auch Millionen Jahre lang so getan. Das ändern auch ein paar Jahrhunderte Fortschritt nicht: Wir sind gebaut, um zu laufen und zu gehen, nicht um zu sitzen. Ein großer Teil unserer Zivilisationserkrankungen wie erhöhter Blutdruck, Rückenschmerzen, Diabetes Typ 2 etc. sind auf einen durchgehenden Bewegungsmangel zurückzuführen wobei man die Faktoren Stress und Ernährung noch dazuzählen muss. Kein Wunder, dass unsere Pferde mehr und mehr ähnliche Erkrankungen zeigen.
Was trägt zur Ausdauer bei? Die gewählte Fortbewegungsart möglichst kontinuierlich über einen längeren Zeitraum ausüben. Beim Pferd können das lange Schrittspaziergänge sein, Wanderungen, längere Galoppeinheiten (über zehn Minuten), Wanderritte. Beim Menschen stärken ebenfalls das Gehen, Laufen und Wandern, aber auch Schwimmen, Radfahren, Inline-Skaten usw. die Ausdauer, idealerweise mehrmals die Woche für mehr als eine Stunde. Ausdauertraining hilft sehr dabei, Stress abzubauen, in einen Flow zu kommen und auch eigene Grenzen zu verschieben, so die Einheiten etwas fordernder sind.
Koordination in jeder Bewegung
Wie werfe oder fange ich einen Ball? Wie navigiert mein Pferd über unebene Böden oder durch ein Stangenlabyrinth? All das ist Koordination. Eigentlich ist jede noch so kleine Bewegung Koordination. Sie ist das Zusammenspiel von verschiedenen Muskeln und braucht auch schnelle, gut vernetzte Nervenzellen, die diese Steuerung übernehmen. In einem Höchstmaß finden wir sie bei Spielsportarten, im Tanz oder auch in Kampfsportarten. Für Pferde in der hohen Dressur ist sie maßgeblich, ebenso im Erlernen von Zirkuslektionen, aber auch um schwieriges Gelände zu meistern.
Gemeinsam mit der Propriozeption (körperinterne Wahrnehmung von Position, Bewegung und Spannung der Muskeln, Gelenke und Sehnen, die ein Gefühl für die eigene Haltung und Dynamik im Raum verleiht) und der Balance ist Koordination wichtig, um Stürze oder Stolpern zu vermeiden oder besser abzufangen.
Wie trainiere ich Koordination?
Abseits der Spielsportarten, wo dies nebenbei passiert, hilft Techniktraining in der jeweiligen Bewegungsart. Es gibt z. B. sogenannte Lauf-Abc-Übungen, abgesehen davon hilft das Gehen und Laufen auf unebenen Böden oder rutschigem, weichem Untergrund. Kurz: Alles, das uns etwas aus der Balance bringt. Jonglieren, Tanzschritte lernen, Bewegungen anders als gewohnt ausführen. Dabei merkt man ganz schnell, dass sich hier das Gehirn schön mit anstrengen muss. Das macht uns in jeder Hinsicht flexibler. Für unsere Pferde kann das langsame Überwinden von Hindernissen, Schritt für Schritt vorwärts und rückwärts über eine Stange treten, Wandern auf unebenem Boden, über Wurzeln und Baumstämme oder durch einen Stangenhaufen navigieren die Koordination verbessern.
… nicht zuletzt: Regeneration
Regeneration wird oft vergessen, und ist bei Sportler:innen häufig unbeliebt. Erwähnen möchte ich sie dennoch, denn alle Veränderungen brauchen die Ruhe als Verarbeitungszeit. In Ruhe kann der Körper aufbauen und das Hirn neu Erlerntes speichern. Die Abwechslung zwischen Ruhe und Anstrengung, zwischen Fordern und Entspannen führt zur Ausgeglichenheit. Die Seele baumeln lassen, durchatmen und zur Ruhe kommen lädt die Batterien wieder auf für das nächste Abenteuer. Guter und ausreichender Schlaf ist dafür ebenso wichtig wie Ruhe ohne Außenreize wie Handy, Tablet und Co. Auch für unsere Pferde – auch wenn die zum Glück selten beim Binge-Watching vor dem Fernseher hängen bleiben.