Nur die Hälfte seines natürlichen Lebensalters kann ein Pferd heute rein statistisch erwarten, wenn es in konventioneller Stallhaltung untergebracht ist. Eine Studie aus Deutschland nannte einmal die erschreckende Zahl von neun Jahren Durchschnittslebenserwartung im Boxenstall ohne Auslauf. Circa 60 Prozent aller Pferde leben in Deutschland heute in einem solchen Haltungssystem, in Österreich wird dieser Anteil ähnlich hoch sein. 80 Prozent dieser im Stall gehaltenen Pferde weisen Schätzungen zufolge symptomatische oder latent vorhandene Schäden der Atemwege auf. Während Lahmheiten 25 Prozent der Abgangsursachen bei Warmblutpferden darstellen, beträgt der Anteil bei Atemwegserkrankungen sogar 45 Prozent.
Wie diese Zahlen mit der Einstreu im Pferdestall zusammenhängen? Die Antwort ist einfach: Der Stoff, auf dem unsere Pferde träumen, beeinflusst durch Staubbildung und Schadgasentwicklung die Lungengesundheit maßgeblich. Die Einstreu, aber auch ihr Nichtvorhandensein, sind entscheidend für das Pferdeglück. Denn, so eine weitere traurige Tatsache: in vielen Offenstallhaltungen haben Pferde durch mangelhafte oder fehlende Einstreu keine ausreichenden Liegemöglichkeiten. Obwohl ein Pferd auch stehend schlafen kann, sind die richtig erholsamen Tiefschlafphasen nur in Seitenlage möglich. Mindestens zwei Stunden täglich sollte ein Pferd liegend verbringen. Dazu muss eine trockene und rutschfeste Einstreu einen weichen Untergrund bieten, da Schmerzen durch Druck auf die Gelenke das Pferd sonst rasch aus dem Schlaf holen und zum Aufstehen zwingen.
Einstreu ist aber nicht nur ein Komfort- oder Hygienefaktor in der Pferdehaltung, sie ist auch vom Gesetz vorgeschrieben, was leider vielerorts ignoriert wird. Ernst Grabner, selbst Pferdehalter im niederösterreichischen Hainfeld und ehemaliger Obmann der LAG Austria (Laufstall-Arbeits-Gemeinschaft), ist immer wieder überrascht: „Die Pferdebesitzer wissen nicht über das Tierschutzgesetz Bescheid, denn die einstreulose Pferdehaltung ist durch dieses Gesetz verboten. Auch herrscht die irrige Meinung, eine Gummimatte könnte die Einstreu ersetzen.“ Die Werbeversprechen, dass man sich durch eine Gummimatte die Einstreu gänzlich erspart, lassen somit diese gesetzliche Vorschrift außer Acht.
Wie viel ist genug?
Gummimatten bieten allerdings eine gute Unterlage, wenn genügend Material darüber eingestreut wird. Dr. Peter Zechner, Geschäftsführer des oberösterreichischen Zuchtverbandes, berichtet, dass man im Österreichischen Pferdezentrum Stadl-Paura eine Ersparnis von 20 Prozent beim Einstreumaterial verzeichnen konnte – in größeren Ställen sind Gummimatten daher eine durchaus sinnvolle Investition. Sie bilden eine effektive Isolierschicht zwischen Pferd und Boden, was besonders in kalten Wintern positiv sein kann.
Ausreichend eingestreut ist nach Grabner dann, wenn „abends eingestreut wurde und das Pferd in der Früh noch immer nicht auf dem nackten Boden steht.“ Das mittlerweile etwas in Vergessenheit geratene Matratzenkonzept baut auf dieser Vorgabe auf und legt jeden Tag noch eine Lage frischer Einstreu zu. Grabner: „Wenn eine Matratze richtig gemacht ist, ist das eine durchaus gute Liegefläche. Wichtig ist, dass es keine feuchten Stellen gibt, die oberste Schicht sollte trocken sein.“
Lecker und weich: Stroh
Stroh ist in Ackerbaugebieten wohl die am häufigsten eingesetzte und kostengünstigste Einstreu. Es bietet nicht nur gute Eigenschaften für die Gestaltung von Liegeflächen, sondern ist auch ein hervorragendes Beschäftigungsmaterial für jene, die nicht täglich auf die Weide gehen können. Vorsicht ist allerdings bei Ponys und anderen Vielfressern geboten, da Stroh unter Umständen zu Verstopfungskoliken führen kann.
Wie Stroh gelagert wird, hängt stark von der Pressform ab. Kleine Ballen können relativ leicht auf Dachböden eingelagert werden und finden dort ein ideales Klima für die vollständige Trocknung vor. Quaderballen oder Rundballen benötigen ebenerdige Lagerflächen, denen es in der Praxis oft am nötigen Wetterschutz mangelt. Die Feuchtigkeit verursacht hartnäckige Schimmelnester im Stroh und generiert damit ein massives Gesundheitsrisiko für Pferde. Handelt es sich bei den Pilzen um Toxinbildner, so kann es neben dem klassischen Reizhusten, der im chronischen Fall zur Dämpfigkeit wird, bei Aufnahme des Strohs durchs Pferd zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen. Leberschäden bis hin zum Leberversagen und neurologische Symptome wie Zittern, Orientierungslosigkeit und Versagen des Bewegungsapparats durch Nekrosen im zentralen Nervensystem sind die Folge einer solchen „Pilzvergiftung“. Vergiftungsfälle wie diese sind in unseren Breiten zwar eher selten, da die verursachenden Pilze in unserem Klima nur vereinzelt wachsen, aber dafür auch umso dramatischer, denn die allermeisten Mykotoxikosen beim Pferd enden mit der Euthanasie.
Da das Risiko, durch Schimmelpilze und Staub eine chronische Lungenerkrankung zu entwickeln wie eingangs erwähnt sehr hoch ist, spielt die Auswahl und Lagerhaltung des Strohs eine besonders große Rolle. Leider neigen viele Stallbetreiber gerade in Zeiten der allgemeinen Teuerung und der Verknappung von Stroh dazu, hier zu sparen. Dass diese Sparsamkeit in Wahrheit einen hohen Preis hat, davon legen zahlreiche hustende Pferde, die dem Besucher gerade im Winter in so manchen Pensionsställen begegnen, eindrucksvolles Zeugnis ab.
Als Alternative dazu bietet der Markt bereits zahlreiche Strohprodukte, die speziell bearbeitet wurden, um Staub und Schimmel auszumerzen. Obwohl unvergleichlich teurer als das vom Landwirten gehandelte Stroh handelt es sich dabei um sehr gesunde und saugstarke Produkte, die älteren, von Lungenbeschwerden geplagten Pferden, die aber gleichzeitig auf weiche Liegeflächen angewiesen sind, sehr dienlich sein können.
Alternative Holz
Wo gehobelt wird, da fallen Späne – und am liebsten nicht zu knapp. Einstreu aus Holz ist im Pferdestall begehrt, sodass manche Sägewerke für interessierte Pferdeleute bereits Wartelisten führen. Bei dieser grundsätzlich sehr saugstarken, gut isolierenden und hygienischen Alternative zu Stroh muss auch auf gute Verarbeitung, das bedeutet: Entstaubung, geachtet werden.
Fertige Produkte, die mehrfach entstaubt, gepresst und vakuumverpackt geliefert werden, erweisen sich in der Praxis als sehr angenehm beim Ausmisten und zeichnen sich durch besonders gute Lagerfähigkeit aus (mit einer Plane bedeckt ist bei abgepackten Hobelspanprodukten auch eine Lagerung im Freien gut möglich). Zu bedenken ist hier der Preis und die Entsorgung, denn nicht jeder Landwirt akzeptiert Holzabfälle im Pferdemist. Der Abbau am Feld nimmt um einiges mehr Zeit in Anspruch, sodass Holzprodukte in vielen Regionen allein aufgrund der Entsorgung ausscheiden. Wer sich dafür entscheidet, tut seinem Pferd jedenfalls etwas Gutes, sollte jedoch schon im Vorfeld die Entsorgungsmöglichkeiten abklären.
Welche Einstreu Pferde tatsächlich bevorzugen, wenn sie die Wahl haben, dieser Frage hat sich eine Studie an der Vetmeduni Vienna gemeinsam mit dem Schweizer Nationalgestüt Avenches unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Josef Troxler gewidmet. Das Ergebnis: Die Mischung macht’s: Bietet man Pferden im Offenstall eine Mischung aus Stroh und Sägemehl an, so verbringen sie signifikant mehr Zeit im Liegen als etwa auf einer weichen Gummimatte ohne zusätzliches Einstreumaterial. Die Forscher verzeichneten in der Pferdegruppe, die auf bloße Gummimatten gebettet wurde, sogar Verletzungen an den Gelenken – wiederum ein Indiz für die Sinnhaftigkeit des Tierschutzgesetzes.
Elefantengras: Das neue Stroh?
In den vergangenen Jahren wurde in Österreich vermehrt mit Elefantengras (lat. Miscanthus) im Ackerbau experimentiert – sehr zur Freude der Pferdegemeinde. Schließlich eignet sich diese schnellwüchsige und winterharte Pflanze sehr gut als Pferdeeinstreu und bietet den Landwirten eine alternative Anbaukultur, mit der im Hinblick auf einen zukünftigen Strohmangel ein gutes Geschäft – nicht nur im Pferdestall, sondern auch im Heizungsbereich – zu machen ist.
Rund um das Elefantengras hat sich mittlerweile der Verein ProMiscanthus gegründet, der im oberösterreichischen Grieskirchen ansässig ist und auch die Entsorgung des als Dünger wertvollen Pferdemists organisiert (www.promiscanthus.at). Im Union Reitclub St. Georgen ist man auf Miscanthus umgestiegen – und ist mit Saugfähigkeit und geruchsbindenden Eigenschaften sehr zufrieden. Einziger Kritikpunkt: die Einstreu ist nicht staubfrei, was man aber durch die Beimengung von Rapsöl erfolgreich in den Griff bekommen hat.
Geruch & Gesundheit
Die Einstreu ist nicht nur Mittel zum Bett, sie sollte auch hygienische Funktionen erfüllen. In diesem Zusammenhang kommt es jedoch stark auf die Entmistungsroutine im Stall an, wie mehrere Studien bereits eindrucksvoll beweisen konnten.
Bakterielle Umbauprozesse sorgen dafür, dass Urin, der längere Zeit in der Einstreu lagert, einen stechenden Ammoniakgeruch entwickelt. Dieser ist nicht nur für die zweibeinigen Betreuer unangenehm, sondern für die vierbeinigen Bewohner auch ungesund: Ammoniak reizt die Atemwege und trägt damit wesentlich zur Entstehung von Lungenschäden bei.
Um festzustellen, wie es sich bei Stroh und Hobelspänen mit der Ammoniakentwicklung verhält, wurde eine wissenschaftliche Studie im deutschen Vechta durchgeführt. Das Ergebnis: Weizenstroh bildet im Vergleich zu Hobelspänen weniger Ammoniakgeruch. Sogar wenn zwei Wochen gar nicht ausgemistet, sondern nur eine dünne Schicht Stroh aufgestreut wurde, nahm der Ammoniakgehalt der Luft im Stall nicht zu. Eine Empfehlung der Forscher kann nicht oft genug wiederholt werden: Beim Ausmisten sollten die Pferde nicht im Stall sein, denn sowohl der Staubpartikel- als auch der Ammoniakgehalt der Stallluft nehmen in dieser Zeit überproportional zu. In der oben zitierten Studie der Vetmeduni Wien wurde Sägemehl als Einstreu der Wahl für Offenställe ermittelt. Der Vorteil: Auf Sägemehl in den Liegehütten wird signifikant weniger Harn und Kot abgesetzt als auf Stroh, was die Hygiene in den Liegebereichen natürlich massiv fördert und eine Arbeitsersparnis beim Ausmisten bringt.
Fazit: Mit einer weichen und trockenen Einstreu hält man sich nicht nur ans Gesetz, sondern ermöglicht seinem Partner Pferd auch essenzielle Zeiten der Ruhe und Entspannung. Einstreu ist somit nicht nur ein sanftes Ruhekissen, sondern auch ein Beitrag zur Gesundheit – sofern sie sorgfältig ausgewählt ist und regelmäßig erneuert wird.
Material | Pro | Contra |
---|---|---|
Stroh | in Ackerbaugebieten noch immer vergleichsweise günstig bleibt sauber, wenn regelmäßig ausgemistet wird sehr gut für Abfohlboxen (Hygiene!) | kann mit Zustellkosten teuer werden Gefahr von Verstopfungskoliken nicht sehr saugfähig Staub und Schimmel sind problematisch für Allergiker oder Pferde mit Atemwegsproblemen! |
Sägemehl | Kann je nach Standort sehr günstig sein Große Liefermengen saugstark | kann stauben und die Augen irritieren schwer zu bekommen (die meisten Sägewerke haben bereits Wartelisten für Pferdebesitzer!) |
Sägespäne | hochqualitatives Produkt, das speziell für Pferde aufbereitet (entstaubt) wurde gut geeignet für Pferde, die bei Stroh zu Verstopfungskoliken neigen sehr gut für Allergiker/Lungenpatienten handliche Verpackung kann verpackt auch draußen gelagert werden | besonders im Einzelverkauf sehr teuer Konkurrenzprodukt zu Heizmaterialien, daher keine Preisentspannung zu erwarten |
Elefantengras | innovative Entwicklung, heimisches Produkt Selbsterzeugung für Pferdebetriebe möglich sehr saugstark gute Verrottung geeignet für Allergiker und Lungenpatienten, wenn staubreduziert | muss bearbeitet werden, um Staub zu reduzieren (Beimengung von Öl) verarbeitetes Produkt muss im Winter vor Frost geschützt werden, friert sonst |
Papiereinstreu | gut für Allergiker und Lungenpatienten sowie Pferde mit Gewichtsproblemen (wird nicht gefressen) Druckerschwärze bindet unangenehme Gerüche | in Österreich bisher kaum in Verwendung ungeeignet im Rahmen der Mistverwertung am Feld Druckerschwärze kann auf Fell bzw. Umgebung abfärben |
Heu | kann gefressen werden, ohne eine Verstopfung zu verursachen gibt Pferden in Boxenhaltung mehr Fresszeit Verwendungsmöglichkeit für nährstoff armes, eher minderwertiges Heu | teuer Schimmel- und Staubgefahr ist gerade bei minderwertigem Heu sehr hoch |
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Dieser Artikel wurde erstmals in Ausgabe 11/2011 der Pferderevue veröffentlicht. Pferderevue AbonnentInnen können diese Artikel zusammen mit über 40.000 weiteren in unserem Online-Archiv kostenlos nachlesen. Einfach unter Service/Online-Archiv einloggen und in allen Heften aus 25 Jahren Pferderevue zum Nulltarif blättern!
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